Europa – Meditation # 222
Europa gegen den Strom geschwommen. ( Teil 1)
Schon die Vorsokratiker wussten scheinbar – soweit es die Quellenlage und die Weitergabe der Quellen wahrscheinlich erscheinen lassen – dass unsere Sinne uns zum Narren halten und dass Halt nur vorläufig, provisorisch denkbar sei, denn alles ist unentwegt in Bewegung, sagt Heraklit, und Thales meinte sicher nicht zu unrecht, dass alles aus dem Wasser entstanden ist, was nun auf der Erdkruste herum stolpert. Was glauben wir denn zu wissen über die Tiefsee, aus der unsere kleinen Inseln, die wir stolz Kontinente nennen, heraus ragen wie vorübergehende Trockenzonen?
Aber unsere Gehirntätigkeit steuert wild entschlossen dagegen: Wo ist da die Logik, wo der Beweis? Wo die Messlatte, wo die skalierte Umzäunung?
Und in all den Jahrtausenden, die die Europäer sorgfältig in Reihe brachten, ihnen knackige Epochenbegriffe verpassten und ordentlich Ordnung schafften, eins schön hinter dem nächsten und alles logisch aus dem vorhergehenden entstanden – ist doch logisch – und diese Ordnung als eine sich stetig steigende Entwicklung ausmalten (im wahrsten Sinne des Wortes), bis auch dem Letzten ein Licht aufgeht: nicht Sisyphus, nein, Herkules ist das Vorbild – in all den Jahrtausenden lauter Narrative, weiter nichts. Klar, ist doch klar. Man muss es nur oft genug wiederholen (und gegebenenfalls den Widerspruch so lange niederschreien, bis er klein beigibt)
Lukrez soll ordentlich auf dem Index verschimmeln, Montaigne…Montaigne? Wer ist Montaigne? Kenn ich nicht. Oder Lawrence Sterne oder Herder oder Kleist oder Hölderlin – die Liste lässt sich verlängern und wie eine bunte Kette kostbarer Versuche der langsamen Verständigung über das, was wir sehen, hören, fühlen, denken als ein verstörendes Murmeln zu begreifen über etwas, das sich einem endgültigen und einfachen Zugriff einfach entzieht. Dass inzwischen die Groß-Dichter, die in einem stimmigen Wurf menschliche Existenz genau umreißen wollen, an Glanz nachhaltig eingebüßt haben oder selber im Subtext mit flüstern, dass sie das eigentlich gar nicht so genau meinen, wie es in den langen Wortgirlanden erscheint, wird immer deutlicher; selbst ein James Joyce wird dann zu einem ehrlichen Makler der causa humana, weil er in all seinen Sprachbildern und – spielen dem Ungenauen, dem Vorläufigen, dem Bröckelnden eine Hymne singt. Ein Steinbruch der Granitwörter und Marmorbilder.
So sehen sich die Europäer jetzt nicht am Ende des Tunnels, sondern wieder zurück auf Anfang gebeamt, weil sich die Wortgebirge und wortreichen Bebilderungen dessen, was wir uns angewöhnt haben Wirklichkeit zu nennen, als untauglich, bzw. als lebensgefährlich erweisen,