19 Mrz

Europa – Meditation # 386

Als wäre alles nur ein Unterhaltungsprogramm?

Die Medien lassen nicht locker. Quote! Nicht nur soll Zuschauer-nah gesendet werden, nein, auch die Werbeblöcke sollen schön unterhaltsam, spannend und originell sein. Angela Merkel ist so was von weg vom Tele-Fenster, unglaublich. Genauso wie Trump oder Johnsons. März und Söder dümpeln auch vor sich hin. Selbst Orban lässt die Zuschauer zur Zeit hängen, und wenn nun auch noch die Fifa den Frauenfußball hochhievt, dann ist ja sowie so alles in Butter. Selbst das Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien ist fast schon so etwas wie Schnee vom letzten Jahr. Und das West-Jordan-Land ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Die Frage, was war zuerst, die Henne oder das Ei, holt niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Wie viele Flüchtlinge leben eigentlich im Libanon? Was ist das denn für eine Frage? Und dass die Phlegräischen Felder verrückt spielen, wäre nur dann wirklich eine Meldung wert, wenn es Bilder von einem big bang gäbe. Vertröstungen auf die nächsten 500 Jahre fördern dagegen überhaupt nicht die Einschaltquote. Und der Fußball-Alltag hatte außer den Ausschreitungen in Neapel wenig bildstarkes Material zu offerieren.

Rohingyas, hungernde Kinder in Somalia oder verängstigte Menschen in der Ukraine sind auf die hinteren Seiten der Print-Medien abgewandert, denn dort werden sie von kundigen Spezialisten wortreich in Szene gesetzt.

Leider gibt es keine Mitschnitte von den Tauchern in der Ostsee, die dort in 70 Meter Tiefe lautlos nach seltenen Meerestieren suchten. Dass es dabei zu unabsichtlichen Detonationen gekommen sein soll – Methangas etwa? – ist nirgendwo festgehalten worden. Also auch keine Meldung wert.

Da nach wie vor der Wohlstand in Europa die Konsumenten voll in seinem Griff hat, scheinen Bombenangriffe, Erdbeben und ansteckende Krankheiten eher so etwas für Features oder für Katastrophenfilme eben, die man ja auch noch anschauen muss. Und nachdem „Im Westen nichts Neues“ sogar Oscar-geadelt wurde, hat nun der unzufriedene Zeitgenosse die Wahl der Qual: Krieg – Auf welchem Kanal kann ich denn möglichst nah am wirklichen Geschehen dabei sein? Und was heißt hier eigentlich wirklich? Und wenn über dem schwarzen Meer eine Drohne abstürzt, dann gibt es nicht einmal life-Bilder. Wie soll sich da der kritische Zuschauer ein adäquates Bild vom Geschehen machen? Vielleicht ist die story fake, vielleicht haben bots die Finger im Spiel?

Das macht den Zuschauer ganz schön unwillig. Dann vielleicht ein Quiz-Duell oder play-station-entertainment?

18 Mrz

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 157

Das geheime Treffen der Ratsherren (Teil 3)

Was für eine Niederlage! Im Ratssaal überwiegen bei weitem die lauten Töne:

„Nur weil sie die Frau des Minos ist, meint diese Europa, sie können ohne uns regieren!“

„Ein böser Dämon ist sie, war mir immer schon klar!“

„Die bringt den bestimmt noch um!“

„Nee, glaub ich nicht, die möchte doch möglichst lange Vormund sein!“

Höhnisches Gelächter.

Die alten Ratsherren sind kaum wieder zu erkennen.

„Pallnemvus, verlang doch einfach vom Hof das geliehene Geld zurück! Dann werde die sofort mit uns reden, da kannst du sicher sein.“

„Mh, tja, das ist eine gute Idee, Gromdas, aber ich warte lieber, bis meine Schiffe aus Luxor zurück sind, dann sind die Kassen wieder voll und wir können den Leuten ein Fest schenken und dabei für uns werben.“

Gromdas ärgert sich. Dieser Pallnemvus kann einfach nicht den Hals voll kriegen. Ich sollte vielleicht die Hohepriesterin zu gewinnen versuchen, ihr ein paar üble Geschichten über diese Europa erzählen. Vielleicht schwenkt sie dann auf Seiten der Ratsherren um. Vielleicht, denkt Keltberias. Er wird versuchen, noch heute eine Audienz bei Archaikos zu ergattern. Er muss sich selbst ein Bild vom Krankheitszustand des Minos machen. Vielleicht wird er ja sogar wieder ganz gesund. Dann ist diese miese Vormundschaftsgeschichte sowie so im Nu nichts zerronnen.

