07 Mrz

Europa – Meditation # 383

Die Tage des Westens sind gezählt

oder

Endlich im Windschatten der Überwältiger.

Die inzwischen schon oft beschworene sogenannte „Zeitenwende“ könnte man in noch viel größerem Maßstab ausrufen:

Waren Antike, Mittelalter und Neuzeit den Europäern nur als europäische Zeitalter geläufig und erinnert – die Kulturen der restlichen Welt kamen danach ja nur aus einer Sicht der zivilisatorischen Überlegenheit in den Blick – so geriet die Moderne doch über den Ost-West-Konflikt zunehmend in eine amerikanische Perspektive; anfangs als Retter des guten, alten Europas, dann als Vorbild – wirtschaftlich, kulturell und militärisch – immer in der Tradition des „manifest destiny“ von 1845 – und immer als Hegemon.

Und als dann sogar die Vision vom „Ende der Geschichte“ – mit seinem Promotor Francis Fukuyama 1989 – die Runde machte, fühlte sich der Westen (mit den Europäern in der Westentasche) als Weltbeglückungs-Unternehmen. Die Kosten ließen sich längst in den katastrophalen Zahlen der Klimakrise ablesen. Aber immerhin schien ein erneuter Weltkrieg – dank des Overkill-Drohszenarios – obsolet zu sein.

Da hatten aber die gut bezahlten Think-Tanks der großen social-media-player ihre Rechnungen ohne den Wirt gemacht: Anstatt den Ausstieg aus dem Wachstumswahn-Konzept konzeptionell, ökonomisch wie politisch gemeinsam anzugehen, wurden alte Hegemonial-Phantasien global massiv neu befeuert: Alte Feindbilder reaktiviert, alte Allianzen mobilisiert. Mit der Folge, dass tatsächlich eine Zeitenwende vor der Tür zu stehen scheint: Mit dem glücklichen Zufall, dass Europa dabei keine Rolle mehr spielen wird.

So könnten die europäischen Völker erstmals nachhaltig Abschied nehmen von ihren eigenen ideologischen Machtphantasien und klug im Windschatten der globalen Hegemon-Konkurrenten Bergen, Tälern, Flüssen und Seen Europas – von der Luft und den Meeren ganz zu schweigen – die bewahrende Aufmerksamkeit und Sorge schenken, die sie so dringend nötig haben.

Dazu bedarf es keiner internationalen Allianzen, in denen man sowie so nur die zweite oder dritte Geige zu spielen hätte, dazu bedarf er lediglich der Solidarität der Nachbarn landauf, landab, europaweit. Der Regionalismus würde dann der Zukunft seine wohltuende Handschrift verleihen – zum Wohle der Natur, deren Teil die Menschen waren, sind und sein werden.

06 Mrz

Europa – Meditation # 382

Das tiefe All und die tiefe See

Selbst die sogenannte Relativitätstheorie müssen die Erdlinge immer wieder überarbeiten, verschlimmbessern. Die Sprache, dieses Januskind menschlicher Erfindungsgabe, bemüht für die Entstehung des Unvorstellbaren, des Alls, ein so kindliches Wort wie den „Urknall“. Allein bis zu diesem selbsterfundenen Datum stolpert die Astronomie über Phänomene, die sie zwar in Worte zu pressen vermag, nicht aber ins Verstehen begleiten kann. Es ist zu groß, zu viel und zu alt, das Weltall.

Ähnliches lässt sich auch über die Tiefsee sagen: Obwohl sie längst nicht so alt ist wie das All um sie herum, aus dem sie neulich herabgetropft ist, aber doch so etwas wie unsere engste Nachbarin ist – relativ groß und unheimlich zwar – haben die Erdlinge auch „hier“ eher Vermutungen, Thesen, Bilder parat, als wirklich handfeste Kenntnisse.

In beiden Bereiche haben wir allerdings bereits unsere Handschrift hinterlassen: Müll. Berge von Müll, im All genauso wie im Meer.

Das Experiment, das die Natur seit ein paar Tausend Jahren mit einem vierbeinigen Lebewesen auf diesem Mini-Planeten durchspielt, scheint wohl an einen kritischen Punkt gelangt zu sein: Von einer win-win-Situation kann keine Rede sein. Gerade finden sicher (in der Tiefsee, bzw. im Weltall – der Schwarm lässt grüßen!) schon „Gespräche“ statt, ob man das Experiment nicht besser abbrechen sollte, weil die krassen Nebenwirkungen doch sehr, sehr zu denken geben.

Wenn in diesen Tage on TV gerade eine Variante solcher Korrektur-Maßnahmen der Natur – um es einmal euphemistische zu umschreiben – opulent inszeniert werden (das Buch ist allemal besser – ohne Frage), dann zeigt das leider nur allzu deutlich, wie wenig ernst die Erdlinge ihre eigene Sackgassen-Agenda nehmen; lieber sägen sie weiter an dem Ast, auf dem sie zitternd hocken, überschätzen weiter ihr Wissen und Können, als dass sie sich besännen, um den wahren Reichtum der Natur – ihre endlose Varianz im Hervorbringen neuer Verhältnisse und Wesen – einfach nur zu bestaunen und zu erleben, anstatt sie kalt und gierig auszubeuten.

