15 Feb

Europa – Meditation # 176

Europa! Wie langsam sind doch unsere Denkmuster!

In den fünfziger und sechziger Jahren waren uns die Denkmuster des Ost-West-Konflikts wie die Muttermilch: Unverzichtbar und wahr. Und als Sahnehäubchen kam dann noch der Overkill obendrauf. Natürlich ein Neologismus auf Englisch, versteht sich. Links und rechts galten da ja schon fast als Ladenhüter – was ehemals lediglich die Sitzordnung in der französischen Nationalversammlung verortete, ist bis heute – diesseits wie jenseits des Atlantiks (aber auch in Asien) – so etwas wie ein Naturprodukt, ein Unkraut zwar, aber überall vorzufinden. Darauf lässt sich gut weiter denken. Schwarz und weiß, Freund und Feind sind so beruhigend an ihren Plätzen. „Natürlich“.

Wir Europäer, die bis zum Beginn der Weltkriege großen Wert legten auf die gewachsenen Unterschiede in den Denkmuster der vielen Völker in Europa, lernten in der Not, sich mehr und mehr im Englischen denkend zu bewegen. Und der damit einhergehende Dualismus – hier Kapitalismus, dort Kommunismus – scheint nach dem untauglichen ultimativen Bild von der einen Welt erleichtert wieder zurückzukehren in vertraute Denkmuster der Zeit vor 1989.

Die Vielfalt von früher, die einen eindrucksvollen Reichtum an Sprachen, Geschichten, Bildern und Gebilden in Europa hervorgebracht hatte, gilt es nun wieder zu erinnern – wie ein Reinigungsmittel, das die bröckelnde Politur der uniformen Denkmuster des sogenannten „Post“- Postzeitalters kleinteilig zerlegen und wegtropfen lässt, bis darunter wieder heimatliche Farben und Formen sichtbar werden, die nie verschwunden waren. Sie waren nur mundtot gemacht worden – sogar unter Zutun der Europäer selbst.

Da ist der Brexit nur ein weiterer Meilenstein zurück zu mehr Selbstvertrauen in die eigene Bildersprache und Wertewelt. Das Englische wird nun wieder zu einer eigenständigen Kultursprache wie das Französische, das Italienische, das Portugiesische – um nur ein paar zu nennen.

Geschäft, Deals, Schulden, Waren, Konsum werden so wieder zu dem, was sie bloß sind: Nützliche Spielfelder für den Alltag materiellen Austauschs. Grenzenlos flutend, aber unwesentlich für den wirklichen Lebensbezug der Völker Europas in ihrem geistigen, künstlerischen und sprachlichen Austausch.

Weil aber die gewohnten Denkmuster so zäh vor sich hin wabern, bedarf es mutiger Anstrengungen eines jeden von uns, im Aufwachen aus dem öden Konsumtraum Bild für Bild, Lüge für Lüge zu enttarnen als schale Placebos eines leer laufenden Motors: Wachstum und Konsum werden so wieder zu dem, was sie wirklich sind – Parasiten am Puls des Lebens des homo sapiens.

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