01 Nov.

Europa – Meditation # 294

Wenn Die Vierte Gewalt im Staat doch endlich aufwachen würde!

Heute titeln viele Zeitungen mit Überschriften wie:

„Enttäuschung über Beschlüsse der G20-Staaten“

oder

„Klima im Fokus der Weltpolitik“

Warum warten wir weiter auf Entscheidungen der Staatenlenker in Sachen „Klima“, obwohl sie doch schon seit dem Bericht des

„Club of Rome – Die Grenzen des Wachstums“ 1972,

in dem die fünf entscheidenden „Game-changer“ klar benannt werden:

agricultural production, nonrenewable resource depletion, industrial output, and pollution generation

datailliertestes Wissen haben, das keinen weiteren Tag zögerlicher Hinhaltetaktiken guten Gewissens gestattet?

Vor einem halben Jahrhundert also schon. Seitdem berichten die Medien jahraus, jahrein über die sogenannten Bemühungen, den „point of no return“ nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Aber immer wieder gab und gibt es nur Konferenzen – von Wissenschaftlern wie Politikern – in denen Vorschläge, Zwischenlösungen und Absichtserklärungen haufenweise verabschiedet wurden, während die Zahlen eine immer deutlicher werdende Bedrohung beschreiben: Tsunamis, Waldbrände, Hungersnöte, sogenannte „Starkregen Ereignisse“ . Die Uhr läuft ab. Greta Thunberg hat es längst auf den Punkt gebracht: „How dare you?“ – wir könnt ihr es wagen, ständig von Kehrtwendungen zu faseln, während gerade die Industrienationen weiter nur nach Gewinn und Zuwachs lechzen?!

Was gab es nicht für hoffnungsfrohe Texte vor dem Treffen der G 20 in Rom! Nichts. Und Glasgow? Wollen die Medien wirklich weiter nur die Leser mit Vertröstungen und halben Sachen abspeisen, weil die Verantwortlichen kneifen?

Ist da nicht das Foto von den G 20 Teilnehmern am Trevi-Brunnen in Rom wie aus einem traurigen Comic – wie sie da lachend Münzen über die Schulter in den Brunnen werfen, als könten sie so das Schicksal des Planeten glücklich wenden?

Wenn schon nicht die Entscheidungsträger ein klares „Halt!“ in die Welt senden, dann sollten es jetzt aber zumindest die Medien tun.

Wie das?

Ganz einfach. Ab dem Ende des Treffens in Glasgow werden die Medien – also analoge wie digitale Medien gleichermaßen – nicht mehr die Politiker zu Wort kommen lassen (Höchstens noch als Leserbriefe!!!), sondern stattdessen breit und Tag für Tag die Stimmen aus dem Volk auf der Titelseite haben, die unmissverständlich eine Kehrwendung in den fünf entscheidenden Punkten des Club of Rom – Berichtes fordern. Dazu jeden Tag Umfragen zum Thema mit breiter Berichterstattung über die Foren, die sich spontan zu Sprachrohren der Öffentlichkeit erklären (da dürfen dann auch Politiker zu Wort kommen, aber immer nur in zweiter oder dritter Reihe – auch werden sie zur Zahlung aller Unkosten für weitere leerlaufende Konferenzen herangezogen, bis sie sich eines Besseren besinnen.

Die vierte Gewalt – die Medien – würden so erstmals in herausragender Weise ihre gewaltige Rolle in der Gesellschaft nicht mehr als Transmissionsriemen der verbrauchten „Litanei-Kenner“ wahrnehmen („Es ist ja so kompliziert, wir brauchen Zeit, wir werden es schon noch schaffen, wenn…“ usw.!), sondern als Avantgarde des Bürgers, der seinen Enkelkinder auch morgen noch offen ins Gesicht schauen möchte. Und sicher werden auch in diesem medialen Widerstandskonzept die Frauen eine herausragende Rolle spielen – wie sie es bereits in dem Film „DIE UNBEUGSAMEN“ dieser Tage vorgemacht haben.

Vielleicht werden die eitlen Herren dann doch noch ins Nachdenken kommen, wenn sie sich wochenlang nicht mehr auf den ersten Seiten und in den beliebten TV-Formaten wiederfinden!

Wäre das nicht eine friedliche Revolution der besonderen ART?

31 Okt.

Europa – Meditation # 293

Als wäre ein Vulkanausbruch bloß ein bunter Comic…

Unsere Sinne betrügen uns nicht! Meinen wir zu wissen. Aber die Bilder und Worte, die dazu umgehend in uns ungefragt auftauchen, liefern sofort beruhigende Botschaften – frei Haus. Die kennen wir natürlich in- und auswendig, meinen wir schmunzelnd. Denn wir sind ja die Damen und Herren in unserem Haus, die wahre Kompetenz-Monster-Ausweise vorzeigen können: Klar, im Erdinnern, im Kern dieses kleinen geschundenen Planeten geht es ziemlich heiß her, klar. Weiß doch jeder. Was wir jedoch nicht fassen können, ist die Zeitschiene, auf der das lautlos durch Zeit und Raum rast – wie lange denn schon? Und wie lange noch? Das lassen wir dann lieber einfach eine rhetorische Figur sein, solch eine Frage – oder?

