16 Jul

Europa – Meditation # 154

Wie die Europäer ihre regionalen Reichtümer schlecht reden                                                                                                      Teil I

Wie selbstverständlich sprechen wir die Dinge aus, als wären sie in Stein gehauen: Ost-West-Konflikt, BRD, DDR, Der Westen, Der Klassenfeind…um nur ein paar inzwischen aus der Mode gekommene oder bereits vergessene Begriffe zu nennen.

Denn schon kam die nächste Welle strahlender oder Furcht erregender Begriffe: Eine Welt, Sieg des Neoliberalismus weltweit, Globalisierung, Digitalisierung, Terrorismus, Taliban, Gelbwesten, Populismus, Nord-Süd-Gefälle usw.

So erledigen wir Europäer auch auf nationaler Ebene in scheinbar trennscharfen Begriffen das Thema Strukturgefälle, in dem wir mit den passenden Begriffen ein schlichtes Zwei-Farben-Bild malen:

Hier die scheinbar endlos boomenden Großstadtgebilde, wo das pralle Leben Tag und Nacht sich selber feiert, glitzernd und wild pochend vor Lebensfreude und

dort die scheinbar schwachen und schwächelnden Landzonen, wo selbst einsame Wölfe kaum auf ihre Kosten kommen und deshalb  abwandern. Öde und lahmend auf allen denkbaren Ebenen sei das flache Land.

In ganz Europa sind diese Begriffe anzutreffen: überall hat das flache Land ein Image-Problem und scheinen die Städt auf Karriere-Glück gepolt zu sein. Scheinbar. Dabei sind die Geschichten und Schätze der Regionen Europas wahre Zufluchtsorte gelingender Lebensentwürfe. Nach wie vor. Der Lärm und das grelle Licht der Metropolen aber spannen über diesen Reichtum der Regionen ein irrlichterndes Netz falscher Versprechen.

Und immer schwingen mit den jeweiligen Begriffen auch gleich die entsprechenden positiven oder negativen Bauchgefühle mit:

Die „urbanen Zentren“ seien eben so attraktiv, dass „selbstverständlich“ das „flache Land“ wie magisch davon angezogen werde. Klar. Dabei sind es nur die Arbeitsplätze, die blind machen für die Folgekosten einer zunehmenden Konzentration in Ballungszentren. Mit den entsprechenden Unwuchten: Tag und Nacht Lärm gratis, Staus, BURN-OUT, Menschenmengen, dicke Luft, Anonymität, Mobilität in Schockstarre morgens und abends verlässlich zu besichtigen usw.

Nun wollen die jungen Leute wieder weg von diesen übervollen, wenig Menschen freundlichen Verhältnissen in den Zentren und suchen erneut Zuflucht im leeren Land. Also statt Landflucht in die Großstädte nun Zuflucht in die überschaubaren Lebensverhältnisse auf dem Land?

Das lässt hoffen: Vielleicht können auf diese Weise in beiden Welten (Stadt und Land) wieder lebenswertere Verhältnisse entstehen, in denen weder die eine auf Kosten der anderen schön geredet, noch die andere schlecht gemacht wird.

Summa: Wenn wir etwas behutsamer und sensibler mit unseren schnellen Wertungen umgingen, hätten wir auch eine Chance, die selbstgebastelten Vor-Urteile abzubauen und den Kopf frei zu bekommen für die wirklichen Wirklichkeiten.

11 Okt

Europa – Oben Leerlauf, unten Pläne – jetzt # 74

Leerlauf oben bei den bekannten Verdächtigen, frohgemutes Pläneschmieden bei den noch unbekannten Weltbürgern unten

Erstmals könnte es klappen mit dem Zusammenwachsen der gleichgesinnten Weltbürger. Denn die sogenannten Profis in ihren hermetisch abgeschotteten Konferenzrunden fällt nichts mehr ein – in Sachen Klimawandel, in Sachen Umweltverschmutzung, in Sachen sozialer Schieflagen, in Sachen Bildung für die Abgehängten und und und…und in Sachen stimmigem WIR-Gefühl in den altehrwürdigen Regionen allüberall. Keiner glaubt mehr an die Versprechungstiraden der Volksvertreter, keiner hört mehr auf die hohlen Ankündigungen der wieder gewählten Abgeordneten, keiner redet mehr mit den professionellen Politikern, genauso wenig wie mit den Managern oder leitenden Bankangestellten.

