31 Jul

Europa – Meditation # 274

Gute Zeiten, schlechte Zeiten – das alte Lied.

Die Angst der Sterblichen vor dem Tod – ein großes Thema in der europäischen Philosophiegeschichte – lässt die Erdlinge zitternd zurück ohne befriedigende Antworten. So zimmert man sich eben die eigenen. Und die waren und sind von einer peinlichen Schlichtheit:

Schwarz und weiß verschaffen in ihrer Gegensätzlichkeit scheinbar so etwas wie richtig und falsch, hell und dunkel lassen sich gut voneinander unterscheiden und groß und klein sowieso. Und erst recht Mann und Frau, beziehungsweise, Krieg und Frieden, stark und schwach. Und wie mit einer Wünschelrute wird dann in diesem Minenfeld blitzschnell erkannt, was gut und was schlecht ist.

So wie die Geschichte mit dem großen Bruder. Den gibt es einmal als den „big brother who is watching you“ – das ist der böse – und einmal als den großen Bruder, der schützend seine Hand über uns hält – das ist der gute. Natürlich kann auch der gute Bruder einmal falsch liegen oder schlecht gelaunt sein, klar, aber eben nur vorübergehend. Vier Jahre haben uns Europäern aber echt gelangt, jetzt ist der große Bruder wieder in der Spur und Europa kann sich wieder getrost an ihn lehnen: Wir sind doch e i n e Familie – oder? Und nun sitzen wir ja auch in e i n e m Boot – drum herum ziemlich schwere See, da gibt es nicht nur böse Eisbären, sondern auch giftige Drachen, die uns allen nach dem Leben trachten, bzw. nach dem Geld. Tja, und da dieser große Bruder ein wirklich gerissener ist, kommt er leise in Seidenpantoffeln daher, als wolle man sich auf dem Diwan zum duftenden Tee treffen.

Und was macht die kleine Schwester Europa da?

Sie hofiert ordentlich ihren großen Bruder von Übersee, obwohl der längst mit seiner Familie abgeschlossen hat und nur noch in die eigene Tasche wirtschaftet, notfalls auch auf Kosten der alten Familie in Europa. Will die kleine Schwester einfach nicht sehen, was da mit ihr geschieht? Glaubt sie einfach weiter daran, den Gang der Dinge maßgeblich selbst steuern zu können? Und Schwester Angela wiederholt gebetsmühlenartig ihre Leier vom Miteinander Reden, vom Kompromisse machen, vom vielseitigen Verwandtschaftsmuster, in das man glücklicherweise mit verwoben sei.

Und schon ist der große Bruder so etwas wie Vorreiter bei der Klimawende, die Unsummen, die er im Rüstungsbereich – gewinnbringend für die Rüstungsindustrie – versenkt, sind wichtige Anstrengungen zum Erhalt des Weltfriedens, während der Bär und der Drache „natürlich“ nur Krieg und Eroberung im Sinn haben.

Der große Bruder Europas aber will gar nichts erobern, der will nur Hand in Hand mit seinen Geschwistern deeskalieren, Gutes tun, Kohlendioxyd herunterfahren, Öl nur noch aus unbewohnten Gegenden herauspressen, das Grundwasser dort wird ja nicht gebraucht. Mensch, hat Europa aber auch einen netten großen Bruder, echt – oder?

30 Jul

Europa – Meditation # 273

“Die Wahrheit über Europa“

Ein wirklich lesenswertes Buch für diesen Achterbahnfahrt-Sommer 2021 hat den Neugierde weckenden Titel: „Die Wahrheit über Eva“. Die Erfindung der Ungleichheit von Frauen und Männern. Von Carel von Schaik und Kai Michel. Rowohlt Hamburg 2020.

Warum?

Nun, wenn der griechische Frauenname „Europa“ übersetzt die „Weitsichtige“ heißt, dann werden wir beim Lesen dieses Buches einen die Augen öffnenden Blick zurück in die Vorwelten des homo sapiens werfen können, der unter dem Motto steht:“Sharing and Caring“ – weil unsere Vorfahren – lang, lang ist‘s her, aber zum Glück nicht ganz vergessen – in den sozialen Beziehungen ihre Seinssicherheit fanden und nicht in der erst viel, viel später entstandenen Pseudosicherheit (von Männern im Laufe der Jahrtausende langsam gewaltsam durchgesetzt) des toten Materialismus‘ und des Habens von Sachen und Menschen.

Die spontane Hilfsbereitschaft der letzten Wochen hat dem völlig unvorhersehbar und von den meisten sicher auch nicht vorstellbar wieder in Erinnerung gerufen, dass tief unter dem Müll und Schutt des Habens und der Statussymbole weiter die Sehnsucht nach mitmenschlicher Nähe ruft: „Gib mir Halt, gib mir Nähe, gib mir Wärme, gib mir Liebe!“

Und sagen das nicht auch die müden Augen der Kinder, die so lange vor Monitoren vergeblich ausharren mussten und Nähe gesucht hatten und natürlich nicht finden konnten? Nur die direkte Begegnung von zugewandten Menschen kann den Fall in ein jähes Nichts verhindern.

