04 Jul

Fabeln – erzählt von der kleinen Fee – Leseprobe # 48

Im Tal des Zauberers Carlorosso Fabel # 48

Der zweite Sternendeuter-Versuch.

Carlorosso, der kleine Zauberer, staunt.

Wie war das möglich, dass Wollemoll tatsächlich eine Giraffe da oben entdeckt hat?

Die kleine Fee streichelt immer noch begeistert über den kleinen Panzer der Schildkröte.

Die Sterne am Himmel laufen gerade auf einer weiß asphaltierten Straße zusammen. Blinken farbenfroh um die Wette. Ein Straßenfest, denkt Fällepell.

„Ich sehe was, was ihr nicht seht!“ ruft er sofort ganz aufgeregt.

„Wo denn, was denn? Sag schon!“ flüstert der kleine Zauberer wie verzaubert.

„Ja, Fällepell, sag uns, was es ist und wo es sein soll!“

Die kleine Fee ist so froh, dass ihr Spiel so gut klappt.

„Äh, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber…“

„Das gilt nicht, Fällepell. Erst sagst du, du siehst etwas und dann, dann…“

Carlorosso sucht schon mal einfach so den Himmel ab, aber er kann nichts erkennen. Nur Sterne, viele, viele Sterne, ein Glitzerstrom, mal weiß, mal blau, mal rosarot. Oh, denkt die kleine Fee, jetzt muss ich aber Fällepell schnell helfen, sonst bekommt er bestimmt Ärger mit seinen Freunden.

„Dann lass ihn doch, vielleicht fällt ihm ja noch ein, was und wo es ist – stimmt‘s, Fällepell?“

Der kleine Frosch ist so erleichtert. So quakt er erst einmal ordentlich in die stille Nacht: „Quak, quak, quak.“ Dann holt er tief Luft und stottert los:

„Danke, kleine Fee, danke.“

Und kaum hat er es gesagt, da weiß er auch, was er da oben erkannt hat.

„Ja, jetzt seh ich es genau! Ich sehe eine große weiße Kurve, da findet gerade ein Nacht-Auto-Rennen statt. Die Autos sind alle über und über mit Lichtern bedeckt, es sind ganz, ganz viele. Und die Zuschauer stehen alle im Dunkeln.“

„Hä?“ Wollemoll, der gerne noch einmal gewinnen möchte, findet, dass der kleine Frosch völlig spinnt. Wo, wo sollen denn da oben Zuschauer sein? Und Autos? „Ich sehe keine Autos!“

Die kleine Fee stubbst den kleinen Zauberer leicht und zeigt nach oben:

„Du musst kniepen, dann kannst du es ganz deutlich sehen!“

Carlorosso kniept und kniept und dann ist alles klar:

„Ja, ich sehe sie auch – eine richtig milchige Straße mit lauter Lichterautos, eine Unmenge in einer weiten Kurve, da oben!“

Seine Freunde starren in die Richtung, in die er zeigt. Tatsächlich, jetzt sehen sie es auch. Phantastisch!

„Booh, das ist aber eine riesen Autobahn und so hell und so krumm, booh!“

Und da fällt dem kleinen Zauberer auch ein, wie sie heißt, diese Kurve am Himmel: „Es ist die Milchstraße, die Milchstraße, juchhuu, die Milchstraße!“

19 Jun

Leseprobe – Fabeln – erzählt von der kleinen Fee # 46

Der achtundzwanzig hufige Pferdefüsler betritt die Bühne.

Emilia sitzt immer noch auf ihrem weißen Klavierstuhl. In der Hand hält sie immer noch das große und schwere alte Buch. Sie hat gerade die Geschichte vom verzauberten Zauberer vorgelesen. Jetzt schaut sie voller Erwartung ihre Freunde an. Die wissen auch nicht, was mit dem Geheimnis und dem Ende Oktober gemeint sein könnte. Der Buntspecht pickt nervös in seinem Gefieder. Das Rotkehlchen ist ganz blass um den kleinen, spitzen Schnabel. Und die drei Eichhörnchen zittern mit ihren Schwänzen um die Wette.

Da öffnet sich quietschend und sehr, sehr langsam die hohe Saaltür zwischen zwei riesigen Spiegeln. Der Raum, in den nun unsere Freunde zusammen mit Emilia erschrocken blicken, liegt im Dunkeln. Aber mitten in diesem Dunkel blinken zwei große, große glänzende Augen. Langsam, ganz langsam kommen sie näher, werden größer, glänzen heller, bunter. Die Lichter der Kerzen im Saal spiegeln sich darin tausendfach. Ob das vielleicht der Drache aus dem Buch ist, fragt sich fast atemlos Emilia. Ihre Freunde hüpfen und laufen blitzschnell zu ihr hin. Sie haben Angst. Große Angst. Wenn der Drache sie nun alle frisst? Oder wenn er Feuer speit? Jetzt bemerken sie auch ein vielstimmiges Klacken, als die Augen näher kommen. Und dann machen sie selbst große Augen: Denn diese Glitzeraugen stecken in einem großen Kopf und der große Kopf sitzt auf einem noch größeren Körper, der von vielen, vielen Beinen getragen wird.