„He, Collchades, was haben denn deine Spitzel herausbekommen?“ fragt hinter vorgehaltener Hand Berberdus, der Vorsitzende. Der zieht nur ratlos die Schultern hoch. Das soll wohl heißen: Nichts Neues.

Da klopft Berberdus mit seinem kleinen Hämmerchen auf sein Rednerpult und bittet die Ratsherren, Platz zu nehmen. Geraune, Gerenne, Stühle Rücken, Gemurmel, erwartungsvolle Blicke. Zwei alte Sklaven schließen die Doppeltür zum Saal. Es wird schließlich still.

„Der Vorfall sucht seines gleichen“, beginnt Berberdus. Gleich wird er von einem Zwischenruf unterbrochen:

„Es ist eine beispiellose Anmaßung einer Frau!“

„Bitte, wir sollten jetzt nicht den Kopf verlieren, bitte, meine Herren! Collchades. lass im ehemaligen Saal der Ölkrüge in den alten Schriftrollen nachschauen, ob ein ähnlicher Fall überliefert wird. Ich jedenfalls kenne keinen.!“

„Berberdus, es ist jetzt keine Zeit für lange Suchaktionen in alten Texten, es ist höchste Zeit, dass der Rat der Alten den Kretern vorführt, was es bedeutet, wenn man alte Gepflogenheiten einfach übergeht: Dann macht man sich schuldig – selbst die Höchststrafe – dem Minotaurus zum Frass vorgeworfen zu werden – ist da eine angemessene Antwort. Dem müsste dann selbst der sterbende Archaikos zustimmen.“

Einen Augenblick ist es leichenstill im Saal. Dann springen die ersten begeistert auf, Stühle kippen um, dröhnend schlagen sie auf dem Marmorboden auf. Zwischenrufe. Berberdus, der Vorsitzende, versucht die Kontrolle zurück zu gewinnen. Aber vergeblich. Die Ratsherren schütteln sich bereits die Hände, jubeln. Aus ihrer Sicht ist gerade per Akklamation eine Zustimmung erteilt worden, Europa zu bestrafen. Strengstens. Der hohe Saal hallt wider von den aufgeregten, wütenden und wild entschlossenen Ausrufen dieser alten Männer, die sich plötzlich wieder stark und wichtig fühlen. Sie werden ihre Macht nicht aus ihren Händen geben, erst recht nicht an eine fremde Frau.

Schließlich, bevor die ersten Ratsherren begeistert den Saal verlassen, erhebt Berberdus noch einmal die Stimme:

„Meine Herren, ich muss wohl nicht betonen, dass völliges Stillschweigen über unseren radikalen Entscheid selbst verständlich ist. Ich werde allerdings sofort alle notwendigen Maßnahmen einleiten.“

Da breitet sich eine selbstgefällige Zufriedenheit über die alten Gesichter aus: Gut so, Berberdus, gut so, du kannst dich auf uns voll verlassen, sollen Gesten und Mimik wohl zum Ausdruck bringen.

Dann wird es ungewöhnlich still im Palast des Minos von Kreta.

Nur oben, auf dem Gesims des hohen Palastgebäudes, hocken weise, alte Vögel, krächzen dann und wann leise, tippeln hin und her oder fliegen noch eine Runde über der weitläufigen Anlage. Sie kennen diese Stille über dem Gemäuer nur zu gut: jedes Mal gab es Ärger, großen Ärger unter den Menschen – danach, nach dieser trügerischen Stille.

18 Mrz

YRRLANTH – Historischer Roman II – Blatt # 169 – Leseprobe

Julianus und Bordov greifen ins Rad der Geschichte.

„Das Morden muss ein Ende finden“, murmelt Bardov vor sich hin. Aber wie? Der König hat ihn erneut auf die Güter des hingerichteten Bischofs Arnulf geschickt. Der Sohn des Römers, des vergifteten Herrn der Villa Marcellina an der Liger, soll da gerade nach dem Rechten sehen., heißt es. Chlotar hatte die beiden Höfe ja dem Römer als Lehen gegeben.

Als Bardov von seinem Pferd steigt, kommt gleich aus einer der nächsten Hütten ein Leibeigner und mustert ihn misstrauisch.

„Wer seid ihr?“ fragt der Mann Bordov mutig.

