16 Nov

Europa – Meditation #467

Kreuzzüge – damals wie heute – desaströs.

Männer machen Geschichte: ein Motto, das in der Rumpelkammer spätestens des 20. Jahrhunderts verstauben sollte. Tut es aber nicht. Die alten wie die neuen Medien baden derzeit geradezu in dieser Vorstellung von Geschichte und Politik. Der Liberalen Kabinettstückchen im Vorfeld des Ampel-Endes taugt da scheinbar genauso wie die Marionetten-Veranstaltung in Washington, wo gerade die neuen Pappkameraden und Püppchen neu kostümiert werden, um ab dem kommenden Jahr ihre bis dahin einstudierten Rollen aufzusagen. Und phantasiearm, wie sie sind, holen sie sich hirnlos ihre Phrasen selbst aus dem hohen Mittelalter: Deus lo vult – zum Beispiel. Als Tattoo auf den Arm unter die Haut gespritzt oder als wirkungsvolles SharePic der AfD in den social media : „Gott will es“.

Alles hängt mit allem zusammen. Wie wahr, wie wahr. Und lauter Männernamen mit eigenartigen Lebensläufen: Putin, der fließend deutsch spricht und so am Telefon mit Olaf Scholz eine Stunde lang wortreich lamentieren darf, Trump, Orban, Scheuer (schon vergessen?), Söder, Musk, Pete Hegseth und Matt Gaetz (u.a. unter Verdacht sexuellen Fehlverhaltens), um nur einige in willkürlicher Reihenfolge zu nennen.

Natürlich hängt die europäische Kulturgeschichte auch mit dem Mittelalter zusammen, klar. Aber, um ins Detail zu gehen, fehlt natürlich sowohl dem Produzenten als auch dem Konsumenten solcher knackigen Botschaften die Zeit. Hier – in einem blog, den sowieso niemand mehr liest – soll allerdings der Zusammenhang dennoch kurz umrissen werden:

Im Jahre 1095 hält Papst Urban II. in Clermont eine klug gestaltete Rede, um die vielen Ritter nachhaltig zu beeindrucken: Jerusalem sei von den Seldschuken erobert und es sei der Auftrag Gottes an die Christen, diese Stadt zurückzuerobern: „Deus lo vult/Gott will es“ . Die Folge: 1098 Aufbruch zum ersten Kreuzzug, der dann auch gleich in einem monströsen Blutbad in den Gassen Jerusalems gipfelt. Und wer hatte da seinen Arm hingehalten für dieses Tattoo? Der designierte Verteidigungsminister Pete Hegseth, Trumps Mann für das Grobe sozusagen.

Doch zurück zum Eingangs-Motto: Diese Männer können mit ihren Unterschriften nur deshalb etwas bewegen und so scheinbar Geschichte machen, weil es genügend Follower als Wähler wie als Soldaten gibt, die das exekutieren, was lautstark von solchen Politikern in die Welt posaunt wird: „Make Amerika great again!“ Und dann nicht zu vergessen die Zuschauer – also die übrigen Zeitgenossen, wie wir, die wir diese Szenerie beschreiben und zulassen. Die billigste Ausrede dabei war schon immer: „Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen.“ Pontius Pilatus lässt schön grüßen! Doch wir alle tragen ordentlich mit dazu bei, dass z.B. nicht mehr Geld in Bildung investiert wird, sondern stattdessen in Rüstung. Hier könnte eine lange Liste folgen, was wir alles hinnehmen und so gewissermaßen mit absegnen, was wir aber gleichzeitig empört bemängeln.

So sollte das Motto einfach ein bisschen modifiziert werden: Wir alle machen entscheidend mit, gehören also auch zu den Männern, wenn Männer Geschichte machen. Und der Gang zur Wahlurne alle vier Jahre hat da nur Alibi-Charakter. Der Wähler hockt scheinbar machtlos am Ende der Nahrungskette „Demokratie“ und mampft sich bloß den Bauch voll. Frage: Hat sich die Parteien-Demokratie nicht längst als untauglich erwiesen, die großen Fragen der Gegenwart zu gestalten? Droht über den Wählern nicht längst – wie ein Damokles-Schwert – der Ruf nach dem starken Mann, der den gordischen Knoten, der das Paket „Mündigkeit“ bisher recht locker zusammenhielt, einfach furchtlos zerschneiden wird? Irgend so ein Trampel oder Rumpelstilzchen vielleicht? Desaströs!

