15 Mrz

Europa – Meditation # 186

Die Zeit der Zocker und Zauderer hat geschlagen.

Wo sind sie denn, die großen Themen dieser Tage in allen Medien?

Flüchtlinge!

Permafrost!

Müllfluten!

Vorderasien und Gewalt ohne Ende!

Trampismo/Bolsonarismo!

100 km/h ?

Windräder!

Afghanistan!

Steigender Meeresspiegel!

Sexuelle Gewalt?

Oh, sexuelle Gewalt. Stimmt. Dieses Thema kommt gerade – erst lautlos, dann immer lauter – auf die Agenda global ganz weit nach vorne. Beim Energie-Ausfall „neulich“ in New York stellte man nach neun Monaten fest, dass die Geburtenrate sprunghaft anstieg. Wie schön!

Aber jetzt springt uns ein ganz anderer Dämon an: Die Angst im Gewand der Gewalt.

Wegen der Scham „natürlich“ zuerst einmal hinter verschlossenen Türen, aber es wird nicht lange gehen, bis Filmchen dazu im Netz floaten, keine Sorge, und sicher wird auch gleich der passende Kommentar dazu kursieren:

Seht ihr, was hab ich euch gesagt: Die Demokratie kannst du vergessen, sie hat uns doch diese Verhältnisse eingebrockt. Ist doch klar oder!? Und was ist das denn für ein Krisenmanagement? Die föderalen Bremsklötze gehören doch so was von in den Keller oder?

Die Grenzen zwischen den Staaten auf dem europäischen Kontinent werden reaktiviert, aber nicht, weil man sich besser von einander abgrenzen will, sondern weil die Probleme so wahnsinnig dieselben sind: Wir müssen die Ansteckungsketten kappen, wir müssen die Ausbreitung verlangsamen, wir müssen, wir müssen.

Und siehe da: Die Zwänge sind leicht zu ertragen, sie werden als Hilfsmittel der Heilung der Gesellschaft akzeptiert, man will die eigene Brut im eigenen Bau schützen, so gut es geht.

Die Zocker wetten jetzt auf fallende Kurse,

die Zauderer zünden Kerzen an und stimmen Bittgesänge an wen auch immer an. Und die Ärzte glauben daran, Coronas Vormarsch abbremsen zu können. Der Glaube kann Berge versetzen. Wir werden es erleben.

15 Mrz

Fabeln – erzählt von der kleinen Fee (Leseprobe) – # 39

Das unverhoffte Urwaldkonzert

Ist das ein Lärm, ein Tosen, Rauschen, Klatschen draußen vor ihrer Baumhöhle! Unsere Freunde hocken dicht gedrängt bei einander und starren aus dem großen Loch in die böse Wasserwand, die jetzt noch wächst, als wäre sie zornig, dass da ein paar Lebewesen ihr entkommen sind. Unsere Freunde zittern und bibbern, lautlos tropfen die letzten Wasserperlen von ihrem Fell, ihren Federn, ihrer Lederhaut. Keiner sagt ein Wort, aber alle denken im Stillen das Gleiche: Hoffentlich hört das bald auf, hoffentlich stürzt dieser riesige Urwaldbaum nicht um, hoffentlich…

Aber da passiert etwas völlig Unvorhersehbares: Mit einem Schlag sackt die Wasserwand geräuschvoll nach unten weg und drüber nichts als Dampf und dahinter grelles Sonnenlicht. Träumen sie, ist das ein Wunder oder bilden sie sich das vor lauter Angst alles nur ein?

Nein. Es ist wahr. Das bedrohliche Rauschen und Tosen ist vorbei, das Unwetter ist wohl weg gezogen.

Aber unsere Freunde hocken immer noch regungslos in ihrem rettenden Unterschlupf, atmen leise, reiben sich die Augen. Ihnen fehlen die Worte. Doch dann der nächste Schrecken: Draußen, im Geäst ist neuer Lärm zu hören, aber der hat nichts mit Wasser zu tun, der klingt völlig anders. Jimmyjammy ist der erste, der kapiert, was da los ist.

Leute“, flüstert er verschwörerisch, „da draußen ist ein Horde Affen. Die sind außer Rand und Band, weil die Sintflut vorbei ist. Los, das müssen wir ansehen, kommt!“

Unsere Freunde – Pellgóbo, Babósa und Thói – starren verständnislos Jimmyjammy an. Hat der den Verstand verloren oder was?

Da hüpft der doch tatsächlich aus der schützenden Baumhöhle auf den dicken Ast und winkt ihnen lachend und tanzend zu. Und jetzt können unsere bangen Freunde es auch hören, wenn auch noch nicht sehen: Ein anschwellendes Klopfen und Trommeln, ein quietschiges Zischen und zischendes Quietschen, ein Brummen und Knurren und das alles im Takt:

Tok – tok – trommel-brommel / drum – drum – tschitschi / ritschi – tschatscha – bum – bum…

und das immer lauter und lauter.

