Europa – Meditation # 170
Das kleine Europa – die große Aufgabe
2020. Schaudernd und enttäuscht wendet sich der Europäer vom Westen ab und sieht im Osten schwelende Konflikte noch und noch. Wie sind sie entstanden? Wer ist der Verursacher? Wenn für viele Europäer 1989 schon eine historische Zäsur ist, die ihnen bloß dreißig Jahre später vage und nichtssagend erscheint, dann sicher erst recht eine Epoche, die 1914 aus den Angeln gehoben wurde. Sarajewo. Ein Mord aus heiterem Himmel. Bagdad. Ein gewaltsamer Tod, der vom blauen Himmel fiel. Zwei Erzählungen, die aber kaum miteinander verglichen werden können.
Mitverantwortung der Europäer damals wie heute ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Es einfach an „die Politiker“ zu delegieren, ist bloß eine weitere Nebelkerze am rauchigen Neujahrshimmel. Das Demokratie-Modell nimmt alle in die Pflicht – europaweit, wenn auch Repräsentanten das Tagesgeschäft auf Zeit betreiben.
Von neuer Unübersichtlichkeit ist die Rede dieser Tage. Gab es denn je eine Übersichtlichkeit im Handeln der Völker dieser Welt? Ist die Unordnung nicht viel plausibler als jedes Ordnungsmuster, das doch nur eine wohlfeile Kopfgeburt ist? Ganz gleich, ob jemand im Baskenland, im Jura, in Schottland, in Irland, auf Korsika, auf Usedom oder in der Bretagne seine Heimat hat… Und könnte es nicht sein, dass die Ereignisse der letzten Tage in Bagdad, Washington und Teheran nicht mehr sind als nützliche Weckrufe, sich im Provisorium der Verträge der Völker miteinander zu erinnern, dass wir stets auf dünnem Eis schlittern, schwanken, den Halt zu verlieren drohen? Und je mehr wir uns im vertrauten Lebensraum verunsichert fühlen, desto weniger helfen dann fromme Sprüche der Parteien – europaweit…
So lange schon profitieren wir Europäer vom sogenannten Wachstum der Wirtschaft weltweit. Die Schieflagen und Schäden, die solches Wachstum mit sich brachten, mussten bisher immer die „anderen“ bezahlen. Und die in vorauseilendem Gehorsam abgelieferte Gefolgschaft dem großen Bruder jenseits des Meeres gegenüber erweist sich mehr und mehr als Irrweg, Illusion.
Auflösungserscheinungen auf vielen Ebenen sind die Folgen.
Die Botschaften eines Buddha oder eines Jesus sind im Westen wie im Osten immer noch nicht angekommen, die Gesundbeter hatten so viele Jahrhunderte Konjunktur, jetzt gehen ihnen die Argumente aus und die Gefolgschaft.
Vielleicht könnte Europa so etwas wie Avantgarde werden. Avantgarde in Sachen Wiedergutmachen – zum Wohle der Menschen und der Natur.
Dazu bedarf es keiner Parteiprogramme, dazu bedarf es nur der Solidarität aller Lebewesen, das wäre eine Sprache, die alle verstehen. Beethovens Neunte liefert frei Haus die Musik dazu. Nur weil es bisher schlecht, bzw. schwach geredet wurde, muss es nicht falsch sein!