19 Jun

Leseprobe – Fabeln – erzählt von der kleinen Fee # 46

Zurück im feucht dampfenden Urwald von Jonathonien Fabel # 46

Babóso flüstert Wíldepu etwas ins Ohr.

Als Babóso sein großes, großes Geheimnis verkündet hat, wird es noch einmal richtig still im feucht duftenden Urwald von Jonathonien. Aber nur kurz. Denn dann beginnt ein endloses Palaver und Gequatsche der Affen- und Piratenbande, der Papageien und Krokodile, der Schlangen und Spinnen, der Kakadus und Wildschweine, der Chamäleons und Riesenschmetterlinge. Es würde lange dauern, um alle aufzuzählen. Aber jeder von ihnen meint zu wissen, was denn das große, große Geheimnis sei. Jeder, klar. Und so streiten sie laut und besserwisserisch, schreien sich gegenseitig an, hüpfen aufgeregt hin und her und wollen dem anderen gar nicht zuhören. Denn jeder weiß ja die richtige Antwort. In dem lärmenden Geschrei müssen es tausende sein. Aber welche ist denn die richtige?

Wo stecken denn unsere Freunde eigentlich?

Aha.

Sie haben sich alle um Babóso versammelt. Sie möchten die Antwort aus ihm heraus kitzeln. Babóso lässt sich gerne kitzeln. Aber sein Geheimnis verrät er nicht. Er kichert und kichert.

„Los, Babóso, los, jetzt sag es schon!“ Unsere Freunde bestürmen ihn und kitzeln ihn in einem fort. „Uns kannst du es doch sagen, wir sind doch alle deine Freunde – oder?“

Babóso kichert und kichert. Schließlich – unsere Freunde können gar nicht so schnell reagieren – schnappt sich Babóso Wíldepu und schwingt sich mit einem riesigen Satz ins Geäst des uralten Kapokbaums. Höher und höher schwingt er sich, bis seine Freunde ihn gar nicht mehr zwischen den großen Blättern erkennen könnne.

„He, Babóso, das ist gemein! Komm sofort wieder runter, los!“

Aber der denkt gar nicht daran. Er setzt Wíldepu auf einen dicken Ast oben im Wipfel des Kapokbaums und flüstert ihr leise und verschwörerisch etwas ins Ohr. Was er aber nicht bemerkt hat, ist, dass Thói sich im langen Haar von Wíldepu versteckt hat und alles voll mit bekommt.

„Und du musst mir versprechen, es niemandem weiter zu sagen. Versprochen?“

Wíldpu nickt lachend. Babóso ist zufrieden und schwingt sich wieder hinab. Von Ast zu Ast, bis er wieder unten bei der Affen- und Piratenbande ist, die immer noch darüber streiten, wer denn nun das Geheimnis wirklich weiß.

„He, Babóso!“ ruft Jimmyjammy, „wo hast du Wíldepu denn hin geschleppt?“

„Ich?“ Babóso spielt den Ahnungslosen, „äh, also, ich glaub, die wollte mal frische Luft schnappen und sitzt jetzt sicher ganz oben mit herrlichem Ausblick über den Urwald.“

Unsere Freunde glauben ihm kein Wort. Sie lachen sich schlapp.

„Ja, ja“, plappern sie durcheinander, „du willst ja nur davon ablenken, was es mit deinem komischen Geheimnis im Oktober auf sich hat, stimmt‘s?“

05 Jun

In der heißen Savanne von Jonathanien – Fabel # 19 (Leseprobe)

In der heißen Savanne von Jonathanien

Unsere Freunde – Schorwoch, der alte Panther, Schnauberboss, das gemütliche Riesennashorn, Thói, der rotweiße Feuerwehrsalamander, die kleine Fee von der Blumenauge und natürlich die Hauptperson: Wíschpu, der kleine Bär – halten den Atem an. Jedem fahren in diesem Augenblick die unglaublichsten Gedanken durch den Kopf – außer Wíschpu, der hat gerade das Gefühl, als sei sein Kopf völlig leer, hohl. Ein langer dröhnender Ton scheint in ihm zu beben. Seine Hände zittern, als jetzt der Zeigefinger seiner rechten Hand am Abzug des Vorderlader-Büchsen-Ungeheuers zieht. Thói würde gerne noch etwas zur Gefahr eines Feuers sagen, wenn aus dem Schieß-Trumm jetzt die Funken stieben werden. Aber er kommt nicht mehr dazu.

Ein ohrenbetäubender Knall bringt die heiße Luft der Savanne fast zum zerreißen. Funken stieben, Wíschpu haut es beim Rückschlag knallhart vom Rücken des alten Panthers, der vor Schreck auch noch in die Knie geht. Selbst Schnauberboss weicht erschrocken zur Seite, als wenn eine Elefantenherde ihn angreifen würde. Und dann schlägt die Bleikugel auch schon krachend in der Rinde des Affenbrotbaums ein. Gleichzeitig donnert das Holzgestell zu Boden und das Vorderlader-Büchsen-Ungeheuer zerbricht beim Aufprall im trockenen Gras in mehrere Teile. Rauch steigt aus dem heißen Rohr auf. Wíschpu wagt gar nicht hinzuschauen, außerdem hat es ihn so heftig auf den Hintern gehauen, dass er sich vor Schmerz krümmt und stöhnt.

