Europa – Meditation # 274
Gute Zeiten, schlechte Zeiten – das alte Lied.
Die Angst der Sterblichen vor dem Tod – ein großes Thema in der europäischen Philosophiegeschichte – lässt die Erdlinge zitternd zurück ohne befriedigende Antworten. So zimmert man sich eben die eigenen. Und die waren und sind von einer peinlichen Schlichtheit:
Schwarz und weiß verschaffen in ihrer Gegensätzlichkeit scheinbar so etwas wie richtig und falsch, hell und dunkel lassen sich gut voneinander unterscheiden und groß und klein sowieso. Und erst recht Mann und Frau, beziehungsweise, Krieg und Frieden, stark und schwach. Und wie mit einer Wünschelrute wird dann in diesem Minenfeld blitzschnell erkannt, was gut und was schlecht ist.
So wie die Geschichte mit dem großen Bruder. Den gibt es einmal als den „big brother who is watching you“ – das ist der böse – und einmal als den großen Bruder, der schützend seine Hand über uns hält – das ist der gute. Natürlich kann auch der gute Bruder einmal falsch liegen oder schlecht gelaunt sein, klar, aber eben nur vorübergehend. Vier Jahre haben uns Europäern aber echt gelangt, jetzt ist der große Bruder wieder in der Spur und Europa kann sich wieder getrost an ihn lehnen: Wir sind doch e i n e Familie – oder? Und nun sitzen wir ja auch in e i n e m Boot – drum herum ziemlich schwere See, da gibt es nicht nur böse Eisbären, sondern auch giftige Drachen, die uns allen nach dem Leben trachten, bzw. nach dem Geld. Tja, und da dieser große Bruder ein wirklich gerissener ist, kommt er leise in Seidenpantoffeln daher, als wolle man sich auf dem Diwan zum duftenden Tee treffen.
Und was macht die kleine Schwester Europa da?
Sie hofiert ordentlich ihren großen Bruder von Übersee, obwohl der längst mit seiner Familie abgeschlossen hat und nur noch in die eigene Tasche wirtschaftet, notfalls auch auf Kosten der alten Familie in Europa. Will die kleine Schwester einfach nicht sehen, was da mit ihr geschieht? Glaubt sie einfach weiter daran, den Gang der Dinge maßgeblich selbst steuern zu können? Und Schwester Angela wiederholt gebetsmühlenartig ihre Leier vom Miteinander Reden, vom Kompromisse machen, vom vielseitigen Verwandtschaftsmuster, in das man glücklicherweise mit verwoben sei.
Und schon ist der große Bruder so etwas wie Vorreiter bei der Klimawende, die Unsummen, die er im Rüstungsbereich – gewinnbringend für die Rüstungsindustrie – versenkt, sind wichtige Anstrengungen zum Erhalt des Weltfriedens, während der Bär und der Drache „natürlich“ nur Krieg und Eroberung im Sinn haben.
Der große Bruder Europas aber will gar nichts erobern, der will nur Hand in Hand mit seinen Geschwistern deeskalieren, Gutes tun, Kohlendioxyd herunterfahren, Öl nur noch aus unbewohnten Gegenden herauspressen, das Grundwasser dort wird ja nicht gebraucht. Mensch, hat Europa aber auch einen netten großen Bruder, echt – oder?