20 Sep

Europa – Meditation # 357

Im Weltbienenkasten summen die Pow-wows und Palaver maßlos.

Seit die Neuzeit den homo sapiens mit transzendentaler Obdachlosigkeit beglückte, versucht dieser rastlos, in diesem sich weiter und weiter öffnenden schwarzen Loch Haltesprossen einzupflocken, den freien Fall ins Nichts nicht nur abzubremsen, sondern sogar umzukehren – ähnlich wie Baron Münchhausen das doch längst erfolgreich vorgeführt hat.

Da die Sprache viel zu langsam damit umgeht, verlegen sich die Menschen nun global auf Bilderregen. Ganz gleich, ob Ozon droht oder Orkan, duschen wir uns lustvoll kreischend unter diesem Dauerschwall, tanzen, singen und springen wie Heuschrecken im Gewühl hin und her, rauf und runter, munter weiter.

Ein Nachdenken hat da weder Raum noch Zeit, es sind ja auch viel zu viel Bilder und Botschaften, die da verarbeitet werden müssten. Stattdessen bietet sich doch an, das Bad unter dem Bildersegen als ein Ritual zu inszenieren, das um seiner selbst willen stattfindet und keiner weiteren Erklärung bedarf, weil es im jeweiligen Augenblick sich so wohltuend anfühlt – die Rufe der Mittanzenden versteht man zum Glück eh nicht – also muss man auch keine Antworten erfinden, denn die Augen genießen so ungestört von Nebenschauplätzen das Feuerwerk bunter Funkenflüge, die Lippen aller bewegen sich, als wollten sie wichtige Mitteilungen weitergeben, aber man deutet es gerne einfach als eine Art Lachen, auf das man mit Lachen antworten kann.

Der Diskurs ist zum Dino versteinert.

So schreien sich die Fans in den Stadien die Stimmbänder aus dem Hals, so jubeln die Fans in den Discos und Open-Air-Konzerten so laut, dass nicht nur das Gehör auf der Strecke bleibt, sondern auch jede Kommunikation.

Und hinterher schnell abtauchen ins Bett, um nicht doch noch in ein echtes Gespräch verwickelt zu werden. Denn allmählich verlernen wir die Floskeln und Redewendungen, mit denen wir uns die anderen vom Leibe halten oder nahe treten lassen. Unsere tagträumerischen Selbstgespräche kommen ja auch längst mit Kürzeln oder Blitzbildchen aus, die an die Stirninnenwand projeziert werden und dort unkommentiert wieder blitzschnell verlöschen.

Wer soll das denn alles bedenken, abwägen, bewerten oder gar mit anderen ausdiskutieren?

Und das Schweigen bei Trauermarschmusik kommt den meisten auch schon fast unheimlich vor. Hat da gerade jemand in mir eine Frage gestellt?

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