Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 132
Eine olympische Verschwörung
Der einäugige Polyphem, Sohn des Poseidons, hat heute Dienst in der Bar des Olymps. Er ist nervös. Zwar ist genügend Nektar und Ambrosia im Eisschrank, aber dass Zeus mit seinen beiden Brüdern seit Stunden ganz hinten in der dunkelsten Ecke sitzen und reden und reden, gefällt ihm gar nicht.
„He, Polyphem, unsere Pokale sind leer!“ ruft sein Vater mit einer Stimme, die wie das Tosen des Meeres klingt. Polyphem eilt zu den dreien, nimmt sich die leeren Pokale, meidet dabei aber jedweden Blickkontakt.
„Also, was ist nun mit euch?“ fragt Zeus genervt seine beiden Brüder. Eben hatte er seinen genialen Plan skizziert, um nicht nur dieser Europa eins auszuwischen, sondern auch das geplante Tanzfest doch noch zu verhindern.
„Aber…“, beginnt Hephaistos nachdenklich, „Talos wird es nicht verstehen. Du hast den bronzenen Riesen doch zum Schutz von Kreta eingesetzt…“
„Und allzu helle ist der ja auch nicht, oder?“ mischt sich nun auch Poseidon ins Gespräch ein.
Zeus holt tief Luft. Was habe ich nur für schwachsinnige Brüder, denkt er insgeheim. Aber er reißt sich zusammen. Es geht jetzt wirklich um Wichtigeres.
„Klar, klar“, beginnt Zeus seine Erwiderung so sanft wie möglich, „klar, Talos ist nicht der Hellste, daran müsst ihr mich nun wirklich nicht erinnern. Ich habe mir sogar schon einen Ausweg ausgedacht.“
„Na, da bin ich aber gespannt“, kommt es kichernd von Hephaistos zurück. Bevor aber Zeus seinen Bruder zurechtweisen kann, bringt Polyphem den so dringend gewünschten Nachschub.
„Pass doch gefälligst auf, du…“, schnauzt ihn Zeus recht unsanft an. Beim Absetzen der Pokale schwappt der Inhalt reichlich über und läuft in kleinen Bächen an den hohen Stielen herab und verteilt sich unschön auf der mattblauen Marmorplatte, um die herum sich die drei Brüder auf bequemen Kissen niedergelassen hatten.
„Tschuldigung, Tschuldigung“, jammert Polyphem. Poseidon schämt sich mal wieder für seinen Sohn, verdreht die Augen, schüttelt nur den Kopf.
„Macht doch nichts, mein Lieber!“ kommt ihm Hephaistos zu Hilfe, „hol einfach einen Lappen und bring es wieder in Ordnung.“
Während Polyphem abzieht, stecken die drei Brüder die Köpfe erneut zusammen, um Zeus‘ genialen Plan zu hören:
„Wir füllen ihn einfach ab, dann wird es ihm bestimmt leichter fallen, mit Felsbrocken um sich zu werfen; und sicher wird die Zerstörung umso weiträumiger ausfallen! Europas Ende sieht dann sogar aus wie ein zufälliger Kollateralschaden.“
Zeus hält inne, schaut in die Runde, dann lachen alle schallend los.
Und als Polyphem zurückkommt und seine Sauerei aufputzt, klingelt es ganz schön in seinen Ohren, bei dem donnernden Gelächter. Worum geht‘s dabei? fragt er sich herzklopfend. Talos? Was ist mit dem? Ist doch mein Kumpel…