26 Feb

Europa – Meditation # 380

Der Muster-Schüler Europas – schon immer.

Oder: Was tun, wenn man wieder zwischen den Stühlen hockt?

Neben den social media sind die traditionellen Medien nach wie vor der Transmissionsriemen alter und neuer Narrative.

Das lässt sich anschaulich an den neuesten Schlagzeilen zu einer angemeldeten Demonstration in Berlin zeigen: Wenn dort Tausende besorgte Bundesbürger solidarisch vor weiterer Eskalation warnen -vorne weg zwei Frauen, die stets ihre geistige Unbestechlichkeit auf ihre Fahne geschrieben haben – dann ist das nicht nur ihr gutes Recht in Sachen freie Meinungsäußerung im öffentlichen Raum, sondern auch das dringend notwendige Signal, sich nicht mit den heulenden Wölfen gemein zu machen, die so tun, als würden sie in ihre Rolle von der bösen Gegenseite doch nur gezwungen. Die meisten Medien tönen wie ein chorus mysticus in die gleiche Richtung: Wir müssen uns intensiver um unsere Rolle als treuester Bündnispartner profilieren. Die Zeit des Zauderns hat uns weit zurück geworfen. Drum jetzt alle mal schnell links und rechts überholen und sich als furchtlose Vorhut „mir nach!“ hervortun!

Was haben die Amis nicht alles Gutes in Mitteleuropa geleistet:

1. Im Bündnis mit den Kommunisten die Faschisten besiegt – „no fraternization!“

2. Im Vertrauen auf die Lernfähigkeit der Mitteleuropäer uns eine zweite Chance gegeben – „reeducation!“

Und wir haben brav und stumm mitgespielt. Haben sehr, sehr schnell gelernt, dass „the american way of life“ die Zukunft Europas bestimmen soll. Dass dabei die eigene Geschichte leichtfertig über Bord geworfen wurde, erweist sich angesichts der zweiten Welle amerikanischer Wohltaten – den social media – als ziemlich fragwürdig und vielleicht sogar als schmerzliche Sackgasse. Und die oft beschworene Nibelungentreue der Mitteleuropäer wird wieder einmal gebetsmühlenartig mit Angstszenarien befeuert: Ohne unseren großen Bruder aus Übersee geraten wir unter die Räder! Wenn doch endlich einmal der Muster-Knabe erwachsen werden wollte, endlich an der Seite der anderen europäischen Völker selbstbewusst die Weltmachtphantasien und Machtspiele der Großen Drei mutig in Frage stellen würde und die Reden mutiger Frauen gerne aufgreifen würde, um zu zögern, zu beschwichtigen, zur Besonnenheit aufzurufen. Das wäre dann ein erster Schritt heraus aus der scheinbaren „Alternativlosigkeit weiterer Waffenlieferungen und Drohgebärden und Sanktionsszenarien“.

25 Feb

Historischer Roman II – YRRLANTH – Leseprobe – Blatt 167

Julianus bestattet seinen Vater Marcellus.

Was für eine Ende! Julianus kann es immer noch nicht fassen. Er sieht sich immer noch neben dieser eitlen Lügnerin sitzen, sieht sie den Pokal zum Mund führen und erinnert sich auch genau an den Blick, wie sie seinen Vater beobachtete beim Trinken. Stolz. Siegesgewiss und auch voller Bosheit. Wie dumm ich doch wahr, hadert er jetzt mit sich selbst. Ich hätte es wissen müssen: Traue diesen Franken nicht! Und wieder gehen ihm die Bilder durch den Kopf, als diese Finsterlinge anrückten, um ihn festzunehmen. Und was für ein Wunder: Die fränkischen Leibeigenen seines neuen Lehens verteidigen ihn. Welche Götter hatten ihm da beigestanden? Er weiß es nicht.

Vor sich – auf dem Scheiterhaufen – sein Vater. Die Giftmischerin ist längst außerhalb der Villa in einer schnell gegrabenen Grube unter die Erde gebracht worden. Die Sklaven der Villa haben es voller Zorn für ihn erledigt. Schweigend stehen sie um den Scheiterhaufen herum. Tränenschwer, mit geneigten Häuptern.

