03 Okt

Europa – Meditation # 226

Wir sitzen alle im selben Boot – aber mit verschiedenen

Aufgaben und Blickwinkeln dabei,

sagt die weitsichtige Europa. Sie könnte Recht haben.

Die Gunst der Stunde ist geradezu offensichtlich: Nachdem das alte Weltbild von den zwei Systemen im Nichts verschwand, folgte ihm nicht viel später das hybride Gemälde von der Einen Welt – den sogenannten Clash der Systeme und die Folgen waren wohl eher vollmundige Kopfgeburten, weiter nichts.

Und jetzt?

Jetzt sitzen die Europäer vor einem globalen Scherbenhaufen, den sie selbst nicht unmaßgeblich mit bewerkstelligt haben in den letzten Jahrhunderten. Doch statt sich vom eigenen Irrweg gerne zu verabschieden und zu neuen Ufern aufzubrechen, möchten die meisten in Europa – und nicht zuletzt in Mitteleuropa – einfach so weiter machen. Gut vielleicht ein bisschen weniger schnell, vielleicht ein bisschen weniger viel, aber insgesamt doch weiter so.

Und worin bestünde denn die alternative Gunst der Stunde?

Im Loslassen. Im einfach einmal Hinschauen auf Natur und Leben. In welcher Vielfalt sie groß und klein, alt und jung Lebensgenuss erleben lässt, was im Jetzt an Reichtum steckt.

Die zivilen wie militärischen Opfer der letzten Jahrhunderte haben so viele Begabungen und Bereicherungen verunmöglicht, dass ein Weiter So einfach nur dumm wäre. Wir Europäer haben sie uns schön geredet, notwendig, weil Fortschritt „eben“ auch Opfer fordert. Wie leicht ist von den gut Lebenden solch ein furchtbarer Satz sagbar, wie leicht! Aber dahinter lauern wie immer die Angst, die Scham, das Schuldgefühl. Deshalb die Hektik, dieses nach vorne Preschen, dieses Atemlose. Denn in der Ruhe läge ja auch die Möglichkeit des Nach-Denkens, des Einsehens des eigenen Irrtums.

Während sich weltweit die „Großen“, zu denen die Europäer nun nicht mehr zählen, gegenseitig bedrohen und wie kleine Kinder mit Schmutz bewerfen, wäre für die erschrockenen Europäer die Gunst der Stunde eben das Abschied nehmen von Hegemonie-Phantasien, das sich Besinnen auf die geographische und klimatische Begünstigung dieses kleinen Erdteils, der auch Flüchtlingen vom reichen Tisch genügend abgeben kann, damit auch sie mithelfen lernen, der Natur und dem eigenen Leben das zuzugestehen, was natürlich ist: Arbeit, Planung, Geduld, Solidarität. Ehrlichkeit.

Mit dem Zerrbild eines macht- und geldgierigen Mannes an der Spitze eines Landes, in das die Europäer einst selber flohen, und dem Selbstbild eines Landes vor Augen, dem trotz aller Abstürze nun ein versöhnendes Miteinander in Mitteleuropa möglich sein sollte, kann es doch nicht so abwegig sein, sich von alten Vorbildern zu trennen und humanere an deren Stelle zu setzen.

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