Was
wäre denn so absonderlich an einem neuen Bündnis?
Gerade
dreht sich ein Krisenmanagement-Karussell der Sonderklasse. Das ganze
hautnah bebildert von aufgeregten Medien, die Männer filmen, die in
Flugzeuge steigen oder aus ihnen herabsteigen, Männer, die an sehr
langen Tischen bedeutend Worthülsen hin und her werfen, eine Frau,
die besorgt im Krisengebiet sich ein eigenes Bild von der
Gefahrenlage machen möchte; die Kostüme schwanken dabei zwischen
elegantem Ausgehanzug und militärischem Tarnanzug.
All diese Bilder werden hin und her gefahren, zusammengeschnitten, überblendet, heran gezoomt, ausgeblendet und das Narrativ, das diese scheinbare Endlosschleife „Ukraine-Krise“ am Laufen hält, speist sich dabei aus völlig verstaubten und überfälligen, ätzenden Eckdaten, die alle noch aus dem Zeitalter des Kalten Krieges herrühren. (Was in Bezug auf Putin ja noch irgendwie nahe liegen könnte, war er doch lang genug als KGB-Mann in der DDR unterwegs, als noch alle vom Eisernen Vorhang raunten und die Rede vom Overkill ein Mantra war, das keinen Spielraum ließ für alles, was nicht ins Ost-West-Muster passte.)
Die
Nato – entstanden im Moment, als sich die im 2. WK erfolgreich
verbündeten Russen und Amerikaner nicht mehr als Verbündete sehen
wollten – hatte als einziges Narrativ – bis heute – ein
Defensiv-Bündnis zu sein gegen einen offensiven Gegner, den
Warschauer Pakt, den es einzudämmen galt – weltweit.
Seit 1989 zerbröselte dieses Narrativ jedoch, weil der Gegner zerbröselte. Aber: Hätte man nun denn alle Angestellten dieses Vereins „NATO“ entlassen sollen, der Rüstungsindustrie als „first class“ – Kunde abhanden kommen müssen? Zum Glück bot sich an, sich als edler Weltpolizist in der nun Epoche machenden „one world“ in Szene zu setzen und den Osteuropäern beim Umbau ihrer Armeen behilflich zu sein.
Die
Kür für die neuen world-player fand dann in Afghanistan statt. Als
erster durften die Russen ihr Glück versuchen, als zweiter dann die
Amerikaner und die ISAF, wie sich genant die NATO dort nannte.
Der
Tunnelblick aber blieb über all die Jahre der gleiche: Hier die
treuen Verfechter einer freien und demokratischen westlichen Welt,
dort die marodierenden Horden östlicher Präsidenten – der Kalte
Krieg im neuen Gewande sozusagen.
Obwohl
sich die Welt seit 1989 rasant veränderte – viele alte Begriffe
für politische Konstellationen und Bündnisse trafen einfach nicht
mehr die wirklichen Verhältnisse, die sich inzwischen eingestellt
hatten – intonieren die Politiker wie die Medien aber das alte
Narrativ vom guten Westen und dem bösen Osten – von China soll
vorläufig in diesem Zusammenhang gar nicht erst geredet werden!
Wie
wäre es denn nun, wenn man sich bereit fände, ein völlig neues
Narrativ aus der Taufe zu heben, ein Narrativ, das nicht mehr aus dem
Gegensatz, sondern aus der Gemeinsamkeit der jeweiligen Interessen
seine Nahrung zöge?
Welche
Gemeinsamkeiten wären das denn, die der Westen und der Osten
einbringen könnten?
Nun, die nur noch global zu meisternden Klimakatastrophen – seien es die völlig aus dem Ruder laufenden Brände an Amerikas Westküsten oder die scheinbar unaufhaltsame Perma-Frost-Auflösung im fernen Osten Russlands. Probleme, die nicht mehr auf nur nationaler Ebene gelöst oder zumindest eingedämmt werden können. Internationale Zusammenarbeit sollte doch auch dem letzten Hinterbänkler seit Glasgow 21 klar geworden sein.
Man
müsste allerdings dazu im derzeitigen Tunnel der alten Bilderwelten
den Mut haben, einen Notausgang zu nutzen, um an die Oberfläche für
ein völlig neues Narrativ zu gelangen.
Das
könnte dann in etwa so aussehen:
1. Die USA und Russland schließen einen Beistandspakt (wie damals der gegen die Achsenmächte 1941: die Atlantik Charta), um die jeweiligen klimabedingten Probleme gemeinsam zu bearbeiten. Die Nato wird ersatzlos aufgelöst.
2.
Die frei werdenden Mittel aus geringeren Rüstungskosten – man muss
sich ja nicht weiter hoch rüsten, der ehemalige Gegner ist der neue
Vertragspartner in gemeinsamer Sache – werden beide für die
Klima-Thematik einsetzen.
3.
Die europäischen Staaten werden in diesen Beistandpakt als
Brückenländer mit eingebunden und unterzeichnen als Garantiemächte
einer neutralen Brücke zwischen Amerikanern und Russen.
4. Gemeinsam werden große Infrastruktur-Projekte aufgelegt, die vor allem das Eisenbahnsystem in allen drei Partnerländern massiv voran treiben werden.
Ein solches neues Narrativ würde es allen Beteiligten ermöglichen, ohne Gesichtsverlust nationale wie internationale Probleme gemeinsam angehen zu können. Wie die Chinesen es inzwischen ohne großes Theater weltweit vorführen – sie investieren weltweit in große Infrastruktur Projekte und schaffen so nicht nur finanzielle Abhängigkeiten – könnten auch die Amerikaner und die Russen sich gegenseitig helfen und gleichzeitig dabei ihre Volkswirtschaften massiv ankurbeln und Synergie-Effekte abschöpfen.
Säbel
Rasseln und Drohgebärden gehören zweifellos ins verstaubte Narrativ
der vergangenen Epochen – auf die Zukunft hin ist keine Zeit mehr
für solche eher lächerlichen Großmanns-Hans-Wurstiaden.
Nun,
Medien! Auf zu neuen Ufern, aber pronto!