24 Nov.

Leseprobe: YRRLANTH – Historischer Roman – Blatt 159

Der wankelmütige König schmeichelt Marcellus.

Noch ganz unter dem Einfluss des harten Richterspruchs des Königs stehen die Männer in der niedrigen Aula benommen da. Wie das böse Zischen giftiger Schlangen klingt das aufgebrachte Geflüster durch den Raum. Auch Marcellus und Philippus fühlen sich unwohl. Gerade werden der Hofmeister und der Truchseß des Königs von vier Soldaten ebenfalls unsanft hinaus geschubst – in den Beginn ihrer Verbannung.

Da öffnet sich erneut die Doppeltür, durch die gerade erst der König verschwunden war. Drei seiner engsten Vertrauten treten vor, die Männer im Saal brechen irritiert ihr Geflüster ab.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragt Marcellus seinen treuen Begleiter. Doch bevor der zu einer Antwort anheben kann, räuspert sich Egilo, ein Neffe des Königs und näselt seine Sätze in die plötzliche Stille:

„Da unser Herr König seine Treuen belohnen will, lässt er hiermit sagen, dass die Güter von Bischof Arnulf als Lehen an den Sohn des Römers Marcellus fallen. Arnulf hatte sie Pippin überlassen. Der aber ist beim Überfalls auf die römische Villa gefallen. Der König wird unverzüglich die Urkunde dazu schreiben und unterzeichnen lassen.“

Marcellus weiß nicht, ob er sich über diese Gunsterweisung freuen soll oder ob er sich Sorgen um seinen Sohn Julianus machen muss. Da tritt aber auch schon der zweite Gefolgsmann des Königs neben Egilo, Audomar, der sogar lesen und schreiben können soll:

„Da unser Herr König“, beginnt er laut und herrisch zu sprechen, „erfahren hat, dass Bischof Arnulf den Tempel der Diana in der Villa Marcellina niederreißen lassen wollte, wird er dem Römer Weihrauch und Myrrhe schenken, um ihre Göttin wieder zu versöhnen.“

Hektische Blicke gehen hin und her. Will der König etwa die alten Götter – Mithras und Baubo etwa – wieder aus dem Sack lassen? Viele starren dabei nun Marcellus unfreundlich an: Will dieser Römer sich bei unserem König einschmeicheln? Hat er ihn bestochen? Da tritt aber auch schon der dritte Gefolgsmann, Bodebert, Chlotars zukünftiger Schwiegersohn, nach vorne, hebt eine Hand, um dem Gemurre ein Ende zu machen, und sagt dann:

„Unserem Herrn König ist außerdem berichtet worden, dass der Bischof die Villa zu seinem Landsitz machen wollte, um über die dortigen Steuereinnahmen seine Schulden zu tilgen.“

Da wird die Unruhe im Saal aber richtig laut: Was sollen diese nachträglichen Beschuldigungen, was bezweckt ihr König damit?

24 Okt.

Blatt 157 – Historischer Roman II – YRRLANTH – Leseprobe

Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück.

Schon liegt der rote Umhang Julianus auf dem kalten Marmorboden des Tempels. Diana schaut wohlgefällig auf die beiden Wesen. Noch bedrängen sie ängstlich bedrohliche Warnungen:

„Was tust du da, Julianus?“

„Was haben die Väter dir geboten?“

„Ist dir der Ruf der Senatorenfamilie nicht heilig?“

„Mit einer Barbarin dein Blut zu mischen?“

„Somythall! Tu es nicht! Er will nur seiner Lust nachgeben.“

„Wie eine Sklavin wirst du gehalten werden.“

„Dein Kind wird dir genommen werden.“

„Er wird dich bald schon fallen lassen, sicher.“

„Haben deine Eltern dir nicht befohlen…?“

Somythall lässt ihr Unterkleid zu Boden gleiten. Julianus Augen weiten sich. Heftig geht ihr Atem.

Weich liegt sie auf den groben Stoffen. Seine Zunge sucht sich ihren Weg zu ihr. Der Lockenkopf vermischt sich mit ihren Schamhaaren. Betörende Duftwolken verwirren ihm die Sinne. Wonnewellen überfluten sie von unten her. Wollüstige Seufzer wandern lachend zwischen stolzen Säulen auf und ab. Laut und leise, tief und hell. Schnell und schneller. Als ein wildes Zucken durch ihre Beine fährt, gleitet er in sie hinein. Langsam, tief und tiefer. Dann gibt es kein Halten mehr. Und all die Fragen, die eben noch herrisch durch sie hindurch kreischten, zerrinnen im Dunkel des Zauberhauses, in dem nun die große Göttin ihre fast schon vergessene Botschaft vom Glück in ihnen verströmen lässt. Sie löscht alle Sorgen, alle Ängste, alle Vorbehalte. Was bleibt, sind ihre pulsierenden Körper, die in schönem Rhythmus miteinander tanzen, beben, schwanken. Wie Tiere. Alles Schwere in ihren Köpfen ist wie weggeblasen. Vergessen sind die eingeübten Bedenken, verflogen die warnenden Ängste. Wörterberge, die wie Lawinen über sie sonst herfielen, zerbröseln zu kümmerlichen Körnchen sinnloser Laute. Die beiden Körper sprechen nun in einer ihnen fremd gewordenen Sprache miteinander. Umarmen sich in grenzenlosen Girlanden wohliger Wärmebotschaften. Sie wissen nichts mehr von Gefahr, von Drohen, von Todesangst. Zwei Wesen in einem Rausch tiefster Sinnlichkeit und Lebensfreude vereint. Schwerelos und los von jedem Gestern und Morgen.

Ein Augenblick, der ohne Ende scheint.