29 Jan

Europa – Meditation # 250

Wie schön, dass keiner weiß, dass ich ……heiß!

Märchen werden überall in Europa gerne und blumig erzählt, den Kleinen vorgelesen und reich illustriert. Meist sind sie zum Gruseln, sie sollen wohl die Kleinen in der Spur halten. Ob in Portugal oder Polen, in Island oder Italien, jede Generation gibt ihre Märchen an die nächste weiter.

Dass aber auch im Wirtschaftsleben gerne Märchen erzählt werden, klingt eher wie ein Märchen, ist aber wohl wahr. Wahr ist allerdings auch – das muss hier wiederholt werden – ,dass solch eine Einschätzung für ganz Europa gilt. Jansa, Berlusconi, Orban, Sarkozy & Co…(von Übersee wollen wir vornehm schweigen, das schlechte Theaterstück auf den Treppen des Kapitols in Washington liegt uns sicher allen noch sehr unerfreulich im Magen – wie ein schlechtes Märchen.)

Vielleicht liegt die Lösung des Problems ganz einfach darin, die Gattung Märchen in die Gattung „besondere Berichterstattung“ umzubenennen. Wenn beispielsweise Schatzmeister (was für ein märchenhafter Titel!) großer Parteien Gesetzeslücken gerne ausnutzen um märchenhafte Parteispenden am Fiskus vorbei zu schleusen, dann ist das genauso zu beurteilen wie die Weigerung von Trump, keine Steuererklärung offenzulegen. Fake-News hier wie da, nur dem einen drohen wir mit böser moralischer Schelte: „Du Lügner, du Bluffer, du…!“ und im eigenen europäischen Hochhaus mit 27 Etagen – die anderen europäischen Länder müssen sehen, wie sie klar kommen, klar – spricht man sonor und honor von „intellektueller Brillanz“ oder von Kommissionen, die unangenehme Fragen stellen dürfen. Das dauert natürlich, auch das ist sehr nützlich, weil das Interesse längst zu anderen märchenhaften Themen gewechselt hat.

So zum Thema AFRIKA – Die EU und das Post-Cotonou-Abkommen, das jetzt die Beziehungen zu ehemaligen Kolonien in der Karibik, dem Pazifik und in Afrika regeln soll. Wir Europäer – zumindest die 27 vom Hochhaus – möchten ja immer besonders human in Sachen Flüchtlingspolitik dastehen, benutzen aber gerade dieses Abkommen – und das ist ganz und gar kein Märchen – um die Menschen gar nicht erst nach Europa gelangen zu lassen, wir machen diese Länder sogar noch zu Kollaborateuren beim Aufbau von Grenzschutzanlagen, bei Überwachungstechnologie oder Abschiebungen. Auch ist es kein Märchen, dass die Verhandlungen für diesen weitreichenden Vertrag unter Ausschluss der Parlamente und der Medien stattfanden.

Hatten die Medien in Europa nicht gerade noch die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, in welch eitler Gutsherrenmanier im Weißen Haus Erlasse reihenweise unterschrieben wurden, die bewusst auf das Gleichgewicht der Kräfte in einer parlamentarischen Demokratie pfeifen?

Überall geben sich Blender, Schweiger und Medienmacher jovial die Hand, um „wichtig“ zu sein – und übertreffen sich gegenseitig beim Märchen Erzählen. Also Vorsicht beim Erzählen! Märchen sind das eine, Glaubwürdigkeit das andere.

25 Jan

Europa – Meditation # 249

Der Januskopf der westlichen Welt.

Längst sind wir Europäer es gewohnt, empört über Korruption, Steuerhinterziehung und Betrug im großen Stil unsere Hände in Unschuld zu waschen, angeekelt den Familientrampel totzuschweigen, jetzt, wo er und seine Verwandtschaft in Miami auf ihren Landgütern schmollen müssen und noch gar nicht wissen, wie sie Rache nehmen sollen.

Aus den Augen, aus dem Sinn – als wären die letzten vier Jahre nicht ein wichtiges Lern- und Anschauungsmaterial gewesen, wie die andere Seite des Januskopfes unserer liebgewonnenen Wirklichkeit aussieht.

Wird jetzt kein Fracking mehr veranstaltet,

stoppt die Rüstungsindustrie ihr profitables Programm,

werfen wir üble Finanzprodukte in die Tonne,

verabschieden sich die großen landwirtschaftlichen Player vom Flächenbrand in den tropischen Wäldern, werden die Social-media -Macher etwa zur Kasse gebeten oder gar kontrolliert?

Nein.

Erst als das Getwittere zu weit ging, blockierte man den Kunden. Und sicher nicht wegen der Themen, sondern weil man befürchtete, dass andere Kunden sonst zur Konkurrenz laufen könnten. Eine private Firma übernimmt also den Schutz der Öffentlichkeit vor Falschmeldungen nach Gutsherrenart! Wo ist da die solidarische Haltung aller Nutzer gegen solche Anmaßung?

Neureiche kollaborieren gerne mit den kleinen Leuten und wollen sich gar nicht erst mit akademischem Lametta schmücken. Das gefällt dem Mann auf der Straße ungemein. Und die kleinen Leute lassen sich gerne von denen kaufen als Stimmvieh, als Claqueure, als Abnehmer ihrer billig produzierten Produkte in Übersee.

Altreiche – an der Ost- wie an der Westküste Amerikas zum Beispiel – wenden sich natürlich pikiert ab: Wie kann man nur mit solch schlechten Manieren in die Öffentlichkeit treten? Das macht Kamala doch viel besser. Und Joe sowieso.

Dass aber über 70 Millionen dieses Upper-class-Theater schon vordem satt hatten (Hilary und Obama mit seinen abgehobenen Rhetorik-Übungen gingen denen doch so was am sonst wo vorbei: Die haben doch keine Ahnung, was unsere Probleme sind, die in ihren Kamera-überwachten Ghettos!), wird jetzt höflich klein geredet, damit wieder die Verbindlichkeit Einzug halten kann: Hüllen wir doch alles in wohlgesetzte Rede, schicken wir junge schwarze Frauen vor, die in pathetischem Ton wohlriechende Nebelkerzen werfen dürfen – wie bei der Vereidigung – und betonen wir einfach in Dauerschleife, dass dem neuen Mann und der neuen Frau an der Spitze nur das Allgemeinwohl und nichts als das Gemeinwohl am Herzen liege.

Was für eine Erleichterung europaweit: Endlich wieder „Normallage“, und dass besonders die Armen und deren Kinder global die Verlierer der Pandemie sind, ist wirklich tragisch, wirklich. Die Kinder in unseren breiten können wir ja endlich digital still stellen – in der Freizeit wie in der Schule. Was soll da eigentlich gelernt werden?