Jetzt trauen sich Pellgóbo, Babósa und Thói auch aus dem Bau, jetzt sehen sie die Horde von Affen. Über ihnen auf den weit ausladenden Ästen, von denen immer noch dicke Tropfen herabfallen, sitzen sie in Reihen aufgestellt. In ihren Pfoten halten sie kleine und große Stöcke, manche haben leere Kokosnussschalen in den Händen – die einen schlagen damit auf die Äste, dass es nur so dröhnt, die anderen halten sich die Schalen vor das Maul und schreien schrill hinein, dass es nur so hallt und immer wieder dieses

Tik – täk – tük / dram – drum – drom / schrudi – wudi – weidipau / quatschie – ratschie – teideldau –

und ohne es zu merken, beginnen unsere Freunde im Takt mit zu klatschen und zu quatschen. Ein Konzert, das so noch nie zu hören war, ein Fest der Töne und schiefen Klänge, wunderbar!

13 Mrz

Europa – Meditation # 185

Wie weit von uns Europäern weg gedriftet!

Unsere Auswanderer der drei letzten Jahrhunderte nach Übersee! Unsere Retter in größter Not, damals 1944…Jetzt verstehen wir Europäer sie nicht mehr, wie nach einer langen Ehe, die auf falschen Voraussetzungen fußte.

Europa war nie nur auf Eigentum, Geld und Ansehen gebaut; Wissen, Achtung, Glaube und Fürsorge waren ebenso – wenn nicht sogar wichtigere – Eckdaten von gelingendem Zusammenleben und Respekt vor dem anderen. Doch dann sollte nach dem Zweiten Weltkrieg auf einmal alles anders, besser werden: Unsere Retter aus Übersee hatten die Entwürfe und das Darlehen dafür in der Tasche. Marshall-Plan. West-Integration, Nato. Konsum. Mehr, schneller, neuer. Und dazu ein Begriff von Individualität, der sich fast ausschließlich über Statussymbole, Konkurrenz, wirtschaftlichen Erfolg und risikofreudige Geldanlage-Spiele definieren musste.

Darüber wurde die Zeit zwischen 45 und 49 schnell vergessen, obwohl sie nur gemeistert wurde, weil Not, Hunger, Krankheit und Angst zu Nachbarschaftshilfe zwang, zu solidarischem Teilen und notgedrungenem Zusammenrücken. Und siehe da, die Not ließ sich ertragen, ließ sich gemeinsam beenden – eben weil man wusste, dass man auf den anderen angewiesen war. Es war wie ein Wunder, vor dem „Wirtschaftswunder“.

Jetzt – 75 Jahre später – ist von solchem produktiven Geist nichts mehr zu spüren. Vergessen. Eher wird man heutzutage darüber arrogant lächeln: Wie klein, wie wenig, wie unfertig und wie schlicht hatten da die Großeltern den Alltag hinter sich gebracht.

Dabei steht nun zum ersten Mal für die nachwachsenden Generationen ein sogenannter Paradigmen-Wechsel an: Die Selbstverwirklichungs-Rituale sind an ihre Grenzen gelangt: Ausgehen, Cruisen, Großveranstaltungen, extravagante Reisen, Klamotten spazieren führen – erst mal auf Eis gelegt.

Was nun ansteht, ist eine völlig neue – medial und in Werbespots nicht eingeübte – Lebenshaltung. In ihr spielt Geld eine untergeordnete Rolle, weil die Basis für all diese Selbstdarstellungsorgien – das Leben selbst – infrage gestellt ist.

Der Terminkalender und die damit verbundene Feier der völligen Verplanung des Tages, der Woche, des Monats, des Jahres sind obsolet, weil Zeit – wie aus heiterstem Himmel gestürzt – plötzlich wieder als das erlebt werden muss, was sie ist: bloß gestundet. Das war sie natürlich schon immer, aber die Zeitgenossen mussten darüber nicht viel nachdenken, weil die Ablenkungsmaschinerien auf Hochtouren liefen, als hätte der Europäer tatsächlich den Sinn des Lebens – alternativlos – entdeckt.

Nun aber erkennt er nicht nur in sich selbst, sondern auch im Passanten den Bruder, die Schwester der gleichen sterblichen Großfamilie, aus der wir alle abstammen. Und da dämmert es ihm nach und nach, dass wir nicht nur auf den anderen angewiesen sind, sondern dass wir dem anderen auch helfen müssen – nicht gegen Geld, sondern weil wir alle gleichermaßen hautnah erleben:            m e m e n t o   m o r i