Europa – Meditation # 400
Litanei im Spiegelkabinett
Nicht nur die Medien in Europa scheinen einen Sprung in der Platte zu haben, nein, auch wir Konsumenten. Denn in einem fort speichern wir unser global bestens vernetztes Wissen auf unserer Festplatte – früher bezeichnete man es mit dem sperrigen Begriff „Gedächtnis“ – ordnen es alphabetisch ein und rufen es bei passender Gelegenheit ab, als wäre es eine Liste für den Einkauf auf dem Markt.
Wie in einer Litanei wiederholen wir das, was wir für richtig halten – ermüdend bis zum Überdruss:
Zunehmende Kriegshandlungen
Zunehmende häusliche Gewalt
Zunehmende Erderwärmung (Meere inklusive)
Zunehmende Beben und Eruptionen
Zunehmende Flüchtlingsströme
Zunehmende Drogentote
Zunehmende Preise und Inflationsraten
Wir wissen Bescheid. Wir wiederholen unser Wissen. Wir wissen sogar, dass dringender Änderungsbedarf ansteht. Und ob. Und was tun wir dafür?
Und schon springt der Arm zum nächsten Sprung auf der Platte:
Die liberale Demokratie sei in Gefahr
Die etablierten Parteien verlören rasant an Vertrauen
Die gewählten Vertreter in Legislative und Exekutive,
verstrickt in Seilschaften, hätten das Gemeinwohl längst
aus den Augen verloren
Solche und ähnliche „Narrative“ stehen uns gerne bei, um uns selbst aus der Schusslinie zu holen. Das klappt wunderbar.
Tempo und die anonyme Masse ersparen uns scheinbar die Eigenverantwortung, die jeder trotz alledem hat.
Und als Quintessenz dieser Litanei kommt dann in der Coda der „Angstzauber“ nach vorne: „Die Zukunft des Westens“ sei nicht nur düster, sondern vorbei, wenn nicht – und dann beginnt die Litanei wieder von vorne.
Das Eingemachte nämlich – das Privateigentum, das Patriarchat und das Wohlstandswachstum – bleibt von dieser Litanei selbstverständlich unberührt. So gruselt es schön weiter im apokalyptischen Chor der Besserwisser, die wir sind.
„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Klügste im ganzen Land?“