02 Apr

Europa – Meditation # 140

Ein Morgenrot der Demokratie – wer hätte das gedacht!

Viele stimmen dieser Tage sorgenvolle Töne an, besonders gerade jetzt, wo die Wahlen zum EU-Parlament anstehen. Die schlimmen Finger von der rechten Flanke scheinen einen Lauf zu haben – landauf, landab in den 28 Ländern der EU – und die stehen alle unter dem Verdacht, nicht demokratie-tauglich zu sein. Als stünde das Ende der Demokratien in Europa ins Haus. Die etablierten Parteien beklagen zuviele Wechselwähler, zu wenige Mitglieder, zu wenig Rückhalt im öffentlichen Diskurs. Die Wahlbeteiligung gehe weiter zurück, die Verdrossenheit der Wähler nehme zu. In der Tat, in der Tat!

Aber was sind denkbare Ursachen?

Da sollten die Parteifunktionäre mal in den Spiegel schauen. Dann könnte ihnen nämlich überdeutlich werden, dass der Wähler zunehmend seine Wahl getroffen hat: Weg von den etablierten Parteien, hin zur überschaubaren Plattform Gleichgesinnter, die ihnen nicht als Funktionäre gegenüber stehen, sondern als verwandte im Geiste: Das Spektakel, das zur Zeit um die junge Schwedin medienwirksam gemacht wird, ist ein anschauliches Beispiel, dass das Vertrauen in die sogenannten Polit-Profis rapide gesunken ist.

Mit anderen Worten: man muss sich überhaupt keine Sorgen machen um die Demokratie und die Demokraten in Europa, Sorgen machen müsssen sich nur die Parteien der EU. Sie werden nicht mehr als Interessenvertreter derer angesehen, die sie vorgeben zu vertreten. Sie werden als korrupt und apparatschik-affin zurecht bemisstraut.

Die Demokraten sehen die Herrschaft des Volkes endlich wieder zurückkehren zu denen, die nach wie vor der Souverän sind: Die Bürger.

Sie sind aus den Kinderschuhen herausgewachsen, haben jahrzehntelang das Spiel der Parteiendemokratie und Lobbyisten verblüfft bestaunen müssen, und finden nun, dass es an der Zeit ist, einen Schlussstrich unter diese Variante zu ziehen und stattdessen mit überschaubaren Gruppen, die in Echtzeit miteinander verbunden sind, den Diskurs über Altersversorgung, Mobilität, Kindererziehung und Naturerhalt unverstellt zu führen und Ergebnisse zu erzeugen, an deren Entstehung man selbst beteiligt war.

Da kommt gute Laune auf. Endlich kann man wieder unverstellt den Blick nach vorne wagen – die Wagenburgen der Parteien der EU gehören ins Museum.

Stattdessen brauchen die Bürger in Europa neue Vorbilder, unverbraucht,

unbestechlich, sowie

Daphne Caruana G a l i z i a…

oder Ján K u c i a k…

oder Marielle F r a n c o…

oder Jamal K a s h o g g i…

oder  A  n  j  a     N    i    e   d    r   i   n   g   h   a   u   s…

22 Mrz

Europa – Meditation # 137

Europa und ein neuer Generationenvertrag

Was tun die denn außer demonstrieren? Das bringt doch gar nichts oder? Das selbstgefällige und besserwisserische Genörgel der Erwachsenenwelt FRIDAY FOR FUTURE gegenüber hat schon was eher Peinliches an sich. Bevor überhaupt gesehen wird, was für eine Chance in dieser gerade zur Welt kommenden Jugendbewegung stecken könnte, ist in den Köpfen der Großen längst schon das Urteil über die Kleinen gefällt. Eigentlich erklärt doch die Gegenüberstellung in groß und klein bereits alles. Oder? Klein ist eben klein und sollte bei seinen Leisten bleiben und groß ist eben groß weil groß.

Dass aber diese Kleinen den Großen einen Spiegel vorhalten und sie einfach messen an dem, was die Großen verbal in Sachen Klima alles so drauf haben, wollen die Großen einfach nicht wahrnehmen. Das verändernde Tun liegt in den Händen der Großen. Aber sie tun nichts Not Wendendes. Gut also, dass die Kleinen nervend den Großen vor Augen halten, dass die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit einfach weiter übersehen wird, damit kein Not Wendendes Handeln nötig wird. Den Stab über die Kleinen zu brechen, weil sie nicht ihrer Schulpflicht nachkämen, ist einfach nur mega peinlich, weil die Großen nicht ihrer Generationenpflicht nachkommen, sondern sehenden Auges weiter das radikale Gegensteuern verweigern. Also müssen die Kleinen weiter nerven.