Im Dämmerschein dieses unglückseligen Tages greift Julianus nun zur Fackel, die sein alter Lehrer, Philippus, für ihn bereit hält. Alle Arbeiter und Arbeiterinnen der Villa stehen in einem großen Kreis um ihren toten pater familiae herum. Sie wissen, was sie mit ihm alles verlieren, sie ahnen, dass die Zukunft nur düster für sie sein wird. Die Franken verachten die Römer. Nicht nur weil sie lesen und schreiben können, die Römer, nein, auch weil sie auf eine lange und stolze Geschichte zurückblicken können. Weil sie immer noch ihren alten Göttern opfern.

In weiße Laken gehüllt liegt er oben auf dem hohen Katafalk, der edle und gebildete Senator Marcellus. Tot. Vergiftet. Was für ein unwürdiges Ende für diesen weisen Mann. Philippus, der ja auch Marcellus Berater war in all den schwierigen Jahren, lässt seinen Tränen freien Lauf.

Die Flammen greifen gierig um sich, lodern flackernd auf. Julianus hebt nun beide Arme hoch und ruft lauf:

„Sol invictus, sol invictus! Wir dienen dir, wir opfern dir, wir flehen um deine Hilfe – lass diese ruchlose Tat nicht ungesühnt geschehen sein!“

Da heben auch alle anderen Trauernden ihre Arme, rufen gemeinsam Sol Invictus an – obwohl sie alle getaufte Christen sind, inzwischen. Verbeugen sich bis zum Boden, recken erneut ihre Arme und wiederholen in einem fort den Namen des römischen Gottes: Sol Invictus, sol invictus!

Und Julianus verspricht seinem Vater, ihn zu rächen.

25 Feb

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 153

Europas List, den Rat der Alten zu umgehen.

„Mutter, ich verstehe überhaupt nicht, was du meinst!“ bricht es aus Parsephon hervor. Europa geht zur Flügeltür, schaut sich nach möglichen Lauschern um und schließt sie geräuschvoll. Ihre beiden Söhne stehen ratlos da und warten zitternd auf eine klärende Antwort.

„Nie hätte ich gedacht, dass so etwas nötig sein könnte. Aber das ungewisse Ende eures Vaters zwingt uns zum Handeln.“

Europa sitzt nun zwischen Samadanthys und Parsephon auf den Stufen des kleinen Hausaltars. Sie wundert sich über sich selbst: Wo kommen meine Worte, meine Ideen gerade her?

„Ich werde Pallnemvus bitten, das Volk umgehend vor dem Palast zusammenzurufen. Dort soll dann für die Dauer der Krankheit des Minos eine Übergangslösung vorgestellt werden, die mit Archaikos und mir abgesprochen sei.“

Europa macht eine Pause, sie holt tief Luft, während die Zwillinge vor Neugierde nicht ein noch aus wissen. Dann fährt sie leise fort:

„Bis der neue Minos bekannt gegeben wird, soll ich als eurer Vormund und Schützerin der Insel euch beiden zur Seite stehen, sodass gewissermaßen ein Triumvirat – von der großen Göttin geweiht – so lange gemeinsam herrscht, bis der Tag der Inthronisation gekommen sein wird.“ Bewusst vermeidet Europa vom Sterben des Minos zu sprechen.

Den Zwillingen verschlägt es die Sprache. Ihre Mutter als ihr Vormund? Das hat es noch nie auf Kreta gegeben. Wie werden der Rat der Alten, wie wird das Volk reagieren?

Als das Schweigen nicht mehr auszuhalten ist, legt Europa ihre Arme um ihre beiden Kinder und sagt:

„Beten. Wir müssen gemeinsam zur großen Göttin beten. Die Hohepriesterin wird uns segnen. Es muss jetzt ganz schnell gehen. Wir müssen Berberdus, dem Vorsitzenden Ratsherrn, zuvorkommen.“

Ohne Antworten der Zwillingen abzuwarten, steht Europa auf und wendet sich wortlos zum Gehen. Mit einer kleinen Geste fordert sie Parsephon und Sadamanthys auf, ihr zu folgen. Zum Tempel der großen Göttin.

Laut hallen ihre Schritte in den langen Gängen wider, das Flattern der Vögel über dem großen Atrium des Palastes wirkt wie das erregte Geflüster der überraschten Menschen, die noch am gleichen Tag erfahren werden, dass erstmals eine Frau als Vormund zusammen mit ihren Söhne die Vollmachten des Minos von Kreta übernehmen wird.