Wenn die Europäer so stolz über ihre Epoche der sogenannte Aufklärung und Moderne strunzen und dozieren, sollten sie kurz vor Geschäftsschluss besser einen Kassensturz ansetzen und nicht dem alten lateinischen Satz huldigen: Errare humanum est, sed in errore perseverare dementis.

Demenz ist das zu diagnostizierende Krankheitsbild des Erdlings, fortgeschrittene Demenz. Was tun?

04 Mrz

Europa – Meditation # 381

Deutschland muss endlich zu sich selber finden.

In Krisen ist immer auch eine gute Zeit für das Überdenken der eigenen Grundhaltungen.

Wie 1919

Wie 1945

Wie 1989

und

wie 1849

Natürlich ist das, was wir Deutsche „unsere Geschichte“ nennen durch die Zeit von 1933 – 1945 nachhaltig verdüstert, aber es wäre zu bequem, sich einfach bei den Siegern (USA/BRD und Russland/DDR) unter zu stellen und den braven Musterknaben zu mimen, der fleißig umlernt und noch fleißiger nachahmt, was der Stärkere vorgibt.

Dabei haben sich die beiden „Stärkeren“ ebenfalls in Mythen eingesperrt, die ihnen wie heilige Kühe nur den Blick in e i n e Richtung ermöglicht:

Russland

in die glorreiche Vergangenheit, die unbedingt wiederhergestellt werden soll (der Mythos lässt sich spielend bis ins Mittelalter zurück verfolgen! Moskau, das Dritte Rom)

und die

Vereinigten Staaten von Amerika

in den Fußstapfen ihres „manifest destiny“ (1845), das in jeder Schulfibel vorführt, dass – fast wie in der Bibel der Satz „Macht euch die Erde untertan!“ – die USA zum Führer der Welt vorherbestimmt seien. Und die Verträge (wenn überhaupt Verträge nötig waren) wurden immer nur geschlossen, um sie gegebenenfalls wieder zu brechen. Wounded Knee und Trump mögen als zwei Stichwörter hier reichen. Die Expansionsgeschichte war eben immer auch eine finanzielle Erfolgsgeschichte der WASPs – der white anglo-saxon protestants – Deutschland spielt darin derzeit eine wirklich nur sekundäre Rolle. Wir geben uns ja auch alle Mühe, ordentlich als Mitläufer keine Faxen zu machen.

Und jetzt ist wieder einmal Krise angesagt, in der vertraute Muster zurecht neu überdacht werden sollten.

Warum dem wankelmütigen großen Bruder so unwidersprochen folgen? Sein Blick hat sich doch längst von Europa dem Pazifik zugewandt. Nato und EU sind brave Statthalter, die dem großen Bruder seinen neuen Schwerpunkt erleichtern sollen. Natürlich wird verbal versichert, dass man gemeinsam am großen Freiheitsrad der Demokratie dreht, natürlich.

Aber wäre diese Krise nicht ein günstiger Moment, wenn Europa eigenständiger als ein Bündnis von Gleichen unter Gleichen die Verteidigung der Demokratie diplomatisch wie verteidigungspolitisch in die Hand nähme? Und sich Deutschland – an den Verfassungsentwurf von 1849 erinnernd, in dem erstmals ohne Einwirkung von außen Grundrechte festgeschrieben wurden – mit den anderen europäischen Völkern darüber verständigt, wie man ohne weiteres Eskalieren die streitenden Parteien zu einem Waffenstillstand nötigen könnte?

Weil so sonst die Rüstungsspirale nur noch heißer und heißer läuft – mit den weithin bekannten Profiteuren diesseits und jenseits des Atlantiks.

Entscheidend bei solchen Überlegungen ist allerdings, dass man mutig aus der Korsage der Schwarz-Weiß-Malerei aussteigt: Nur an der Seite der USA ist man auf der richtigen Seite – alles andere wäre Verrat und Schwäche, die nur der Gegenseite zuarbeiten würden.

Alle in dieser Krise sind von ihrem eigenen Interesse geleitet. Diese verschiedenen Interessen sine ira et studio kritisch abzuwägen, ist weder kleinkariert noch illoyal. Das gilt für die USA genauso wie für Luxemburg. Und das wieder vereinigte Deutschland sollte nicht im Dankbarkeitsmodus erstarren, sondern endlich Mitteleuropa zu dem machen, was es schon immer sein wollte: eine friedliche, begehbare Brücke zwischen dem Westen und dem Osten Europas.

Jedes Land schreibt ununterbrochen an seinem eigenen Mythos, um die vielen, die am Boden liegen, mit Luftschlössern zu verwöhnen, an denen sie sich satt sehen dürfen (netflix lässt grüßen), denn: satt essen, ist nicht auf solch Mythen umwehter Agenda vorgesehen!