14 Nov

Europa – Meditation # 466

Die späten Erben europäischer Kopfgeburten.

Wer erinnert sich noch an das ungläubige Erwachen vor acht Jahren – als dieser Trumpel/Rumpelstilzchen doch tatsächlich – zwar ziemlich knapp, aber immerhin – gegen Hilary Clinton die Wahlen für sich entscheiden konnte? Es war scheinbar nicht zu fassen, aber dennoch wahr. Und die vier Jahre Präsidentschaft, die 45., wurden zu der reinsten Achterbahnfahrt. Man denke nur an das Gebell vor der Nato und die Blitzreise nach Nordkorea. Jetzt wissen wir eigentlich doch, dass das nur Vorübungen waren. Denn der wütende Messingkopf entpuppt sich nun auch noch als Rachezwerg: Er will all die, die ihn nicht anbeten wollten während des Wahlkampfes, niedermachen, entlassen, demütigen, kränken und hat da an seiner Seite gleich noch einen zappelnden Kobold ALSET, der auch das nötige Kleingeld in der Hinterhand parat hält, um unliebsame Konkurrenten – an Land, auf dem Wasser und im All – nachhaltig aus dem Rennen um Marktanteile herauszuboxen. Man muss kein Sterndeuter sein, um voraussagen zu können, dass Eitelkeit, Habgier und der Hass gegen selbstbewusste Frauen die nächsten vier Jahre auf nie dagewesene Weise dominieren werden.

Aber wieso nun „späte Erben europäischer Kopfgeburten“?

Die species homo sapiens hat ja nicht nur die Sprache erfunden, sondern auch die Vorstellung von Eigentum (wenn man etwas länger darüber nachdenkt, wird vielleicht deutlich, was für eine willkürliche Setzung da dem Planeten zugemutet wurde!) und von einem unsichtbaren Mann-Gott-Wesen, dem sich alle unterwerfen müssen (inzwischen sogar in drei aberwitzigen Varianten: alle drei abrahamitische Ausgeburten) und das Konzept der Nation, das uns inzwischen schon längst wie eine Naturkategorie vorkommt, aber auch nicht mehr ist als bloß eine weitere Erfindung europäischer Denker (natürlich nur lauter integre Männer), die dann als letzte Pointe in diesem Strauß intellektueller Feuerwerkskörper den neuen Gott aus der Taufe hoben: Das Geld als das sogenannte „freie Spiel der Kräfte“. Und mit diesem Blumenstrauß neuer Sehweisen von Welt und Mensch segelten die Mutigsten und die Verzweifeltesten in die „Neue Welt“, um sie – auf Teufel komm raus und maximal gnadenlos gegen alle, die sich dem in den Weg stellten – Bisons genauso wie Natives – nach ihrem Bild zu formen: Die einen sind inzwischen die bürgerlichen Plutokraten und die anderen die Evangelikalen, die gebetsmühlenartig wiederholen, dass – laut Bibel – Gott die Welt vor 6000 Jahren geschaffen habe, die Frau natürlich dem Mann untertan sei und alle anderen diesem Mantra unterworfen werden müssen.

Error, error, error – sollte auf allen Bildschirmen weltweit als Begrüßungs-emoji zu sehen sein – error!

Aber der Messingkopf und sein Adlatus werden mit Hilfe von Fake-News und KI/ChatGTP schon dafür sorgen, dass in den nächsten vier Jahren diese Kopfgeburten als bare Münze genommen werden, während drum herum alle mitansehen dürfen, wie sie mit dazu beitragen, dass der Individualverkehr weiter ausgebaut wird, Versiegelung von Böden für Park- und Messeplätze voran schreitet und gegen neue Hitzewellen neue Brillen, Ventilatoren und Ganzkörperselbstkühlhüllen über Investitionshilfen des Staates erfunden, produziert und vermarktet werden.

Das Zeitalter der Aufklärung – anschaulich visualisiert durch das „Licht, das das Unwissen vertreibt“ – hat es bei genauerem Hinsehen überhaupt noch nicht gegeben. Dank Dauerschleifenprogrammen on TV und dank der social media sind inzwischen auch schon die Kleinkinder hinreichend gedopt, um 0/1 für die nicht zu toppende Zauberformel zu halten.

