18 Dez

Europa – Meditation # 240

Verwahrlosung der Menschlichkeit durch Digitalisierung?

Wir Europäer neigen ja schon lange zu Nabelschau und narzisstischen Verblendungen. Kehren wir doch einmal vor unserer eigenen Tür, bevor wir mit zitterndem Zeigefinger aufgebracht auf andere Kontinente weisen, die unter europäischen Weltbeglückungsphantasien lange genug zu leiden hatten. Also besinnliche Momente sozusagen.

„Verwahrlosung der Menschlichkeit durch Digitalisierung“ – so tönt es in diesen vorweihnachtlichen Tagen scheinbar sehr empathisch aus kompetenter Ecke – aber was ist das für eine Reihe monströser Wortgebilde, die uns für etwas sensibilisieren möchte, was aber eiskalt zwischen den Finger versandet. Lauter abstrakte Begriffe – ein Trio infernale, ein teuflischer Dreierpack, hinter dem sich gut munkeln lässt, denn wer sollte sich von solch einem Haufen an „-ung“ und „-keit“- heiten angesprochen fühlen können?

Die aber gemeint sind, können sich nicht zuletzt ob solcher Wortmonster als abgehängt fühlen – und vom Kritiker dann als verwahrlost abgestempelt werden. Wie gefühlsarm, wie anmaßend aber auch!

Denn gerade in den Tagen des „Eingesperrtseins wg corona“ entpuppen sich die einen wie die anderen als das, was sie sind:

Die einen, die über genügend Ressourcen und Vermögen verfügen und den Stillstand einfach aussitzen können (und dabei – um sich die anbrandende Langeweile zu vertreiben – besserwisserisch und scheel auf die herabblicken, für die sie Sorge und Verständnis heucheln dürfen) und die anderen, denen im Modus der Verlangsamung unerbittlich klar wird, wie wenig ihr bisheriger Werdegang ihnen Wissen und Werkzeuge an die Hand gegeben hat, um nicht im uferlosen Meer der „Wolke“ endgültig sich und der Welt verloren zu gehen.

Wer ist denn die Dame „Menschlichkeit“, wer verbirgt sich denn hinter der Maske der „Verwahrlosung“ und was soll das namenlose Omen „Digitalisierung“ denn bedeuten, wenn nicht heiße Luft und kalte Dusche?

Wäre es nicht angemessener, statt von Empathie zu schwafeln, sich konkret für ein Bildungssystem stark zu machen (Greta Thunberg „light“ sozusagen – um dem Kampf gegen den drohenden Klimakollaps auf der einen Seite auf der anderen Seite gegen den drohenden Bildungskollaps das Eintreten für nachhaltige analoge Bildung zu fordern und mitzugestalten, damit die, die jetzt unerbittlich vor ihren Flimmerkisten geparkt sind – die Produktion elektronischer Geräte boomt sonst in ein Nirwana von Lemmingen, die sich gerne führen und verführen lassen), ein Bildungssystem, das die vielen jungen talentierten fließenden „Falschsprecher“ einbezieht in die Zukunftsaufgaben Europas (und der Welt) und sie nicht still stellt unter der Droge „digitalen Dauerregens“ rettungslos ausgeliefert den algorithmischen Mustern von Konsumprioritäten und Lebenszeit Verplanungen. Denn es sollte den Europäern nicht in Vergessenheit geraten, dass erfolgreiches Lernen nach wie vor nur – sprich n u r – stattfindet, wenn sich Menschen lernend in der unverstellten Wirklichkeit in Echtzeit begegnen, wahrnehmen, zuhören, loben und motivieren.

Insofern kann das, was gerade stattfindet nur als ein Wartesaal verstanden werden, in dem Wörter wie „Verwahrlosung“, „Menschlichkeit“ und „Digitalisierung“ wie welke Blätter über kalten Boden flattern, höchstens dazu geeignet, dass man auf ihnen ausrutscht.

Wer in sich geht – und es ist wahrlich eine gute Zeit für solch ein Tun – sollte in echtem Mitgefühl für die vielen „Gedopten“ und vereinsamten jungen Leute aufhören, im akademischen „Sprech“ Text abzusondern, der sowieso ins Leere läuft, sondern sich klar machen, dass die vielen, vielen brach liegenden Begabungen nicht anmaßend weg geschenkt werden dürfen, sondern ein unverzichtbarer Schatz für uns alle ist, wenn wir Kollaps eins und Kollaps zwei noch wirklich abwenden wollen – denn die Welt bleibt auch weiter eine analoge für das Säugetier homo sapiens sapiens…

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