Schon nach dem Ende des zweiten Weltkrieges brodelte es in vielen Nationen: Man wollte den Egoismus und die Gewaltbereitschaft der Nationen endlich hinter sich lassen. Die Millionen von Toten waren in fast jeder Familie der Beweis für die unmenschliche Botschaft, die solche Nationen im Namen des Volkes erfunden hatten. Regionalismus, Mondialismus, Weltbürgertum waren die Stichworte, mit denen mutigen Männer und Frauen eine neues Zeitalter ausrufen wollten. Namen wir Gandhi, Hammarskjöld, oder Garry Davis – den meisten heutzutage völlig unbekannt – stehen für solche humanen Konzepte jenseits des Nationalstaats und Kriegsbündnisse von Nationen. Aber auch deren Visionen waren nicht neu: Schon in der Antike gab es Denker, die wie Vorreiter solcher Ideen ähnlich dachten und schrieben – Zenon, Diogenes von Sinope, Lukrez; aber auch sie höchstens einem kleinen Kreis von Kennern bekannt, nicht aber dem Weltbürger von heute. Immer geht es um die für den einzelnen und die vielen überschaubaren Lebens- und Gestaltungsraum, in dem man sich auskennt, in dem man die anderen kennt, ihre Sprache, ihre Sitten, ihre Gebräuche, ihren Glauben.

Auch Kants Schrift ZUM EWIGEN FRIEDEN kann unter diesem Gedanken gelesen und gedeutet werden: Eine friedliche Welt kann nur eine Welt von Weltbürgern sein und nicht eine von miteinander konkurrierenden Nationen, die ihre jeweiligen Bürger anstacheln, sich gegen die anderen zu wappnen, sie zu dominieren, gegebenenfalls sie mit Krieg zu überziehen, wenn sie den selbsternannten Hegemon nicht akzeptieren wollen.

Und in den letzten siebzig Jahren gibt es bereits Vorreiter, die in das gleiche Horn blasen: Zum Beispiel Albert Camus, André Breton, Abbé Henri Pierre und zur Zeit u.a. Ulrike Guérot in Österreich. Ihre Bücher und Texte und Vorträge bieten einen wohltuenden Reichtum an neuen Ideen zum Thema Regionalismus und Weltbürgertum. Sie schlägt – nur so als kleine Anregung – vor, statt der 28 Staaten der EU Europa in 50 bis 60 Regionen, die als solche ja schon bestehen, einzuteilen, die mittels der Wolke pausenlos miteinander vernetzt sein könnten, ohne einem anonymen Zentrum hilflos und ohnmächtig preisgegeben zu sein.

Die Nation ist viel zu abstrakt, zu allgemein, als dass sich der einzelne darin beheimatet fühlen kann. So sucht er sich immer wieder Surrogate bleibt aber unzufrieden, unsicher oder privatisiert, wenn er es sich leisten kann. Aber eine Gemeinschaft ist es nicht, eine solche Nation. Der einzige gemeinsame Nenner scheint ein Gefühl von Ungerechtigkeit und Benachteiligung zu sein. Nur über die Angst kann daher die Nation die vielen domestizieren, drillen, konditionieren.

Nun ist zwar kein Krieg in Europa zu beklagen – zum Glück – aber der Krieg gegen die Natur, den Planeten und gegen die Gesundheit nimmt aberwitzige Formen an, die den Bürger so verdrossen machen, dass er offen ist für jede Botschaft, die in diesen Feldern verspricht Abhilfe zu schaffen. Von dem Umgang mit den vielen Menschen, die zu den Europäern geflohen sind und weiter fliehen, ganz zu schweigen.

Der Weltgeist flüstert es dieser Tage schon unüberhörbar jedem, der es hören will, ins Ohr:

Nutzt die Gunst der Stunde!

Die Zeit der großen Strukturen ist endgültig vorüber. Nato, Warschauer Pakt, Ost-West- Konflikt, Die Eine-Welt-Show, EU, OECD, OPEC und und und…

Die allermeisten Medien sammeln weiter die Brosamen ein, die von den Tischen der internationalen und nationalen Ministerrunde gezielt fallen gelassen werden, als hätten sie Antworten auf die Fragen der besorgten Weltbürger! Haben sie aber nicht. Nur neuer Wein in alten Schläuchen, sonst nichts.