26 Jan

Europa – Davos und kein bisschen weise – Meditation # 80

Europa – Davos und kein bisschen weise

Eben noch empörten sich EU-Politiker über die unfreundlichen Ankündigungen des ehemals besten Freundes jenseits des großen Wassers, nun – da man den deutschen Bürger nicht länger auf eine neue Regierung warten lassen kann – bemüht man sich um Schadensbegrenzung und Neujustierung des europäischen Selbstverständnisses.

Aber das Neue erweist sich wieder – wie hätte es auch anders kommen können, so lange die alten Barden weiter tönen dürfen – als altbackene Muster in angestaubten Bildern.

So versucht die geschäftsführende Kanzlerin Optimismus auszustrahlen – die EU müsse eine selbstbewusste Weltmacht werden…denn man sei umgeben von mächtigen Konkurrenten, und zählt sie dann brav auf: China natürlich zuerst (das wird inzwischen selbst dem einfältigsten Zeitgenossen überklar sein!), dann Indien, USA und Russland…Was für ein Fahrwasser! Ironisch könnte man ein altes Zitat leicht abgewandelt vielleicht so formulieren; „Wir sind umgeben von einer Welt mächtiger Konkurrenten – da kennt Frau Merkel keine europäischen Nationen mehr, sondern nur noch eine mächtige EU..!

Angesichts der weiter auseinader driftenden Schere zwischen arm und reich, der wachsenden Belastung junger Mütter und der damit nach wie vor verbundenen Ungleichheit zwischen Wertschätzung der Arbeit einer Frau und eines Mannes, und der zunehmenden Ratlosigkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen, die immer tiefer in digitalen Wolken Zuflucht suchen, wirken die Angebote der geschäftsführenden Kanzlerin wie ein wohlfeiles Ablenkungsmanöver auf die internationale Bühne und dem dramatischen Stück, das da gerade geboten wird: Wenn wir da nicht mächtig gegenhalten, sind wir verraten und verkauft – das ist wohl der Subtext solcher Bilderwelten, die da gerade in Davos angeboten werden. Ein bisschen Angst verbreiten hilft immer, wenn man nicht mehr weiter weiß.

Panem et circenses – Brot und Spiele – das war im Alten Rom die oberste Devise, um die Plebs zu befrieden. Die reichen Senatorenfamilien wussten das sehr wohl und konkurrierten im Wettstreit, wer die aufwendigsten Spiele zu stemmen vermochte, viele Jahrhunderte lang (denn Eigentum verpflichtete zu öffentlichen Einsatz – selbstverständlich).

Heutzutage verpflichtet dagegen Eigentum höchstens noch zur unbegrenzten privaten Bereicherung und das Panem-et-circenses-Muster übernehmen viel nachhaltiger die digitalen Unterhalter und Aufhalter. Denn was die da oben mauscheln, ist ja doch nur Theaterdialog – hinter den Kulissen schieben sie die Bestechungsgelder hin und her – das Abschaffen von Kontrollen in den letzten Jahren hat zu ungehemmten Spekulationsabenteuern geführt – frei nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Auch das EURO—Konzept folgte bisher diesem Muster, die Leidtragenden waren die „südischen“ Staaten Europas, deren EU – Treue längst überstrapaziert ist. So wachsen auch gerade von den Rändern Europas her in diesen Tagen die Konzepte einer europäischen Vereinigung von gleichen und nicht von reichen und weniger reichen Staaten.

So spricht die geschäftsführende Kanzlerin sogar von tiefer Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent und mahnt eine neue Entwicklungshilfe an: die mächtigen Europäer wollen den bedürftigen Afrikanern helfen beim Entwickeln…Es ist nicht zu fassen. Unsere Politiker können einfach nicht aus überkommenen und lieb gewonnenen Bildern auswandern. So bleibt auch ihre Politik die, die sie schon immer betrieben. Die letzten Zahlen zu Rüstungsgeschäften in Kriesengebiete sprechen eine unmissverständliche Sprache.

 Kritische Zeitgenossen tun deshalb gut daran, sich nicht Sand in die Augen streuen zu lassen: Die Zahlen an den Börsen wiesen unablässig nach oben, das sei die Gunst der Stunde, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfe…Die EU müsse in den nächsten zehn Jahren ganz groß raus kommen…also packen wir es an. Nein, danke. Weiter wursteln wollen wir einfach nicht mehr. Machtpolitik gehört ins letzte Jahrtausend, blanke Geldpolitik ist die Devise dieser Tage, doch was wirklich not tut, ist eine Politik in überschaubarem Rahmen von unkorrumpierbaren Vertretern betrieben in Interesse der kleinen Leute, die sich als gleiche unter gleichen sehen möchten…und nicht als Verlierer und Gewinner in einem unfairen Bereicherungsspiel.

02 Feb

Europa – Verraten und verkauft? (Meditation # 57)

Europa – Aufbruch in eine neue Epoche – verpassen?

Wenn lieb gewonnene Gewohnheiten oder scheinbar verlässliche Rituale plötzlich in Frage gestellt werden, ist der Moment der Verunsicherung dann wie ein Geschenk des Himmels: nur so kann deutlich werden, dass die eigenen Muster, Wertschätzungen und Vorlieben immer schon nur auf tönernen Füßen standen; sie mussten sich ja nie an Fremden bewähren, nie sich selbst infrage stellen, nie ihre Tragfähigkeit beweisen. Die Tage, Monate, Jahre dümpelten ja einfach so vor sich hin. Bei stetig wachsendem Wohlstand.

