Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 168
Aphrodite in Eifersucht schön empört.
Im Olymp herrscht dicke Luft. Zeus würde am liebsten runter zu seinem Bruder Poseidon, um nicht Rede und Antwort stehen zu müssen. Hera wittert wieder so eine undurchsichtige Geschichte ihres Gatten und Athene spürt erneut, wie dünn das Eis ist, auf dem ihre Eltern tänzelnd ihre Beziehung inszenieren.
„Nein, nicht später, jetzt will ich ihn sprechen, jetzt!“ faucht Aphrodite mit Nachdruck, als sie im Foyer hin und her tigert. Hera hebt beschwichtigend ihre Arme, verdreht dabei ihre Augen und denkt zugleich: Dass die sich aber auch immer so aufspielen muss, echt!
„Athene, kannst du gerade mal zu deinem Vater ins Sprechzimmer gehen und ihn bitten herzukommen, ja?“
„Das ist sicher gar nicht mehr nötig – bei dem Lärmpegel, der hier gerade herrscht!“
Und wirklich, gerade als Aphrodite Athene über den Mund fahren will, erscheint Zeus im Flur des Olymp und tut so, als wäre er völlig überrascht vom Besuch Aphrodites:
„Aphrodite, liebe Tochter, wie schön, dass du uns besuchen kommst!“
Aphrodite atmet tief durch, stemmt ihre Hände in die Hüfte und legt auch gleich los:
„Papa, was soll das denn? Eine phönizische Prinzessin kommt da einfach mit ihren Freundinnen und mehreren Männern auf meine Insel – unangemeldet – und räkelt sich am Strand, als wäre sie zu Hause in ihrem Bad?“
Hera weiß sofort, von wem die Rede ist, Zeus natürlich auch, aber er spielt den völlig überraschten:
„Jetzt beruhige dich doch erst einmal, Aphrodite, komm, wir setzen uns in die Bar, trinken erst einmal etwas und reden dann in aller Ruhe über diesen Besuch auf deiner Insel, ja!“
Hera bekommt fast einen hysterischen Anfall, Aphrodite schüttelt nur beleidigt mit dem Kopf, während sich Athene köstlich amüsiert. Sie kennt ihren Vater nur zu gut; sein nervöses hin und her Tänzeln, sein zappliges Winken mit den Händen und sein leicht gerötetes Gesicht verraten nur zu deutlich, dass er ziemlich verlegen ist und lieber jetzt ganz woanders wäre.
Trotzdem bewegen sie sich nun alle Richtung Bar, wo Hera die Drinks zusammenmischt. Und als sie jetzt bequem in ihren Kissen liegen, hat sich auch die Spannung zwischen ihnen etwas gelegt.
„Prost!“ Zeus hält seinen Kelch hoch, lächelt, als wäre er der glücklichste Mensch, bzw. Gott auf der Welt und im Olymp, räuspert sich umständlich, nachdem er einen ordentlichen Schluck von seinem Nektar genommen hat und beginnt dann so:
„Tja, also, wenn du mich fragst, dann könnte ich vielleicht Poseidon fragen, ob der weiß, um wen es sich da handeln könnte.“
Aber da fährt ihm gleich Hera in die Parade:
„Also wirklich, tu doch nicht so, als wenn du nicht wüsstest, wer da gestrandet ist.“
Die Frauen schauen – den Atem anhaltend – alle auf Zeus, der jetzt den Mund aufsperrt, den Kopf hebt, große Augen macht und erst einmal vernehmlich einatmet:
„Ach so, ach so, du meinst diese Schiffbrüchigen, ach so! Tja, da ist nämlich gestern eine Gesandtschaft von Kreta los gesegelt, die wollten nach Sidon zum Orakel, glaub ich, aber unterwegs ist ihnen eine heftiger Sturm dazwischen geraten.“
„Na bitte! Siehst du Aphrodite, natürlich weiß er, wer das ist, stimmt‘s?“
Erwartungsvoll schaut Hera ihren Mann an, der aber mit dem Kopf schüttelt.
„Tut mir leid, mehr kann ich nicht dazu sagen, Genaueres wüsste aber sicher Poseidon.“
Hera macht komische, schnalzende Geräusche, schnauft wie ein Walross, und eröffnet dann der Runde:
„Es handelt sich bei dieser Fremden um eine gewisse Europa – ihre Eltern, Agenor und Thelephassa, waren das Königspaar von Sidon, beide aber inzwischen nicht mehr unter den Lebenden; diese Europa ist unterdessen mit dem Minos von Kreta verheiratet – oder?“
Zeus starrt seine Gattin an, als hätte die gerade gesagt, im Olymp sei eine schlimme Krankheit ausgebrochen; er kann es einfach nicht fassen. Wo hat Hera denn diese Informationen her, fragt er sich sehr peinlich berührt. Woher weiß sie das alles? Kennt sie vielleicht sogar seine „weißer-Stier-Entführungs-Geschichte“?
„Also, also, meine liebe Aphrodite, weißt du was? Ich hole gerade mal Poseidon, der wird Heras Meinung sicher bestätigen oder widerlegen können – einverstanden?“
Und schon hat er sich sportlich aus seinem Kissen hoch gekämpft und läuft einfach davon. Die drei Frauen bleiben völlig sprachlos zurück.