Europa – Meditation # 220
Spieglein, Spieglein an der Wand…
Wen sehen wir denn da, wenn wir jetzt wieder in den Spiegel schauen? Monatelang hatten wir den Spiegel verstört ob der Pandemie zugedeckt mit einem verdreckten Laken. Wer wollte sich denn da sehen – mit angstverzerrtem Gesicht, Zitterblick und Gliederzucken?
Manch einer dachte in jenen Tagen und Wochen, die species habe sich auf ihre besseren Seiten besonnen: Man war sich einig, selbst alle Produktionsstätten der heiligen Kühe, sprich Automobile, lahm zu legen, Betriebe, Flughäfen, Kaufhäuser und und und. Wie in der Ölkrise: leere Autobahnen, leere Eisenbahnen, leere Schulen, leere Kitas, aber volle Intensivstationen in den Hospitälern. Ganz Europa eine einzige Solidargemeinschaft im Krieg gegen Corona?
Zu Herzen gehende Klatschkonzerte auf den Balkonen in großen und kleinen Städten: Wir danken euch, ihr selbstlosen Helfer, was wären wir ohne euch!
Ein lautes, kostenloses Danke Schön, das gleichzeitig an das Feiern davor erinnern sollte – was hatte man getanzt, gekifft, gesoffen, gezappelt, gejohlt nächtelang! Jetzt wenigstens auf dem Balkon krakelen!
Sonst aber ging man in Sack und Asche, das Gesicht in Sorgenfalten und Angstgrimassen.
Jetzt aber ist Schluss mit lahmen Grautönen und Heimarbeit! Wie konnte man sich nur so lange dazu verleiten lassen? Dafür soll es jetzt aber umso mehr wieder knallen, das lassen wir uns einfach nicht mehr nehmen, auf Teufel komm raus!
Und wen sehen wir da im Spiegel?
Den alten Bekannten, der nur um sich und seinen Spaß kreist, der keine Lust hat auf slow motion und so Zeug.
So erscheint auch im Nachhinein die zeitweise Solidargemeinschaft in anderem Licht: Die Todesangst ließ die Menschen sich zusammen scharen, sich ducken, sich einsperren. Nicht das Mitleid war der Motor, sondern das Selbstmitleid, das sich keinen anderen Weg wusste, da heil durch zu kommen. Der Egoist im Büßerhemd?
Und noch einmal lässt sich der hektische Feiermensch nicht in den lockdown treiben, das wäre doch gelacht! Der Tanz auf dem Virus-Vulkan hat nämlich ein ganz besonderes feeling: Angst-Lust bis zum Abwinken. Das lässt sich überhaupt nicht toppen, das ist reinste Lebensfreude auf des Messers Scheide. So ein Wahnsinns-Kitzel, wow!
Und wen sehen wir also da im Spiegel?
Die hässliche Fratze des Konsumterroristen, der so was zum Fundamentalisten in Sachen Rücksichtslosigkeit mutiert ist, dass auch dem letzten klar sein sollte: Da ist ein Sprung in der Platte des Egomanen. Der sogenannte Fortschritt der Menschheit entpuppt sich als total wertloser Eigennutz-Trip, der nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen mit ins Chaos zerren will, auf Teufel komm raus!