Europa – Meditation # 271
„Wer ebnete Hitler den Weg?“ Reaktion auf einen Artikel in der SZ von Mittwoch, den 23. Juni 2021 , S. 11
Allein schon die Fragestellung verengt den Blickwinkel auf einen oder einige. Will die deutsche Geschichtswissenschaft einfach nicht dazu lernen?
Wie lange hat es doch gedauert, bis die sogenannte „Stunde Null 1945“ als das beschrieben wurde, was sie war: ein lediglich auf Trümmern weiter wabernder Sumpf von Wendehälsen, die sich schnell den Wünschen der Alliierten anpassten – hüben wie drüben – und weiter mitmischen durften, genauso wie die sozialen Gruppen, aus denen sie stammten, bis erst in den 60er Jahre junge Leute begannen, unangenehme Nachfragen zu stellen:
„Wo wart ihr denn eigentlich 1933, 1935, 1938/39, und 1941, ihr schamlosen Ahnungslosen, ihr?“
Bis heute dauert es fort, was da alles unter den Teppich (auf dem der stolze Konrad Adenauer auf dem Petersberg sich forsch gestellt hatte) einer Verschweigensunkultur gekehrt wurde, bis heute. Es waren aber nicht einzelne Männer, sondern es waren die bereits hinreichend bekannten und befleckten sozialen Gruppen (Hochfinanz, Hochofenadel und Hochadel samt Hochschullehrer lassen bestens grüßen!), die ihre Schäfchen ins Trockene brachten, klammheimlich und ohne je zur Kasse gebeten worden zu sein.
„Geistig-moralische Wende“
Wie lange dauert es nun schon, bis endlich die Karten zur sogenannten Wiedervereinigung auf den Tisch des Hauses kommen, damit die um ihre „friedliche Revolution“ betrogenen wahrhaben dürfen, dass sie über jeden Tisch gezogen wurden, der von „blühenden Landschaften“ säuselte, gar von einer „geistig-moralischen Wende“ – was für ein Totschlagslogan – unter dem aber die Strippen gezogen wurden von denen, die am längeren materiellen Hebel saßen? Und es waren nicht nur einzelne Pokerfaces, sondern es waren soziale Gruppen (auch hier könnten wieder die verschiedenen „Hoch“-kombatanden aufgezählt werden – siehe oben), die ihr Bereicherungsmodell als „Fortschritt für alle“ zu verkaufen wussten. Die Zeche zahlten und zahlen die mit solchen Wortverdrehungen kapitalistischer Provenienz unvertrauten Träumer – damals. Jetzt ist der Katzenjammer groß, die Kränkung auch, aber die gesellschaftlichen Gruppierungen haben längst für eine nachhaltige Entsorgung von berechtigten Einwänden einer solchen „Wiedervereinigungs“-Revision gesorgt. Schwamm drüber. Geld kam zu Geld und mehrte sich goldig.
Und nun arbeiten sich zwei ehrenwerte emeritierte Hoch-Schullehrer noch einmal an dem desaströsen Weimar-Modell-Fall ab und kommen doch tatsächlich wieder nicht über das nun wirklich als „blechernes Auslaufmodell“ – Männer machen Geschichte-Motto – hinaus, reihen brav ein paar Namen aus dem Hochadel, bzw. dem niederen, aneinander und wiederholen im Grunde nichts anderes, als die vergilbten Namen eines Hindenburgs, von Papens, von Schleichers, um neben den Hohenzollern ein paar kernige Pappkameraden aufzustellen, die erklären sollen, warum die Weimarer Republik so jämmerlich scheiterte.
Kein Wort über die langen, autoritären – mit schwarzer Pädagogik eingebläuten – patriarchalischen Muster im Hochadel wie im Kleinbürgertum (also massive soziale Strukturen, die sich seit 1848 unversöhnlich gegenüber standen), und in der Akademikerzunft, den Verbindungen sowieso.
Auch damals gab es selbstverständlich keine „Stunde Null“ – wie denn auch? Erziehungsmuster halten sich gerne jahrhundertelang. Nicht nur in Deutschland – das gilt genauso für Amerika, wo man sich über Trump wunderte, der aber nur pointierte, was viele sozial und ökonomisch Abgehängte für wahr halten. Die haben den Glauben an so etwas wie Gerechtigkeit oder Gleichheit längst begraben. Der Traum von der „Neuen Welt“ lässt sich „leider“ nur für wenige ausleben.
Hochschulen waren vor und nach dem ersten Weltkrieg nicht nur Brutstätten des Antisemitismus, nein, sie waren es auch in Sachen D e m o k r a t i e – Abstinenz (hier würde eher sogar das Wort von der Pestilenz passen, um den Bogen zum Vokabular des Faschismus zu schlagen; in allen sozialen Gruppen weit verbreitet und ordentlich gepflegt)
So lange immer wieder politische Konflikte als Kartenspiel von hochkarätigen Politikern in perspektivischer Engführung als Credo verkündet wird, wird wohl auch die Bildung der nachwachsenden Generation in Sachen „Herrschaft des Volkes“ ein Orchideenfach bleiben, hinter dem auch weiterhin die einschlägigen Kantonisten mit ihrem sozialen Hintergrund einer stabilen Minderheiten-Eigentümer-Gesellschaft ( erweitert ums Aktienpaket ) feste feiern können. Ohne Skrupel, aber als nachzuahmende Vorbilder – Hoch-erfolgreich eben!