Zur Zeit aber erleben wir Mitglieder der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft gerade unverhofft solch ein Moment der Verunsicherung. Denn wenn sich sogar der große Bruder als Pappkamerad erweist, ist es höchste Zeit, selber einmal nachzudenken, was wichtig, richtig und sinnvoll ist, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft, Farbe und Religion friedlich und gedeihlich nebeneinander leben sollen. Wie ein sinnvoller Lebensentwurf aussehen könnte. Selber einmal nachzudenken, wo denn eigentlich die Wurzeln der eigenen Wertewelt herkamen, was aus dieser Wertewelt im Laufe der Zeit heimlich, still und leise geworden ist, aufgeschreckt durch Marktschreier, die ungehalten heraus posaunen: Ein neues manifest destiny, in dem festgeschrieben sei, dass immer schon der Erfolgreiche auch der Auserwählte sei – im 17. Jahrhundert meinte man, dass der christliche Gott die Menschen, die erfolgreiche Eigentümer waren, schon auf Erden als Auserwählte kennzeichnete. Jeder konnte es an jedem Sonntag in seiner Kirche deutlich sehen: da knieten weit vorne die Land-, Wald- und Hauseigentümer und dankten ihrem Gott für seine Gunst; und sie wussten, sie würden alle ins Paradies eingehen, denn ihr Gott hatte sie ja schon auf Erden auserwählt. Und was verdeutlichte Erfolg besser als der Haufen Geld, der immer größer wurde? Dem galt es nachzueifern.

In der sogenannten Alten Welt – Europa eben – entwickelte sich aber ein anderes Gesellschaftsbild. Hier sollte neben der Gleichheit vor dem Gesetz auch die Gerechtigkeit zum Zuge kommen. Die soziale Marktwirtschaft war so ein Versuch, der bedenklichen sozialen Schieflage gegenzusteuern. Aber sie wurde nach und nach wieder klein geredet. Neue Strahle-Begriffe hatten Konjunktur: Schlanker Staat, Sparen, Liberalisieren, Deregulieren. Ein ganzes Labyrinth an Begriffen und Modellen, die mehr und mehr zu Fassaden-Malereien verkamen, denn die soziale Schieflage nahm dramatisch an Fahrt auf. Ob nun im Rost-Gürtel der USA oder im Immobilienfiasko in Spanien oder im Schuldenberg in Griechenland – überall verloren die Menschen den Glauben an die wortreichen Angebote der Politiker, Banker und Berater.

Der Moment der Verunsicherung ist nun die große Chance, einen Punkt zu machen. Das Kapitel der Nachkriegsmodelle – national, wie international – zu den Geschichtsbüchern zu legen.

Denn jenseits der so oft beschworenen Komplexität der Finanz- und Steuersysteme gibt es immer noch die einfache Wahrheit des menschlichen Lebens: Der Mensch braucht Arbeit, sinnvolle Arbeit und Menschen um sich herum, die sich verstehen, die über die gleichen Witze lachen können und über die gleichen Schmerzen weinen.

Geradezu über Nacht war der Ost-West-Konflikt Geschichte geworden. (Mit welcher Leidenschaft hatte man die Jugend in dieses Modell Jahrzehnt für Jahrzehnt eingenordet!) Das war so schnell gegangen, dass sich keiner mehr die Zeit nahm darüber nachzudenken, wie das möglich gewesen war. Das Denken in den vertrauten Feindbildern löste sich in nichts auf. Und keiner hatte es kommen sehen, keiner hat es für möglich gehalten. Als es aber so war, haben es alle ja schon immer gewusst.

Übrig geblieben war im Westen ein Verteidigungsbündnis, das sich nun neu erfinden sollte. Im Osten begann man gleich wieder an einer neuen großen Idee, einer Gegenwelt, zu basteln. Man wollte nicht vom Westen verschluckt werden. Allzu verständlich.

Doch die Beschleunigung in den Lebenswelten der Jungen und Alten wurde nun zu einer bequemen Ausrede, sich über die erdrutschartigen Veränderungen in den Weltbildern hüben wie drüben nicht aufregen zu müssen. Oder wenn nicht zu einer Ausrede, dann zu einem quasi-Fakt, dass die Beschleunigung eben die Antwort auf all die Fragen war, die nicht beantwortet wurden.

So hatten man sich auch gerne daran gewöhnt, das Kürzel EU mit Europa gleichzusetzen, obwohl es doch nur ein mit heißer Nadel gestrickter Währungsverein war, dessen offensichtlicher Geburtsfehler nun die Enkel beheben sollen. Noch ist der Moment der Verunsicherung nicht vorbei, noch können wir ihn nutzen, noch können neue Entwürfe gemacht werden. Die Menschen sind in der Stimmung mitzumachen, aufzubrechen aus verkrusteten Mustern. Auch die Parteiendemokratie steht da auf dem Prüfstand…denn auch die Parteien haben sich zu einem Selbstbedienungsladen verformt. Die in ihrem Saft stehenden 30 – 60 -Jährigen stehen vor einer faszinierenden Aufgabe jetzt: (sich nicht einfach weiter nur zu bereichern oder sich bloß an der 0-1-Varianz zu berauschen,  sondern)

Jugendarbeitslosigkeit, Familie, Schule und Erziehung am einen Ende der Skala und ein menschenwürdiges Altwerden am anderen Ende der Skala sind die Schlüsselthemen, um aus dieser Werte-Verunsicherung in ein besseres Morgen zu starten.