26 Nov.

Leseprobe – YRRLANTH – Historischer Roman Blatt 160

Somythall will zusammen mit Pippa nach Yrrlanth zurück.

Marcellus ist längst wieder in der Villa Marcellina. Der König der Franken hat ihn reich beschenkt ziehen lassen. Wird nun die Zukunft der Römer rosiger aussehen? Als Marcellus seinem Sohn von den Lehen erzählt, die nun ihm anvertraut sind, weiß Julianus nicht, ob er sich darüber freuen soll oder ob dahinter ein schlimmer Plan des Frankenkönigs steckt und er sogar in großer Gefahr schwebt. Vater und Sohn kommen insgeheim überein, ihre Villa noch mehr zu befestigen und gleichzeitig Chlotar gegenüber Loyalität walten zu lassen.

„Mein Sohn, unser Leben als Römer in Reich der Franken ist alles andere als sicher. Aber auch das von Chlotar ist umstellt von Unheil und Verrätern. Wir müssen noch mehr auf der Hut sein als bisher.“

Julianus entgeht das Zittern in der Stimme des Vaters nicht. Doch er antwortet in festem Ton:

„Mein Vater, unsere Götter werden uns auch weiter beistehen, wenn wir ihnen opfern nach alter Sitte. Der Christengott, an den dieser junge König zu glauben vorgibt, ist ein weinerlicher Dämon. Und der Bischof Arnulf ist das beste Beispiel für die Schwäche dieses Dämons. Wie hätte er sonst so eine Untat zulassen können?“

Marcellus nickt fast unmerklich.

„Da stimme ich dir zu. Und deshalb werde ich meine senatorischen Freunde erneut zu uns in die Villa einladen, um mit ihnen zu beraten, wie wir uns besser wappnen können gegen neue Anschläge.“

Julianus ist erleichtert. Sein Vater – ungebrochen und zuversichtlich zugleich – ist und bleibt sein Vorbild.

„Und unsere Gäste aus Yrrlanth? Willst du sie noch länger beherbergen?“

Er weiß selbst nicht, warum er gerade jetzt diese Frage stellt. Sein Vater schaut ihn ungehalten an.

„Warum fragst du? Sie werden sicher ihre Pläne haben. Unsere Gastfreundschaft ist ihnen selbstverständlich weiter sicher.“

Während sich Vater und Sohn in der Bibliothek der Villa gerade unterhalten, sprechen auch Somythall und Pippa im Gästehaus miteinander:

„Sobald Sumila kein Fieber mehr hat, sollten wir aufbrechen – oder was meinst du, Pippa?“ fragt Somythall ihre neue Freundin. Dabei schauen sie besorgt auf das fiebernde Kind, das einfach keinen Schlaf findet.

„Wird der junge Römer mit uns kommen?“

Pippas Frage trifft Somythall mitten ins Herz. Sie weiß, dass Julianus nicht

von der Seite seines Vaters weichen wird. Sie hatten nach ihrer traumhaft schönen Nacht im Tempel der Diana lange darüber gesprochen. Sie waren beide den Tränen nahe gewesen; beide wussten, dass sie keine gemeinsame Zukunft haben könnten. Somythall fühlt sich von ihrer Göttin aufgefordert, in ihrer Heimat die fast schon vergessene Botschaft vom Glück zusammen mit ihrer Tochter vorzuleben und weiterzugeben, und Julianus weiß, dass er als Römer die Villa Marcellina mit all ihren Menschen verteidigen muss. Für beide zusammen bietet ihnen ihr Schicksal keine Zukunft an. Das tut sehr weh. Somythall schüttelt ihren Kopf:

„Nein, Pippa, der junge Römer sieht hier am Liger seine Aufgabe; er muss das, was seine Vorfahren ihm anvertrauen, gegen den drohenden Zerfall schützen.“

Pippa schaut Somythall lange an. Sie sieht, wie sich Tränen in ihren Augen bilden.

„Dafür komme ich mit dir; und ich schwöre dir, ich werde alles tun, dir…“

„Pst! Sag es nicht! Es soll ein geheimes Band sein und bleiben – zwischen uns beiden. Es gibt mir schon jetzt große Kraft!“

Dabei nimmt Somythall Pippa in ihre Arme. So stehen sie lange schwer atmend da. Die große Göttin hält schützend ihre Hände über sie. Und Sumila hat endlich Schlaf gefunden.

„Wenn das Wetter weiter so trocken bleibt, können wir sicher schon bald aufbrechen. Es ist noch eine weite und nicht ungefährliche Reise“, flüstert Somythall Pippa ins Ohr.

„Schau, Sumila schläft!“ Pippa hat endlich zu sich gefunden. Nie hätte sie gedacht, dass sie an der Seite dieser jungen Frau ihre Heimat verlassen würde. Jetzt erscheint ihr alles wie vorherbestimmt. Hatte nicht schon die Alte in Lutetia so etwas geweissagt, als sie mit Pippin heimlich zu ihr geschlichen war? Sie will es gerne glauben. Es fühlt sich richtig gut an. All ihre Ängste wie weggeblasen, all ihre Sorgen lösen sich gerade in nichts auf. Und als sie jetzt Somythall in die Augen schaut, schwört sie sich, nie mehr von ihrer Seite zu weichen.

Später geht Julianus noch einmal zum Tempel der Diana. Er will die Göttin anflehen, Somythall umzustimmen, zum Bleiben zu bewegen. Oder sollte er sich nicht besser gleich an Sol Invictus wenden oder vielleicht sogar an Mithras? Er muss alles versuchen – hatte er nicht neulich erst geträumt, sie würden am Altar des Mithras ihr Eheversprechen ablegen? Und hatte er dabei nicht sogar die kleine Sumila im Arm?