Es wäre höchste Zeit, dass sich Europa auf seine humanen Visionen besänne, und begänne, in den kleinen Regionen Europas Licht ins Dunkel zu bringen, anzufangen nicht nur mehr Bäume zu pflanzen, sondern auch dem Leben einen neuen Sinn zu geben im neidlosen Miteinander und solidarischen Kampf wider den absehbaren Niedergang eines wunderbaren Planeten. Das wäre dann praktische Aufklärungsarbeit und Friedenspolitik einer so verängstigten species.

Aristophanes‘ LY S I S T R A T A wäre da vielleicht die lustvollste Variante, den Männern endlich mal Beine zu machen!

10 Nov

Europa – Meditation # 465

Lust auf eine neue Runde Doppelkopf?

Als die species homo sapiens sapiens für sich nach dem Gesang die Sprache erfand, schien es wie Zauberei zu sein. Nun – ein paar tausend Jahre später – lautet die Zauberformel F A K E – news! Mit Hilfe dieser Formel lässt sich trefflich streiten, denn so kann man easy dem Gegenüber den schwarzen Peter zuweisen und sich selbst das „Wahrheits-präsent“ unter den Nagel reißen.

Apropos Doppelkopf!

Da spielt jetzt der Trampel gegen den Ampel, bzw. Palästina gegen Ukraine.

„Ich kaufe Rheinmetall“. Gut. Und ich die Apple-Straße und wenn du über Tesla kommst, ab ins Gefängnis, es sei denn du googles mich…hihihi…

Wäre das schön, wenn es so einfach wäre. Aber die Wirklichkeit ist zur Zeit wahrlich ein Irrenhaus:

Eben erst – war da nicht eine Epidemie, die uns Todesängste einjagte – sahen wir Bilder von Toten auf einer Dorfstraße in der Ukraine, Zivilisten, brutal hingerichtet, dann explodierende Tunnelgänge im Gaza-Streifen (da lebten mehr als eine Millionen Menschen!), dann Schlammlawine nahe Valencia mit mehr als 200 Toten (schlimme Bilder aus dem Ahrtal ploppten hoch), getoppt von wilden Feuersbrünsten bei Los Angeles. Fake-News? Für das Trampel aus New York selbstverständlich: er will das Klimaabkommen von Paris canceln, dafür mehr fossiles Material freilegen lassen und auf dem Weltmarkt gewinnbringend verhökern, und hier in Europa (schon vergessen?) beglückten liberale Werber die unschlüssigen Wähler in den neuen Bundesländern neulich erst mit Ankündigungen über „mehr Parkplätze in den Innenstädten statt Fußgängerzonen“ und „mehr neue Verbrenner-Fahrzeuge“ !

Das klingt wie aus einer anderen Welt, wie Fake-News. Aber sie sind ernst gemeint, toternst. Dass wir aber bereits 2024 nicht mehr die 1,5° werden halten können, scheint kaum jemanden zu stören. Da können auch sogenannte „Starkregen“-Ereignisse und „Feuersbrünste“ nichts dran ändern.

Hinter all den Sprachkaskaden dieser Tage wabern selbstverständlich heftige Emotionen: Man will herrschen, man will mehr haben, man will der Stärkere sein. Und der eigenen Angst ein Schnippchen schlagen. Und hinter verschlossenen Türen tobt weiter der Ungeist patriarchalischer Gewalt gegen Frauen. Avignon lässt grüßen!

Solange man nur hinreichend privilegiert ist, den Gegenüber furchtlos attackiert, fühlt man sich auf dem erfolgreichen Pfad in Richtung „gewinnen“, ohne auch nur einen Moment zu bedenken, dass wir so a l l e auf der Verliererstraße vor uns hin taumeln, wie die Lemminge, die als chaotische Horde kopflos in Richtung Abgrund stürmen, als gäbe es da etwas umsonst. Ein Schnäppchen.

Wer hat denn nun die beiden Damen gehabt, wer hat mit wem gespielt? Ist doch egal. Hauptsache wir hatten Spaß und alle meinen, gewonnen zu haben. Ist doch ein Superspiel.

Und hör mir bloß auf mit dem ermüdenden Hinweis auf Fake-News!

Ist doch sowieso alles erfunden.

Und die am lautesten schreien, behalten ja auch Recht.

Bis zum bitteren Ende, klar.