„Na, wer schon, du Idiot. Ich bin Bardov, der Truchseß des Königs. Und wer bist du, hä?“

Der Mann weicht zurück, weiß nicht, was er tun soll.

„Ich? Äh, ich steh hier nur so rum“, und fängt blöde zu kichern an.

Bordov würde ihn am liebsten seine Peitsche spüren lassen, aber er hat Wichtigeres zu erledigen.

„So, so. Wo ist denn dein Herr, hä?“ setzt Bordov drohend nach.

„Unser Römer?“ der Mann dreht sich um, sucht mit Blicken das Gelände ab, zieht die Schultern hoch, hebt ratlos seine Arme.

„Keine Ahnung, Herr!“

Na bitte, geht doch, denkt Bardov, der kriegt ja fast schon ganze Sätze hin.

Da sieht er auch schon den Gesuchten über die noch unbestellten Felder heran reiten.

Bardov hält weiter sein Pferd am Zügel fest, als jetzt Julianus dicht vor ihm halt macht und absteigt.

„Bardov, hätte gar nicht gedacht, dass wir uns schon so bald wieder sehen.“

Bardov spürt ein Ziehen im Magen. Den soll ich umbringen? Niemals. Es reicht, es reicht.

„Ich auch nicht!“ erwidert Bardov und reicht Julianus die Hand.

„Bring uns was zu trinken raus, ja?“ bittet er den ziemlich blöd dastehenden Mann. Der nickt und verschwindet in seiner Hütte.

Beide binden ihre Pferde an und warten schweigend, dass der Mann zurück kommt. Dann stoßen sie freundlich lächelnd an und Julianus fragt:

„Was kann ich für dich tun, Bardov?“

„Wir müssen reden“, ist alles, was er zur Antwort bekommt.

„Gut, komm, gehen wir in mein Haus. Du bist sicher auch hungrig.“

Bardov nickt.

Später sitzen sie im Dämmerlicht des herunter gekommenen Pächterhauses, essen und trinken und reden und reden. Und je länger sie reden, umso mehr wird beiden klar, dass dieser König der Franken mehr und mehr zu einem Monster mutiert, das über Leichen geht und anscheinend dabei immer größeren Hunger verspürt.

Dann wird es still im Raum. Die Sonne verschwindet gerade im Westen, die Kälte kriecht unter der klapprigen Tür durch und lässt die beiden frösteln.

Sie kommen zwar beide aus zwei sehr verschiedenen Leben, der junge Römer und der altgediente Franke, aber sie haben doch mehr gemeinsam, als diese großen Unterschiede nahe legen.

Schließlich treffen sie leise, sehr leise eine Entscheidung, verabreden sich für den nächsten Tag in Lutetia. Bardov wird dem König melden, dass Julianus um eine Aussprache bittet – es gehe um den Ausbau der beiden Lehen und um die Zukunft der Villa Marcellina am Liger. Das wird den König bestimmt neugierig machen. Bardov wird dabei dem König auch indirekt zu verstehen geben, er habe bei ihrem Treffen auf den beiden Gütern dem Wunsch des Königs nicht entsprechen können, wolle das aber bei dem Besuch von Julianus in Lutetia auf jeden Fall nachholen. Auf jeden Fall. So wird der König kein Misstrauen hegen, wird Julianus einladen und Bordov dazu holen, damit der tut, was er soll.

Und während die beiden gerade schwer wiegende Entscheidungen treffen, deren Folgen das junge fränkische Königreich nachhaltig verändern werden, zieht Somythall unter dem Geleitschutz der Leute von Rochwyn weiter Richtung Westen. Yrrlanth. Mit Pippa und Sumila an ihrer Seite reiten sie in eine sehr ungewisse Zukunft. Ob Voegrun noch lebt? Was wird er sagen, wenn Somythall ihm erzählt, dass..? Nein, nein, nicht jetzt. Jetzt träumt sie sich lieber in eine Zukunft, in der ihre Tochter Sumila groß und stark geworden ist…

„Somythall“, fragt sie Pippa jetzt, „sollen wir Halt machen? Die Lichtung da vorne scheint mir sehr geeignet.“

Somythall nickt und schweift schon wieder in Gedanken ab. Jullianus. Ja, in manchen Augenblicken stellt sie sich vor, dass sie zur Villa Marcellina umkehren, dass sie heiraten und gemeinsam Sumila am Liger aufziehen. Der alte Lehrer Philippus könnte ihr Lesen und Schreiben beibringen. Vielleicht könnte sie ja später am Hof des Frankenkönigs eine Stelle finden, vielleicht.