„Ach so“, platzt es jetzt aus Emilia heraus, „ach so, das ist doch der achtundzwanzig hufige Pferdefüsler, dem dieses Schloss gehört!“

Unsere Freunde können es gar nicht fassen. Achtundzwanzig Hufe, also achtundzwanzig Beine! Da trabt der Pferdefüsler aber auch schon ganz in den Saal, dreht eine Runde vor ihnen, so dass sie ihn in seiner vollen Länge mit all seinen Beinen bestaunen können. Dann lässt er sich gemächlich nieder. Erst ganz hinten, dann Bein nach Bein weiter nach vorne. Jetzt dreht er seinen Kopf langsam in ihre Richtung, nickt gnädig und fängt dann auch noch mit tiefer Stimme zu sprechen an:

„Schön, schön. ÄH, ich meine, schön, dass ihr hier auf mich gewartet habt. Ich habe mich etwas verspätet, weil, ja, warum eigentlich?“ Der Pferdefüsler wackelt bedenklich mit seinem großen Pferdekopf, aber die Antwort auf seine Frage will ihm einfach nicht einfallen. Eine peinliche Stille entsteht. Fast kommen ihm die Tränen. Schnell schiebt er seine großen Augenlider über seine bunten Glitzeraugen und seufzt ziemlich vernehmlich. Das Rotkehlchen piept Emilia ganz, ganz leise und ganz aufgeregt etwas ins Ohr:

„Mensch, so hilf ihm doch! Siehst du denn nicht, wie verlegen der ist?“

„Ja, schon, klar, seh ich natürlich, ich bin doch nicht blind. Aber woher soll ich denn wissen, warum der sich verspätet hat?“

„Und woher weißt du denn, wer er ist und dass er der Schlossherr ist?“

„Gute Frage, gute Frage, liebes Rotkehlchen, gute Frage!“

15 Mrz

Fabeln – erzählt von der kleinen Fee (Leseprobe) – # 39

Das unverhoffte Urwaldkonzert

Ist das ein Lärm, ein Tosen, Rauschen, Klatschen draußen vor ihrer Baumhöhle! Unsere Freunde hocken dicht gedrängt bei einander und starren aus dem großen Loch in die böse Wasserwand, die jetzt noch wächst, als wäre sie zornig, dass da ein paar Lebewesen ihr entkommen sind. Unsere Freunde zittern und bibbern, lautlos tropfen die letzten Wasserperlen von ihrem Fell, ihren Federn, ihrer Lederhaut. Keiner sagt ein Wort, aber alle denken im Stillen das Gleiche: Hoffentlich hört das bald auf, hoffentlich stürzt dieser riesige Urwaldbaum nicht um, hoffentlich…

Aber da passiert etwas völlig Unvorhersehbares: Mit einem Schlag sackt die Wasserwand geräuschvoll nach unten weg und drüber nichts als Dampf und dahinter grelles Sonnenlicht. Träumen sie, ist das ein Wunder oder bilden sie sich das vor lauter Angst alles nur ein?

Nein. Es ist wahr. Das bedrohliche Rauschen und Tosen ist vorbei, das Unwetter ist wohl weg gezogen.

Aber unsere Freunde hocken immer noch regungslos in ihrem rettenden Unterschlupf, atmen leise, reiben sich die Augen. Ihnen fehlen die Worte. Doch dann der nächste Schrecken: Draußen, im Geäst ist neuer Lärm zu hören, aber der hat nichts mit Wasser zu tun, der klingt völlig anders. Jimmyjammy ist der erste, der kapiert, was da los ist.

Leute“, flüstert er verschwörerisch, „da draußen ist ein Horde Affen. Die sind außer Rand und Band, weil die Sintflut vorbei ist. Los, das müssen wir ansehen, kommt!“

Unsere Freunde – Pellgóbo, Babósa und Thói – starren verständnislos Jimmyjammy an. Hat der den Verstand verloren oder was?

Da hüpft der doch tatsächlich aus der schützenden Baumhöhle auf den dicken Ast und winkt ihnen lachend und tanzend zu. Und jetzt können unsere bangen Freunde es auch hören, wenn auch noch nicht sehen: Ein anschwellendes Klopfen und Trommeln, ein quietschiges Zischen und zischendes Quietschen, ein Brummen und Knurren und das alles im Takt:

Tok – tok – trommel-brommel / drum – drum – tschitschi / ritschi – tschatscha – bum – bum…

und das immer lauter und lauter.

Jetzt trauen sich Pellgóbo, Babósa und Thói auch aus dem Bau, jetzt sehen sie die Horde von Affen. Über ihnen auf den weit ausladenden Ästen, von denen immer noch dicke Tropfen herabfallen, sitzen sie in Reihen aufgestellt. In ihren Pfoten halten sie kleine und große Stöcke, manche haben leere Kokosnussschalen in den Händen – die einen schlagen damit auf die Äste, dass es nur so dröhnt, die anderen halten sich die Schalen vor das Maul und schreien schrill hinein, dass es nur so hallt und immer wieder dieses

Tik – täk – tük / dram – drum – drom / schrudi – wudi – weidipau / quatschie – ratschie – teideldau –

und ohne es zu merken, beginnen unsere Freunde im Takt mit zu klatschen und zu quatschen. Ein Konzert, das so noch nie zu hören war, ein Fest der Töne und schiefen Klänge, wunderbar!