Europa – Heiße Luft, Hysterie und Häme haben das Sagen dieser Tage! (Meditation # 27)
Die sogenannte verspätete Nation hat das Wort
Warum will man denn gerade uns befragen? Als hätten wir ein Antwort-Abo. Gut, aus der Sicht der alten Völker Frankreich und England, Russland und Spanien zum Beispiel scheinen wir etwas verspätet auf den Zug der Moderne aufgesprungen. Aber spät ist ja bekanntermaßen besser als gar nicht. Oder? Nun, die hatten auch gut reden: Die Ränder dieser Länder waren klar markiert durch Meere, Gebirge. So gab es keine Grenz-Debatten, die hatte die Natur längst vor langer, langer Zeit entschieden. Stimmt’s? Ja und? Die Menschen in der Mitte dessen, was man Europa zu bezeichnen pflegte, konnten sich auf solch markante Eckdaten nicht berufen. Das hätte ein Vorteil sein können, war es auch viele Jahrhunderte lang. Aber längst restlos vergessen! Man schaute in alle Himmelsrichtungen, trieb Handel, kannte die Routen, sprach viele Sprachen und Dialekte und man kannte seine Region. Dann aber kamen die Schlaumeier und meinten, man solle es denen nachmachen, die in klaren Verhältnissen lebten: England, Russland, Frankreich, Spanien.. Als ließe sich Geschichte über e i n e n Kamm scheren. Die andern als das Vorbild. Aber wie die trägen Massen überzeugen? Da half nur Gewalt – natürlich in einem feschen Gewand, versteht sich. Schicke Uniformen. Die Schlaumeier füllten auch das bis dahin leere WIR mit markanten Sprüchen wie Ehre, Volk, Tapferkeit, große Zukunft für alle und so. Das, was man bis dahin hatte, wussten sie schlecht zu reden, galt von da an als rückständig, gestrig, ein Verlierer-Modell. Aber man musste sich beeilen, denn die großen Vorbilder waren schon dabei, die restliche Welt unter sich aufzuteilen. Also, Tempo! Es ist schon spät! So starteten die tapferen Mannen gleich durch, schulterten zwei Weltkriege, es floss so viel Blut; und immer war die Rede von Stolz, von Ehre, von Revanche. In atemberaubendem Tempo. Da blieb wahrlich wenig Zeit zum Nachdenken, zum Sich Besinnen, zum Sich Erinnern. Verbissen und zerknirscht schaute man kleinlaut nach vorne. Man schaute sich beim großen Sieger ab, wie man wieder auf die Beine kommen könnte – nach solch einem Aderlass. Europa hieß die neue Losung. Die Vielfalt früherer Jahrhunderte in der Mitte Europas war inzwischen gründlich verdrängt und vergessen. Man möchte nun nicht noch einmal zu spät kommen, man prescht jetzt so richtig dynamisch nach vorne. „Wir lassen den Nationalismus einfach hinter uns und zeigen unseren Nachbarn, was ein wahrer Europäer ist!“ Beim Tempo legen wir einfach noch einen drauf.
„Nehmt euch ein Beispiel an uns, so wie wir uns früher eins an euch genommen haben!“
Klingt doch echt gut oder?
„Nur ein Vereinigtes Europa kann die Probleme der Zuwanderung, der Globalisierung, der Konkurrenz auf dem Weltmarkt, der Arbeitslosigkeit, der Umwelt lösen!“
Wer redet da eigentlich? Die verspätete Nation? Die Menschen Mitteleuropas? Nein. Es sind die Sprücheklopfer, die Angstmacher, die Besserwisser, die Parteipolitiker, die um ihre Pfründe fürchten, nicht der Mann und die Frau von nebenan, die sich Sorgen machen, wie sie die Miete, die Kredite, die Ausbildung der Kinder finanzieren sollen. Denn die brauchen wahrlich kein riesiges Europa, denen wäre schon geholfen, wenn ihre Region ordentlich versorgt würde. Das wäre ein überschaubarer Rahmen. Denen in den anderen Regionen geht es doch ähnlich. Gut nachbarschaftlich versteht sich doch von selbst. Bürokratentürme irgendwo, monströse Finanzberge gleich daneben sind der Frau und dem Mann von nebenan eher düstere Nebelkerzengebilde, verfilzt, korrupt. Da haben sie nichts von.
Aber wer so redet, der bekommt gleich die volle mediale Breitseite – gespickt mit lauter unschönen Kränkungen, Beleidigungen, Verunglimpfungen, Beschimpfungen. Da werden die sonst so auf Sachlichkeit pochenden „Fachleute“ ganz schön unsachlich.