Wie wäre es, wenn die Großen sich mit den Kleinen solidarisierten?

Wie wäre es, wenn über die Generationen hinweg gemeinsame Anstrengungen unternommen würden, statt weiter standhaft so zu tun, als habe der Kaiser doch Kleider an?

Wie wäre es, wenn jenseits von kleinlichen Schuldzuweisungen in Europa ein gemeinsamer Pakt geschlossen würde zwischen den Kleinen und den Großen, in dem gemeinsam die ökologische, ökonomische und politische Wende eingeläutet würde? Da könnten die Europäer einmal in eine Vorbildfunktion hinein wachsen, die auch so etwas wie eine Wiedergutmachungswelle wäre – nach Jahrhunderten gnadenloser Ausbeutung und Bereicherung auf Kosten dritter und der Natur?

Weniger Fleisch, weniger Flüge, weniger Vans, weniger Plastik, weniger Zucker, weniger Hektik und weniger Bevormundung – das Wissen um die Schäden ist doch inzwischen genauso bekannt wie das Wissen um die Handlungsräume des Gegensteuerns!

Also – nicht mit dem Finger auf den vermeintlichen Verbalradikalisten zeigen, sondern mit beiden Händen eine Menschenkette bilden, die alle mitnimmt, die guten Willens sind, dem Klima-GAU mutig, zuversichtlich und eben solidarisch entgegen zu arbeiten! Das wären dann gänzlich neue Töne im alten Europa.

20 Mrz

Europa – Meditation # 136

Aus tiefem Schlaf erwacht – ein neuer Morgen für  Europa

Und wieder werden hehre Werte und deren nahes Ende beschworen: Von Schicksalswoche ist die Rede, von verloren gehender Bindungskraft der EU, von einer existentiellen Krise der EU.

Dabei kommt bloß eine n a r r a t i o an ihr Ende: die EU hat ihre historische Aufgabe erfüllt; sie hat mitgeholfen, dass die letzten 70 Jahre sehr kriegsarm für die Europäer verliefen, so sehr, dass viele schon gar nicht mehr zu wissen scheinen, was für eine Katastrophe der letzte Krieg für Europa und die Welt gewesen ist.

Man hangelte sich durch den Kalten Krieg, überstand lebend die Kuba-Krise, erlebte das Ende dieser im Kopf zweigeteilten Welt und wollte sich nun endlich auf die e i n e Welt freuen, in der die soziale Marktwirtschaft zum Exportschlager werden sollte.

Aber nun erneut ein Scherbenhaufen. Zum Glück bisher nur ein ideologischer und kein wirklicher. Aber scheinbar über Nacht sind wieder alle Fragen offen. Die vertrauten Muster, Bilder und Gewohnheiten geraten mächtig ins Schleudern.

Da ist es zwar nichts Neues, wenn man sich nach alten Zeiten zurücksehnt, aber für die Jugend kann das keine Option sein. Und plötzlich gibt es die Chance, eine Zäsur zu machen und gemeinsam zu neuen Ufern aufzubrechen. (Methode: fff !)

Da gehört dann aber bestimmt nicht dazu, einen EU-Flugzeugträger zu bauen. Wie kann man nur auf so eine Idee kommen? Doch nur weil die Rüstungslobby einfach nicht schläft. Oder was sonst könnte ein solches Großmannsgebaren rechtfertigen? (Eine kleine Nebenerzählung könnte vielleicht sein, was man in Europa so alles mit dem Geld machen würde, wenn es für kulturelle und soziale Zwecke ausgegeben würde statt für einen Flugzeugträger!)

Es ist Frühlingsanfang. Aufbruchstimmung. Die Natur macht es uns vor. Sie ist in ihrem Optimismus einfach nicht zu schlagen. Jedes Jahr! Warum nicht auch aufbrechen zu neuen Ufern.

Jetzt bitte nicht abfragen, wie denn diese Ufer konkret aussehen sollen. Darüber muss man sich wohl keine Sorgen machen, wenn erst die Europäer das Gefühl haben, erstmals selbst mitreden und mitentscheiden zu können – und zwar in überschaubaren Einheiten, in verwandten Kreisen und in vertrauten Grupppen – und nicht als Wählermaterial vergreisender Parteien.

Warum da nicht auch mal kurz in die Kulturgeschichte schauen? Da fällt doch tatsächlich ein knackiges Zitat aus dem 18. Jh. ins Auge. Wer hätte das gedacht, dass man schon damals so dachte?

Zur Vollkommenheit der menschlichen Natur gehört, dass sie unter jedem Himmel, nach jeder Zeit und Lebensweise sich neu organisiere und gestalte.“

aus: J. G. Herder – Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit 1784 – 1791