11 Sep

Europa – Meditation # 410

Verkehrte Welt. (Teil I)

Enttäuschung heißt die Losung der Stunde:

Die Wachstumsbotschaft enttäuscht auf der ganzen Linie.

Wenn man alles hat – oder meint zu haben – was soll man dann noch machen? Um die Welt schippern? Den Bilderberg in der cloud um neue Bilder-Abfallhalden bereichern? Schnäppchenjäger als neuer Beruf?

Zu Hause dann, wenn man den Kühlschrank öffnet, das altbekannte Bild.

Eine schleichende Müdigkeit greift nach und nach um sich.

Die Individualitätsbotschaft enttäuscht ebenfalls umfassend.

Ob das Tatoo oder der Haarschnitt, ob das Reiseziel oder das neue Vehikel, ob Essgewohnheiten oder Singlebörse – immer schon kommen auch dem misstrauischen Nachbarn ungute Stör-Gedanken ins Hirn: Sind wir nicht alle nichts als Lemminge, die einfach nur mitmachen, was uns pausenlos eingeflüstert wird – analog wie digital?

Die Superlativ-Spiralenbotschaft enttäuscht nachhaltig jetzt auch noch.

Ob es nun die Notierungen an der Börse oder die Absatzzahlen bei den Neuzulassungen sind, die Höhepunkte scheinen Geschichte zu sein. Boom war gestern, heute ist Katzenjammer über die katastrophalen Folgen weltweit.

Da würde man doch am liebsten zum Eremiten mutieren – natürlich auf hohen Niveau – am besten in einer vollklimatisierten Höhle mit wlan-Anschluss und Essens-Bring-Dienst; vegetarisch bis vegan, versteht sich. Und natürlich alles vom Staat sichergestellt.

Und das nationale Wir-Gefühl als Botschaft einfach unbemerkt abhanden gekommen. Auch das eine einzige Enttäuschung.

Früher in gepflegtem Latein hieß es nur kurz und knackig: panem et circenses. Im Hippodrom in Rom oder in Konstantinopel gab es für hunderttausend Zuschauer Brot, Münzen, Pferderennen und Wettbüros. Die kleine Schicht der Besitzenden hielt sich vornehm im Hintergrund. Der Rest taumelte vom Hunger getrieben weiter als lauter Habenichtse zu den Spielen. Hat sich seitdem irgendetwas geändert – außer den Hochglanzbezeichnungen der Gegenwart in Sachen Konsumgütern? Wenig. Die Versprechungen der Neuzeit, mit Hilfe des Individualismus das Glück aller anstreben zu können, blieben Wechsel auf eine Zukunft, die nicht nur zwei Weltkriege mitproduzierten, sondern auch die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander driften ließen. Vom Raubbau am blauen Planeten ganz zu schweigen.

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