Jenseits der amtskirchlich verdorbenen Botschaft der Nächstenliebe – in den Händen einer patriarchalischen Priesterhierarchie schon so lange, ganz gleich ob katholisch, altkatholisch, protestantisch oder evangelikal, gleichermaßen europaweit, weltweit – sind es vulkanartige Ausbrüche heißer Lavaströme von Hilfsbereitschaft, bedingungslos., die uns beglücken. Sie überrollen nicht nur die leeren Versprechungen der digitalen Angebote, sondern auch die schalen Verlockungen eines endlos Konsumrauschs.

Das könnte – aus dem Blick der weitsichtigen Europa – sogar dazu führen, dass beim Beschwichtigen der klimatischen Spirale endlich die Kräfte sich durchsetzen, die nicht Wahlen mit leeren Versprechungen gewinnen wollen, die nicht üppige Geschäfte mit falschen Verpackungen inszenieren wollen und die auch nicht warten wollen, bis alle oder die anderen das endlich tun, was nottut.

Sharing und Caring und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern war schon immer das Erfolgsrezept des homo sapiens – die letzten paar tausend Jahre dagegen nur ein: „error, error, error!“

Die gelbe Karte (oder greift sie bereits nach der roten?), die uns die Natur gerade zeigt, sollte es jedem leicht machen, das zugeben zu können.

03 Jul

Europa – Meditation # 272

Europa – statt Weitsicht, mickrige Nabelschau.

Wenn man das griechische Wort E U R O P A übersetzt, strahlt einem das Wort die „W E I T S I C H T I G E“ entgegen. Wäre der Name also Programm dieses kleinen Kontinents, müsste inzwischen auch dem letzten Hinterwäldler in Europa recht deutlich vor Augen stehen, dass alle Metaphern für das drohende Unheil, das selbst erzeugte, längst verbraucht und obsolet geworden sind:

Statt Weitsicht nichts als Kurzsichtigkeit – vor allem in den Medien. Tag für Tag bedienen sie nun seit Jahrzehnten das schaurige Wechselbad von Weltuntergangsszenarien und Erlösungsphantasien.

Letztes Beispiel dieses Dauer-Selbst-Betrugs-Programm:

Die scheinbare Wende in der „Plastik“-Frage. Endlich würde – zwar in Baby-steps – der Ausstieg aus der Plastikvermüllung unserer Weltmeere entschieden in die Hand genommen. Doch der schlaue Produzent weiß sich zu helfen: Wenn Plastikhalme nicht mehr erlaubt sein sollen, dann halt aus Papier. Innen drin bekleben wir die Pappe dann eben mit glänzendem Material, das zwar nicht mehr auf den Namen Plastik hört, aber genauso wenig abbaubar sein wird, wie sein Vorgänger. Doch die durch die Pandemie arg geschundene und wunde Seele des Verbrauchers braucht jetzt unbedingt mal wieder positive Nachrichten. Und kein Plastikbecher mehr ist nun wirklich ein – wenn auch kleiner – Anfang in die richtig Richtung. Oder?

Weitblick bedeutet eben in diesen Tagen auch langer Atem – von heute auf morgen werden die Gewitterwolken über dem blauen Planeten nicht zu beseitigen sein, aber so eine kleine Plane könnte ja zumindest vor den Hagel-Tennis-Bällen schützen. Ist doch mal was – oder?

So lernt der scheinbar weitsichtige Betrachter – der Europäer eben – die Oberfläche schön zu sehen. Er lässt sich gerne blenden mit wortreichen Versprechungen der großen Konzerne, die über Nacht in den Ausstieg aus dem Verbrennungs-Monster-Konzept investieren wollen, damit die Temperaturen nicht weiter steigen. Unter der Oberfläche aber beharren dieselben Propheten auf dem Eigentum und Gewinn vermehrenden und maximierenden Kurs, der Motor der zunehmenden Schieflage des Klimawandels ist.

Wer sich hier allerdings in den Weg stellt – oder ankündigt es zu wollen – muss nicht nur mit massivem Gegenwind rechnen, nein, er wird auch medial in großem Format hingestellt als Verächter von individueller Freiheit und Mobilität.

Wer hat denn nicht gestaunt über die großflächige Anzeige in der SZ, auf der ein alttestamentarisches Muster bemüht wurde, um das Programm, das von Klein-Klein endlich mit einer mutigen Wende europaweit in einen großen, solidarischen Kraftakt der Umkehr münden soll, in Grund und Boden zu verteufeln: Als hätte Moses selbst – mit Gottes strenger Hilfe – aufgerufen, Wohlstand und Fortschritt zu zertrümmern. Was für erbärmliche Angstmache! Blindwütige Rundumschläge statt notwendiger Weitblick.

Und eine ebenso großflächige Gegenanzeige derer, die sich den Weitblick nicht nehmen lassen wollen, soll dieselbe Zeitung abgelehnt haben zu veröffentlichen! Das darf doch nicht wahr sein – oder? EUROPA!

p.s.: als klitzekleiner cliff – hänger ein klitzekleines Europa-Rätsel:

Was verbirgt sich hinter dem klitze-kleinen Wörtchen S I O N?

1) Das Alte Testament?

2) Eine Stadt im Wallis?

3) Europäische Weitsicht?