18 Aug

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 105

Kurzschlüsse der drei Götterbrüder. Teil I

Natürlich bleibt Zeus und seinen beiden Brüdern nichts von dem verborgen, was die Menschenkinder so treiben. Dass die drei Brüder Europas – Kilix, Kadmos und Phoinix – ihre Suche nach der Schwester in drei Richtungen treiben, gefällt ihnen sehr. Sie werden jedem der drei Brüder ein schönes Verwirrspiel inszenieren. Darauf freuen sie sie schon. Außerdem können die drei Götter – Zeus, Hades und Poseidon – so untereinander ordentlich rivalisieren: Wem wird die klügste Irreführung gelingen, wer wird die besten Ablenkungsmanöver erzählen können, wenn sie sich wieder auf Kreta treffen? Zeus hat da ja noch eine ziemliche Rechnung offen. Und das auch noch mit einer Frau! Dieser allzu stolzen Europa. Hybris. Die wird sie unbedingt zu Fall bringen. Das haben die Götter den Menschen schon immer vor Augen geführt.

„Nun, meine Lieben, wer will denn wohin von euch?“ fragt Zeus bestens gelaunt. Hades und Poseidon schauen sich grinsend an.

„Nach dir, mein Lieber, nach dir!“ säuseln sie fast gleichzeitig.

„Freunde, so kommen wir nicht weiter! Lasst mich also mal machen: Hades, du reist nach Delos zum Orakel und sagst diesem eingebildeten Kadmos, wie er den Orakelspruch zu verstehen hat. Und du Poseidon, du widmest dich diesem Kilix, den du doch sowieso nicht leiden kannst, und ich mache eine Kurzbesuch in Theben und werde dafür sorgen, dass der dritte im Bund, Phoinix, seine Reise an den Nil nie vergessen wird!“

Großes Gelächter hallt durch die hohe Halle auf dem Olymp. Die drei umarmen sich zufrieden und machen sich auch gleich auf den Weg. Nichts wie weg, bevor wieder diese vorlaute und dreimal kluge Athene, Zeus Lieblingstochter, aufkreuzt und peinliche Fragen stellt.

So viele Menschen hier im Hafen, denkt Kilix, als er über die vielen hölzernen Krane, die vielen Lastkähne, die vielen Amphoren, die vielen Stände blickt. Was tun?

„Eindrucksvolle Szene oder?“ erschrocken dreht sich Kilix zur Seite. Unbemerkt hat sich ein Fremder neben ihm aufgebaut, der ihn nun freundlich anlächelt.

„Kann man wohl sagen. So etwas habe ich noch nie gesehen.“

„Wo kommst du denn her?“

„Phönizien, mein Vater…“ Kilix wundert sich über sich selbst, dass er so locker die Fragen des Fremden beantwortet. Poseidon aber lässt ihn gar nicht erst ausreden:

„Kenn ich, kenn ich. Die Tochter des Königs dort, Europa, soll sich ja hier in Athen aufhalten…“

„Wirklich? Wo denn?“ Kilix kann es noch gar nicht fassen. Gleichzeitig erzählen die beiden Brüder von Poseidon den beiden anderen Brüdern von Kilix jeweils ein anderes hübsches Ammenmärchen, wo Europa sich gerade versteckt. Lauter billige Lügen erzählen die Götterbrüder, bloß lauter Lügen.

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