Julianus
und Bordov greifen ins Rad der Geschichte.
„Das
Morden muss ein Ende finden“, murmelt Bardov vor sich hin. Aber
wie? Der König hat ihn erneut auf die Güter des hingerichteten
Bischofs Arnulf geschickt. Der Sohn des Römers, des vergifteten
Herrn der Villa Marcellina an der Liger, soll da gerade nach dem
Rechten sehen., heißt es. Chlotar hatte die beiden Höfe ja dem
Römer als Lehen gegeben.
Als Bardov
von seinem Pferd steigt, kommt gleich aus einer der nächsten Hütten
ein Leibeigner und mustert ihn misstrauisch.
„Wer seid
ihr?“ fragt der Mann Bordov mutig.
„Na, wer
schon, du Idiot. Ich bin Bardov, der Truchseß des Königs. Und wer
bist du, hä?“
Der Mann
weicht zurück, weiß nicht, was er tun soll.
„Ich? Äh,
ich steh hier nur so rum“, und fängt blöde zu kichern an.
Bordov würde
ihn am liebsten seine Peitsche spüren lassen, aber er hat
Wichtigeres zu erledigen.
„So, so.
Wo ist denn dein Herr, hä?“ setzt Bordov drohend nach.
„Unser
Römer?“ der Mann dreht sich um, sucht mit Blicken das Gelände ab,
zieht die Schultern hoch, hebt ratlos seine Arme.
„Keine
Ahnung, Herr!“
Na bitte,
geht doch, denkt Bardov, der kriegt ja fast schon ganze Sätze hin.
Da sieht er
auch schon den Gesuchten über die noch unbestellten Felder heran
reiten.
Bardov hält
weiter sein Pferd am Zügel fest, als jetzt Julianus dicht vor ihm
halt macht und absteigt.
„Bardov,
hätte gar nicht gedacht, dass wir uns schon so bald wieder sehen.“
Bardov spürt
ein Ziehen im Magen. Den soll ich umbringen? Niemals. Es reicht, es
reicht.
„Ich auch
nicht!“ erwidert Bardov und reicht Julianus die Hand.
„Bring uns
was zu trinken raus, ja?“ bittet er den ziemlich blöd dastehenden
Mann. Der nickt und verschwindet in seiner Hütte.
Beide binden
ihre Pferde an und warten schweigend, dass der Mann zurück kommt.
Dann stoßen sie freundlich lächelnd an und Julianus fragt:
„Was kann
ich für dich tun, Bardov?“
„Wir
müssen reden“, ist alles, was er zur Antwort bekommt.
„Gut,
komm, gehen wir in mein Haus. Du bist sicher auch hungrig.“
Bardov
nickt.
Später sitzen sie im Dämmerlicht des herunter gekommenen Pächterhauses, essen und trinken und reden und reden. Und je länger sie reden, umso mehr wird beiden klar, dass dieser König der Franken mehr und mehr zu einem Monster mutiert, das über Leichen geht und anscheinend dabei immer größeren Hunger verspürt.
Dann wird es
still im Raum. Die Sonne verschwindet gerade im Westen, die Kälte
kriecht unter der klapprigen Tür durch und lässt die beiden
frösteln.
Sie kommen
zwar beide aus zwei sehr verschiedenen Leben, der junge Römer und
der altgediente Franke, aber sie haben doch mehr gemeinsam, als diese
großen Unterschiede nahe legen.
Schließlich
treffen sie leise, sehr leise eine Entscheidung, verabreden sich für
den nächsten Tag in Lutetia. Bardov wird dem König melden, dass
Julianus um eine Aussprache bittet – es gehe um den Ausbau der
beiden Lehen und um die Zukunft der Villa Marcellina am Liger. Das
wird den König bestimmt neugierig machen. Bardov wird dabei dem
König auch indirekt zu verstehen geben, er habe bei ihrem Treffen
auf den beiden Gütern dem Wunsch des Königs nicht entsprechen
können, wolle das aber bei dem Besuch von Julianus in Lutetia auf
jeden Fall nachholen. Auf jeden Fall. So wird der König kein
Misstrauen hegen, wird Julianus einladen und Bordov dazu holen, damit
der tut, was er soll.
Und während die beiden gerade schwer wiegende Entscheidungen treffen, deren Folgen das junge fränkische Königreich nachhaltig verändern werden, zieht Somythall unter dem Geleitschutz der Leute von Rochwyn weiter Richtung Westen. Yrrlanth. Mit Pippa und Sumila an ihrer Seite reiten sie in eine sehr ungewisse Zukunft. Ob Voegrun noch lebt? Was wird er sagen, wenn Somythall ihm erzählt, dass..? Nein, nein, nicht jetzt. Jetzt träumt sie sich lieber in eine Zukunft, in der ihre Tochter Sumila groß und stark geworden ist…
„Somythall“,
fragt sie Pippa jetzt, „sollen wir Halt machen? Die Lichtung da
vorne scheint mir sehr geeignet.“
Somythall
nickt und schweift schon wieder in Gedanken ab. Jullianus. Ja, in
manchen Augenblicken stellt sie sich vor, dass sie zur Villa
Marcellina umkehren, dass sie heiraten und gemeinsam Sumila am Liger
aufziehen. Der alte Lehrer Philippus könnte ihr Lesen und Schreiben
beibringen. Vielleicht könnte sie ja später am Hof des
Frankenkönigs eine Stelle finden, vielleicht.