28 Dez

Europa – Meditation # 305

Steter Tropfen höhlt den Stein.

Wachsen, wachsen, wachsen. Wir kennen das. Jetzt natürlich nur noch ökologisches Wachsen, naturbelassen, klar. Freie Fahrt ins Neue Jahr, die Ampel steht auf grün! Man muss es nur oft genug wiederholen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgen die Europäer zerknirscht und bankrott dem amerikanischen Lockruf, den „american way of life“ endlich zu kopieren, zu investieren, sich zu verschulden und einfach nur auf Verschwendung, Wachstum und die Börse zu setzen. Und als brave Schüler kopierten wir, was das Zeug hält, warfen Altes übereilt über Bord und fanden uns unwiderstehlich progressiv. Das dazu gehörige politische Modell, die sogenannte repräsentative Demokratie sollte auch schön wachsen. Neue Parteien wurden den alten übergestülpt, alte Muster wurden neu aufpoliert und mit Persil rein gewaschen, statt auf moralische Selbstvergewisserung, Läuterung und Schuldbekenntnis setzt Europa auf den Slogan von der Stunde NULL. Die auf der Strecke Gebliebenen und deren Nachfahren werden ins Kleingedruckte verbannt, besser noch tot geschwiegen.

In den neuen Schulbüchern wimmelt es nur so von Amerikanismen, von Neuer Welt, Neubeginn und Optimismus. Ein Aufschwung ohnegleichen scheint dem aufgezwungenen Weg recht zu geben: Die Amerikaner sind einfach die richtigen Vorbilder. Fortschritt, Wachstum.

Jetzt, nach gerade mal 70 Jahren (!), ist der Katzenjammer ebenfalls ohnegleichen: Die Vorbilder bewaffnen sich bis an die Zähne, schicken die Verlierer ihres „Wachstumsspiels“ zu Hause in die Pampas, wo sie in schäbigen Wohnwagen TV-Werbespots inhalieren bis ins Delirium, überlassen die Afghanen ihrem Schicksal, nachdem die Amis selbst keine Lust mehr haben, dort weiter die „freie Welt“ gegen das Böse zu verteidigen. Aus die Maus. Die Verbündeten können nun selbst sehen, wie sie die in den Sand gesetzten leeren Versprechungen den Opfern plausibel machen.

Zum Glück gibt es jetzt die Pandemie. Ein Feuerwerk der probaten Ablenkung von den Irrwegen der letzten siebzig Jahren.

Nutzen wir sie, so lange sie dauert, am besten im Modus der Wiederholung:

Die Börse wird im kommenden Jahr so was von durch die Decke gehen, halleluja! Also Geld riskant anlegen, wer wagt gewinnt!

Der Egoismus ist trotz allem die Lösung: Wenn jeder malocht, wird das Wirtschafswachstum so was von durch die Decke gehen, dass allen Schwarzmalern ganz schwarz vor Augen werden wird!

Und die Internetforen werden auch im kommenden Jahr dafür sorgen, dass jeder weiter daran glauben kann, was er da Tag und Nacht vorgesetzt bekommt, ungefiltert und mangels Medienkompetenz auch einfach nur zu glauben.

Derweil arbeiten die Amis – fast schon wie Fundamentalisten – an der Demontage ihres eigenen Gesellschaftsmodells. Frohes Neues Jahr dann!

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