Die kleine Fee, die sich die Ohren zu gehalten und die Augen zusammen gekniffen hatte, zählt heimlich bis zehn. Denn sie ist sich völlig sicher, dass jetzt, obwohl der Krach vorbei ist, bestimmt etwas Unvorhergesehenes geschehen wird. Hoffentlich ist niemandem unserer Freunde etwas zugestoßen, denkt sie noch, als sie die Augen wieder öffnet. Auch die anderen sind sprachlos – nach dem ersten Schock: Aus dem riesigen Affenbrotbaum fliegt nämlich jetzt in großem Tamtam und Rauschen eine Schar von grüngelben Papageien auf und sausen in großem Bogen um unsere Freunde herum. Wie im Tiefflug kommen sie jetzt in dreifacher Formation angesaust, schreien schrill und laut, als wollten sie böse sagen: He, ihr Hornochsen, was fällt euch denn ein, uns in unserem wohlverdienten Mittagsschlaf so rüde zu stören? Dann steigen sie in einer steilen Kurve fast senkrecht in die Höhe, um aber gleich wieder in einer zweiten Tiefflugformation auf unsere Freunde zuzuhalten. Ohrenbetäubendes Gekreische saust mit ihnen heran. Blitzschnell laufen unsere Freunde alle zum Riesennashorn, um hinter dessen dicken Bauch Schutz zu suchen. Nur Wíschpu kommt nicht so schnell hoch, der arme! Und neben ihm im Gras, da wo die kleine Kanone gelandet und zerbrochen ist, sieht er Rauch aufsteigen. Oh nein, das trockene Savannengras hat sich entzündet, oh nein! Auch Thói hat es bemerkt. Blitzschnell flitzt er zum Kopf des Nashorns und flüstert dem etwas ins Ohr. Und Schnauberboss kapiert sofort…

04 Jun

Leseprobe aus der neuen Folge der Fabeln # 19

 Im Tempel der Elfenphantasien

Unsere Freunde halten den Atem an. Was wird als nächstes geschehen? Die wunderbaren Glasklänge und die phantastischen Tänze der Fee scheinen selbst im Dunkeln weiter zu schwingen – jedenfalls meinen Schúdulu, die kleine Schildkröte, auf Lailas Schulter, Bräbasum, der uralte Bär und Baldúwa, unser Wuschelbär, es sei immer noch etwas zu hören und zu sehen. Auch Laila ist es, als wäre da etwas Neues im Entstehen:

Von ganz weit oben – wie in einer weichen blauben Wolke – schweben langsam, ganz langsam weiße Säulen herab. Sie scheinen in einer schwach golden glänzenden Kuppel zu hängen. Und hinter ihnen kommen nun lauter lachende Elfen hervor und scheinen zu winken. Jetzt haben die Säulen fast den Boden erreicht, in einem großen Kreis sind sie aufgereiht – da, wo eben noch ein glitzernder See war, ist jetzt ein farbenprächtiges Mosaik zu sehen: Wilde Tiere, fremde Pflanzen und eigenartige Tempel und Häuser sind darin zu erkennen. Und die freundlichen Elfen hören einfach nicht auf zu winken.

Ob die wohl uns meinen?“ fragt leise Schúdulu.

Vielleicht, wer weiß“, brummt Bräbasum vor sich hin, „vielleicht, vielleicht…“

Baldúwa läuft einfach los zur nächst besten Elfe, die mit ihm zu den wilden Tieren geht, die plötzlich gar nicht mehr aus Mosaiksteinchen zu bestehen scheinen, sondern aus Fell und Blut. Laila erschrickt, denn was wäre, wenn sie nun den Wuschelbären auffressen? Aber da sind Baldúwa und die lächelnde Elfe – gekleidet in lange, bunte Seidenfäden, die um sie herum schimmern, als würden sie von einem blassen Mond beschienen – in einem der Tempel im Mosaik verschwunden. Einfach weg.

Schúdulu und Laila können es gar nicht fassen. Wo sind die denn jetzt? Einfach weg, ohje minne, ohje minne!

Bräbasum will nicht lange warten, er hat eine Idee:

Wisst ihr was, wir müssen eben auch einfach zu einer winkenden Elfe da in dem Säulenkreis hin laufen, die nehmen uns dann auch an die Hand und werden uns bestimmt zu Baldúwa führen.“

Und ohne erst überhaupt eine Antwort abzuwarten, läuft er los. Da bleibt Laila samt Schúdulu auf ihrer Schulter gar nichts anderes übrig, als hinterher zu laufen:

So warte doch, Bräbasum, warte doch! Bitte! Sonst verlieren wir uns noch.!“

Und wie sie nun in den wunderbar hohen und weißen Säulenkranz treten, beginnt auch ein wohltuendes Summen zu erklingen. Laut und leise, laut und leise. Oder ist es eine Harfe oder eine Orgel? Jedenfalls ist es wunderschön. Vor lauter Glück bemerken sie auch gar nicht, dass sie bereits zwei junge Elfen an die Hand genommen haben und mit ihnen in einem wilden Gebüsch, in dem es herrlich duftet, hinein gelaufen sind. Ob sie wohl Baldúwa wieder finden werden?