01 Jul

Europa – Meditation # 346

Wie die Europäer Sinn-Schneisen fräsen – wortreich.

Als vor sieben Monaten mit großem Pomp und Tüten voller Optimismus das Neue Jahr 2022 stürmisch begrüßt wurde – Feuerwerke inclusive – hatten sich die Europäer bereits schön eingerichtet in einer Welt, die zwar von Krisen geschüttelt war, aber nicht hoffnungslos schien. Start-ups und influencer schossen aus dem Boden, die Jugend hoffte – zusammen mit der kritischen Begleitung von friday for future-freaks – auf einfach elektrisierendes Morgenrot. Man war lange genug eingesperrt gewesen. Die Wende zum Besseren schien eingeläutet zu sein.

Schien.

Denn schon zwei Monate später verkündete die politische Klasse eine neue Wende ganz anderer Art: Alte Muster feierten urplötzlich Urständ, die Rüstungsindustrie musste sich nicht länger schämen ob ihrer Gewinne, nein, sie sprang über Nacht in den Rang einer Europa-Retterin. Wer hätte das gedacht?

Und die Grünen mutierten zu Hütern von Grund und Boden und der nationalen Sicherheit, so dass die Klimakrise auf Rang zwei rutschte und wortreich und voller Pathos den erstaunten Wählern erklärt werden musste.

Jetzt – zum Beginn des heißen Sommers – müssen erneut die Sinn-Gebungen nach justiert werden. Man wundert sich über gar nichts mehr.

Als wäre das Schwarz-Weiß-Muster des Kalten Krieges und des Ost-West-Konfliktes kein Oldie mehr, sondern brandneue Ware aus dem Kaufhaus der unerbittlichen Sinn-Stifter.

Jetzt ist der Begriff der „WENDE“ ausgelaugt, jetzt brauchen wir Europäer einen neuen, windschnittigeren: „TRANSFORMATIONEN“, heißt die neue Zauberformel – und dass gar von „einer der größten Transformationen der Menschheitsgeschichte“ geraunt wird, zeigt, dass wir in Sachen Superlative immer noch wieder einen drauf zu legen uns nicht schämen müssen.

Woher und wohin dieses „trans“ uns führen soll, bleibt dagegen dunkel. Erhellend könnte vielleicht TRANS-VERSE dabei zur Seite stehen, indem wir einfach aus dem Chaos der Sinnangebote und Wirklichkeitskatastrophen federleicht enteilen und uns viral und avatarmäßig neu aufstellen, als wäre das Leben ein Federballspiel. (Kleiner wunderbarer Nebeneffekt wäre dann: dass viele, viele neue Geräte verkauft werden könnten und atemberaubende Software-Spiele von den großen Vier aus Übersee, von den Energiewerten ganz zu schweigen – wohl dem, der sich bereits mit den entsprechenden Aktienanteilen seine Altersvorsorge geregelt hat!

Auch das „Habeck-Paradoxon“ wird so zum neuen Sinn-puzzle-Spiel, das natürlich auch „Gehen Sie zurück auf Anfang“ als Sinnangebot im Werbeprospekt bereit hält. Es wird also nicht mehr mit dem Pflug ein Zeichen in den Boden gepflügt, sondern mit dem Heimwerker-Fräser eine schnelle Sinn-Spalte ins Sein gefräst, Kollateralschäden werden im Kleingedruckten ausgewiesen. Na, dann mal vorwärts – bzw. weiter so!

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