03 Nov

Europa – Meditation # 164

Heimatlos – Odyssee ohne Ende

Die Flüchtlinge auf Lesbos – was hat sie bis dahin angetrieben? Ein Traum von einem besseren Leben anderswo? Die Flucht vor den Albträumen zuhause? Die Sehnsucht am Ende einer Reise da anzukommen, wo es sein soll, das andere Leben? Die Flüchtlinge im Libanon. Der sogenannte Westen hat all seine scheinbaren Trümpfe verspielt. Mit leeren Händen steht er da.

Was lässt sich in den Gesichtern der Flüchtlinge lesen, jetzt?

Was erzählen die Gesichter jenseits von Flüchtlingslagern in den Untergrundbahnen von Singapur, von Tokio, von Chicago, von Budapest?

Sind diese Blicke nicht genauso leer wie die von denen in den Flüchtlingslagern?

Und was könnten die leeren Augen am Ende eines sehr, sehr langen Wochenendes in einem der Wohlstandsinseln dieser Welt wohl erzählen?

Von Sehnsucht wissen sie zu flüstern. Oder von im chat anonym geouteten Träume. Vielleicht, vielleicht aber auch von Zorn, Wut hinter der gefühlten Ohnmacht, Einsamkeit. Die Erwartungen haben sich wieder mal nicht erfüllt. Oft und mehr aber raunen sie auch von Härte, Erkalten, trotzigem Sich Verweigern jeder Nähe.

Oder waghalsiges Rasen über leere Pisten in Innenstädten vor Morgengrauen oder mutwilliges Es Drauf Ankommen Lassen – egal, sowieso, eh…

Die Versprechen haben sich als haltlos, als leer erwiesen. Im Wohlstand angekommen, ist die Einsamkeit dennoch weiter die Klette, die man nicht los wird. Am besten Sonnenbrillen mit Spiegelglas. Wer will sich schon gerne in die müden Augen schauen lassen?

Sind der Flüchtling und der Hipster nicht engste Verwandte im Geiste – weil sprachlos mit sich allein und pausenlos im Kampf mit den Konkurrenten, von denen man sich nur durch Sachen zu unterscheiden vermag? Auf einem wackligen Floß alleine unterwegs nach nirgendwo.

Und möchten sie nicht alle heimkehren von ihren Irrfahrten an einen vertrauten Herd, zu einer vertrauten Frau, in eine verlässliche Familie?

Aber wo ist diese Heimat denn?

Die einen sagen, sie sei nur in dir selbst.

Die anderen verdrehen die Augen: So ein Quatsch!

Die einen sagen, sie sei da, wo du herkommst.

Die anderen rümpfen die Nasen: Nein, danke, wirklich nicht.

Europa – einst das gelobte Land der Entdecker und Erfinder – jetzt eher bräsig und feist vom großen Bruder auf der anderen Seite des Meeres betrogen und belogen, verschanzt hinter Immobilien und leeren Versprechungen für die zu kurz Gekommenen.

Europa – einst der Gewinner im Wettlauf um Kolonien und Resourcen – jetzt erstaunt wie aus langem Schlaf erwacht auf das Land der Mitte starrend – ein Auslaufmodell in jeder Hinsicht.

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