24 Nov.

Leseprobe: YRRLANTH – Historischer Roman – Blatt 159

Der wankelmütige König schmeichelt Marcellus.

Noch ganz unter dem Einfluss des harten Richterspruchs des Königs stehen die Männer in der niedrigen Aula benommen da. Wie das böse Zischen giftiger Schlangen klingt das aufgebrachte Geflüster durch den Raum. Auch Marcellus und Philippus fühlen sich unwohl. Gerade werden der Hofmeister und der Truchseß des Königs von vier Soldaten ebenfalls unsanft hinaus geschubst – in den Beginn ihrer Verbannung.

Da öffnet sich erneut die Doppeltür, durch die gerade erst der König verschwunden war. Drei seiner engsten Vertrauten treten vor, die Männer im Saal brechen irritiert ihr Geflüster ab.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragt Marcellus seinen treuen Begleiter. Doch bevor der zu einer Antwort anheben kann, räuspert sich Egilo, ein Neffe des Königs und näselt seine Sätze in die plötzliche Stille:

„Da unser Herr König seine Treuen belohnen will, lässt er hiermit sagen, dass die Güter von Bischof Arnulf als Lehen an den Sohn des Römers Marcellus fallen. Arnulf hatte sie Pippin überlassen. Der aber ist beim Überfalls auf die römische Villa gefallen. Der König wird unverzüglich die Urkunde dazu schreiben und unterzeichnen lassen.“

Marcellus weiß nicht, ob er sich über diese Gunsterweisung freuen soll oder ob er sich Sorgen um seinen Sohn Julianus machen muss. Da tritt aber auch schon der zweite Gefolgsmann des Königs neben Egilo, Audomar, der sogar lesen und schreiben können soll:

„Da unser Herr König“, beginnt er laut und herrisch zu sprechen, „erfahren hat, dass Bischof Arnulf den Tempel der Diana in der Villa Marcellina niederreißen lassen wollte, wird er dem Römer Weihrauch und Myrrhe schenken, um ihre Göttin wieder zu versöhnen.“

Hektische Blicke gehen hin und her. Will der König etwa die alten Götter – Mithras und Baubo etwa – wieder aus dem Sack lassen? Viele starren dabei nun Marcellus unfreundlich an: Will dieser Römer sich bei unserem König einschmeicheln? Hat er ihn bestochen? Da tritt aber auch schon der dritte Gefolgsmann, Bodebert, Chlotars zukünftiger Schwiegersohn, nach vorne, hebt eine Hand, um dem Gemurre ein Ende zu machen, und sagt dann:

„Unserem Herrn König ist außerdem berichtet worden, dass der Bischof die Villa zu seinem Landsitz machen wollte, um über die dortigen Steuereinnahmen seine Schulden zu tilgen.“

Da wird die Unruhe im Saal aber richtig laut: Was sollen diese nachträglichen Beschuldigungen, was bezweckt ihr König damit?

24 Okt.

Blatt 157 – Historischer Roman II – YRRLANTH – Leseprobe

Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück.

Schon liegt der rote Umhang Julianus auf dem kalten Marmorboden des Tempels. Diana schaut wohlgefällig auf die beiden Wesen. Noch bedrängen sie ängstlich bedrohliche Warnungen:

„Was tust du da, Julianus?“

„Was haben die Väter dir geboten?“

„Ist dir der Ruf der Senatorenfamilie nicht heilig?“

„Mit einer Barbarin dein Blut zu mischen?“

„Somythall! Tu es nicht! Er will nur seiner Lust nachgeben.“

„Wie eine Sklavin wirst du gehalten werden.“

„Dein Kind wird dir genommen werden.“

„Er wird dich bald schon fallen lassen, sicher.“

„Haben deine Eltern dir nicht befohlen…?“

Somythall lässt ihr Unterkleid zu Boden gleiten. Julianus Augen weiten sich. Heftig geht ihr Atem.

Weich liegt sie auf den groben Stoffen. Seine Zunge sucht sich ihren Weg zu ihr. Der Lockenkopf vermischt sich mit ihren Schamhaaren. Betörende Duftwolken verwirren ihm die Sinne. Wonnewellen überfluten sie von unten her. Wollüstige Seufzer wandern lachend zwischen stolzen Säulen auf und ab. Laut und leise, tief und hell. Schnell und schneller. Als ein wildes Zucken durch ihre Beine fährt, gleitet er in sie hinein. Langsam, tief und tiefer. Dann gibt es kein Halten mehr. Und all die Fragen, die eben noch herrisch durch sie hindurch kreischten, zerrinnen im Dunkel des Zauberhauses, in dem nun die große Göttin ihre fast schon vergessene Botschaft vom Glück in ihnen verströmen lässt. Sie löscht alle Sorgen, alle Ängste, alle Vorbehalte. Was bleibt, sind ihre pulsierenden Körper, die in schönem Rhythmus miteinander tanzen, beben, schwanken. Wie Tiere. Alles Schwere in ihren Köpfen ist wie weggeblasen. Vergessen sind die eingeübten Bedenken, verflogen die warnenden Ängste. Wörterberge, die wie Lawinen über sie sonst herfielen, zerbröseln zu kümmerlichen Körnchen sinnloser Laute. Die beiden Körper sprechen nun in einer ihnen fremd gewordenen Sprache miteinander. Umarmen sich in grenzenlosen Girlanden wohliger Wärmebotschaften. Sie wissen nichts mehr von Gefahr, von Drohen, von Todesangst. Zwei Wesen in einem Rausch tiefster Sinnlichkeit und Lebensfreude vereint. Schwerelos und los von jedem Gestern und Morgen.

Ein Augenblick, der ohne Ende scheint.