02 Okt

Europa – Meditation # 225

Europa gegen den Strom geschwommen. (Teil 4)

Hört mal, ihr Europäer! Ich als eure Namensgeberin würde euch gerne bitten, doch einmal kurz einen Blick in den Spiegel zu werden. Wen werdet ihr da wohl zu sehen bekommen?

Na, wen schon? Uns eben, wen sonst.

Schon, schon. Aber.

Habt ihr euch nicht gerade entrüstet von dem TV-Schlag-Abtausch abgewendet, der uns von unseren ehemals besten Freunden aus Übersee zur Verfügung gestellt wurde?

Also wirklich, was hat nun die Trump-Biden-Kiste mit uns zu tun? Ich dachte, wir reden über Europa?

Schon, schon. Aber.

Ich kann gut verstehen, dass ihr euch empört über den Steuerflüchtling im Weißen Haus, über das Chamäleon, das zu Corona genauso wie zur Nato oder zu Nord-Korea stets das für richtig hält, was opportun scheint und nicht das, was der Sachlage entspricht.

Und was soll das, bitte schön, mit uns zu tun haben?

Komm, komm, die Unschulds-Lamm-Nummer ist wirklich zu billig, jetzt. Beklagt ihr euch nicht schon seit Jahren über Steuerflüchtlinge, über Steuerbetrug – Cum-ex oder Wirecard, OneCoin oder die Diesel-Nummer – über den Mangel an Verbindlichkeit im öffentlichen Raum, bei jung und alt?

Schon, schon. Aber.

Wo ist da der Zusammenhang?

Ganz einfach: Ihr Europäer wart gute Schüler des American Way of Life: Mehr konsumieren, mehr produzieren, schneller, besser und den Konkurrenten mit allen Mitteln – von erlaubt bis verschlagen – aus dem Rennen zu holen, um selbst den DEAL zu machen, den Auftrag zu bekommen (siehe AUDI & Co) oder schon mal was von BLACKROCK gehört?

Und was hat das jetzt mit Trump zu tun?

Der ist nur das Zerrbild dieses Musters, das ihr Europäer nach dem Krieg lerntet für die nachwachsenden Generationen einzuüben. Von Verbindlichkeit keine Spur mehr: überall fährt der Dominante dem Gegenüber über den Mund, lässt ihn nicht ausreden, kränkt, demütigt, der Erfolg gibt ihm ja das „Recht“ dazu.

Mit anderen Worten, werte Europa, du wirfst uns Europäern also vor, ein peinliches Abbild dessen zu sein, was wir im Trump-Bild genussvoll nieder trampeln?

In der Tat, in der Tat.

Puh. Das ist aber heftig.

Aber wahr. Vielleicht solltet ihr Europäer erst einmal vor der eigenen Tür den eigenen Mist weg kehren, bevor ihr schon wieder krakeelt:

„Haltet den Dieb, haltet den Dieb!“

01 Okt

Europa – Meditation # 224

Europa gegen den Strom geschwommen. (Teil 3)

Nun, liebe Europa, was hat es mit deinen sanften Hügeln und Tälern nun auf sich?

Es freut mich, dass ich eure Neugierde wecken kann. Ich habe aber noch einen vierten Brocken vergessen.

Willst du nun dem Thema ausweichen oder was soll das mit einem „vierten Brocken“ bedeuten?

Nun, ihr Europäer, ihr hattet zwar vor ein paar Jahrhunderten genug mit den drei Götter-Angeboten, aber anstatt abzulassen vom Erfinden eines neuen Glaubens, machtet ihr den Nicht-Glauben zum neuen Götzen und euch selbst zu Hütern als neue Priesterkaste: die Vergottung des Ichs wurde das neue Credo, dem sich alles und jeder unterordnen soll. Dem errichtetet ihr einen Turm aus Wörtersteinen, atemberaubend hoch bis in die Wolken und als Totem, dem jedes Kind seitdem Gefolgschaft leisten muss – in langen Jahren des Lernens und Nachsprechens. Und um dieses neue Gebilde weiter blind verehren zu können, wurde euch auch noch eine Bildergeschichte von einstürzenden Türmen angeboten, die ihr voller Inbrunst annahmt. Gewalt – wie im Alten Testament – musste dem eigenen Glauben nachhelfen, sich weiter durchsetzen zu können.

Europa, komm, du übertreibst jetzt aber gewaltig.

Tue ich das? Wirklich? Habt ihr nicht das beste Beispiel solcher Ich-Sucht gerade vor Augen? Einer, der an nichts glaubt, als an das, was er jeden Morgen verkündet, das wirklich wahr zu sein hat: Ich und meine Botschaft, ich und mein Erfolg, ich und meine Jünger. Jetzt wird Amerika endlich wieder ganz groß heraus kommen aus der Krise.

Und was ist mit den Evangelikalen, seinen blindwütigen Verehrern?

Tja, meine lieben Europäer, ihr seht, die Geister, die ihr einst rieft, bekommt ihr nun nicht mehr los. Ihr Gott ist der, der gesagt haben soll: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Wer nicht für mich ist, wird ewigem Verderben anheim fallen. So oder so ähnlich, auf jeden Fall aber sollen diese Sprüche ordentlich Angst machen.

Das ist ja tiefstes Mittelalter.

Ihr sagt es. So ist es. Und für die, die daran glauben, ist es wahr.

Gruselig. Europa, wolltest du nicht von sanften Tälern und Hügeln erzählen?

Ihr nennt mich die Weitsichtige. Ich könnte mich geschmeichelt fühlen, aber das, was ich sehe, ist ein weiter Weg zu solchen Tälern und Hügeln. Denn die Rückkehr zu besseren Zeiten bedeutet Abkehr von allem, was zur Zeit und seit Jahrhunderten für richtig gehalten wurde: Denn ihr seid nicht Schöpfer dieser Natur, sondern nur ein kleiner Teil derselben, weiter nichts. Mit euren Sinnen könnt ihr sie erleben – dazu braucht es aber Zeit und Geduld und Gemeinschaft.

Haben wir das denn nicht alles längst?