30 Mrz

Europa – Meditation # 190

Alter Mythos vs neuer Mythos – Von Viren und Luftschlössern. Teil I

Wenn Harari im Eilschritt kurz mal die Menschheitsgeschichte Revue passieren lässt, und wir Satelliten zur Sonne und an den Rand des „Weltalls“ schicken, warum sollte man dann nicht auch diese kurze Geschichte kurz mal rückwärts laufen lassen – „gehe zurück auf Anfang!“ – und denken, dass die Trennung zwischen Genau und ungenau genau daneben geht, dass Kunst in ihrer Vielstimmigkeit und Vieldeutigkeit genau das erfasst, was uns als species ausmacht: In jedem Augenblick sehen wir uns selbst und die Welt um uns neu, anders, fremd, vertraut und beschwören uns leise: Jetzt weiß ich es, jetzt weiß ich es. Und diese Kunst des phantasievollen Erfindens und Zusammensetzen nennen wir dann das Leben. Ein Mantra für 20 000 Jahre. In jedem Erdteil anders gedacht und gelebt – schon immer.

Aber sind es nicht immer auch nur Probeläufe gewesen, die irgendwann als irrig verworfen wurden, begraben, um einen neuen Probelauf beginnen zu können?

Schon vergessen? „Errare humanum est – sed in errore perseverare dementis.“

Irren ist menschlich, aber im Irrtum zu verharren töricht.

Schon immer waren unsere Endlichkeit und unsere Unwissenheit die Portalfiguren, an denen wir nicht ungerührt vorbei schleichen konnten. Können.

Warum nicht endlich dazu stehen wollen? Jetzt?

Europa hat viele Varianten durchgespielt, Asien hat viele Varianten durchgespielt – beide stehen nun vor dem gleichen Problem: Das, was seit Jahrzehnten als gelungener Lebensentwurf weltweit propagiert wird, erweist sich nun nachhaltig als das, was es ist: ein weiterer Probelauf, der sich als globaler Irrweg herausstellt. Wäre es da nicht töricht – um ein aus der Mode gekommenes Eigenschaftswort wiederzubeleben – trotzig die Augen zu schließen, statt sich vom Hergebrachten zu verabschieden und neu zu verorten?

Dazu braucht die species keinen Gesundbeter, keinen Vordenker, jeder ist heute – nicht zuletzt durch die globale Vernetzung – Teil des Neuanfangs, Teil eines neuen Narrativs/Mythos, der den alten Mythos endlich ablöst: Denn am Anfang Europas steht ja nach wie vor das üble Bild einer gewaltsamen Entführung und Vergewaltigung – überhöht in ein Bild eines göttlichen Liebesabenteuers von Zeus selbst, dem Supermann von jeher. Aufgeschrieben wurde dieses Narrativ natürlich von Männern. Das Narrativ der Frauen hatte keine Chance.

Jetzt ist sie da.

Die unterdrückte Botschaft von einem gewaltarmen Leben, in dem die Frauen gleichberechtigt neben den Männern leben, kann nun endlich in die Tat umgesetzt werden. Es sind die Frauen, die gerade den Laden wuppen, nicht die Männer. Fortsetzung folgt schon morgen!