Außerdem liefert der Alltag genügend Ablenkung – wie immer: In Berlin bastelt man gerade völlig unbeeindruckt von diesem Palma-Fanal an einer neuen Botschaft, die ganz sicher die Erlösung kurz vor dem sonst drohenden Ruin auf allen Ebenen liefern wird, klar. Jeden Abend dürfen wir die freundlichen Gesichter und Reden bestaunen, die höflich an die Türen unserer Wohnzimmer klopfen: Dürfen wir reinkommen? Klar doch, an aller Seeligen tut ein aufmunterndes Wort für eine hoffnungsfrohe Zukunft allemal der Seele gut – oder? Notfalls helfen auch alle Heiligen…

Wieder tanzen die Wörter Tango mit uns, die sich gerade erst eine aus dem Nichts auftauchende Stunde großherzig geschenkt haben.

So oder so, der Vulkan als Fanal nicht für Untergang, sondern für Morgenrot, Aufbruch. Wie schön die Wörter doch unsere Ängste zu beschwichtigen verstehen!

Verschwörungstheorien frei Haus versus bestens recherchierte News frisch auf den Tisch – wir wähnen uns als souveräne Denker und Entscheider, sind aber nicht mehr und nicht weniger als brave Nachbeter unserer eigenen Erfindungen, Kopfgeburten, die pausenlos exakt vermessen und kritisch in neuen Untersuchungsreihen experimentell von uns beinhart überprüft, durchleuchtet und neu ausgewertet werden – als stünden wir in einem gläsernen Labor, das uns schützt und wärmt.

Wie in einem bunten Comic liefern wir dazu auch noch kleine Wortblasen, die schön schimmern und glänzen. So berauschen wir uns als niedliche spezies an uns selbst wie Artisten in der Zirkuskuppel ratlos, die zitternd

das Beben spüren und wegdiskutieren. Auch eine Ampel hat ja schöne Farben – oder?

07 Okt.

Europa – Meditation # 292

Wider den neuen Fetisch – Digitalisierung!

Nach dem CIRCLE nun EVERY von Dave Eggers. Einer, der den Puls der Zeit zu schnuppern weiß, landet zielgenau in diesem Moment seinen neuesten Bestseller. Denn während in Washington gerade eine Insiderin von Facebook auspackt, hat Eggers bereits eine konsumfreundliche Fassung des Problems geschrieben. Die Leser werden lesend genüsslich davon Gebrauch machen, während sie gleichzeitig ihre Apps und Mails checken, damit sie ja nichts verpassen. So kokettiert jeder mit seiner längst vollzogenen digitalen Abhängigkeit und zunehmenden Unfreiheit.

Verpassen? Was denn verpassen jenseits der Wolke?

Höchstens das sinnliche Leben selbst, das nämlich ungestört einfach da ist und genossen werden könnte. Könnte.

Vor der Wahl war in der BRD der Ruf in allen Parteien groß, dass endlich auf dem Feld der Digitalisierung Nägel mit Köpfen gemacht werden müssten – vor allem auch in den Schulen. Und auch jetzt, in den Koalitionsverhandlungen ist dieses Thema ganz vorne mit dabei. Klar. Denn „Modernisierungs-Schub“ klingt wunderbar nach Aufbruch, nach Dynamik, nach virtueller Morgenluft – jenseits des Miefs einer analogen Welt, in der nur noch von Korruption bei der Polizei, in der Politik, in der Wirtschaft, in den Banken die Rede ist. Von den Missbrauchsfällen in den Kirchen Europas und der Welt ganz zu schweigen. Auf Dauer eher ermüdend und lähmend.

So zappeln die Europäer – Erfinder und Vollstrecker des Cartesianismus – in ihrem eigenen Zahlen- und Fakten-Netz, das sie sich für ein freieres und unabhängigeres Leben selbst einst erfanden und zu perfektionieren versuchen. Die sogenannten side-effects werden dabei stets klein geredet, Kinderkrankheiten eben, weiter nichts. (Hier sei nur erinnert an das großmäulige Tönen in Sachen Entsorgung von Atommüll in den 50er Jahren des letzten Jahrtausends.)

Obwohl doch jeder halbwegs wache Teilnehmer am Pandemie-Geschehen in Deutschland längst wissen könnte, was die Fokussierung auf home-office und Lernen vor dem Bildschirm für „Herz-Schäden“ verursacht.

Kinder (von den Erwachsenen könnte Ähnliches berichtet werden) brauchen eben analoge Kinder und Lehrer, um sich selbst als das zu erleben, was sie sind: Hilfsbedürftige, liebeskranke und verunsicherte Lebewesen, die sich nach nichts mehr sehnen als nach Nähe, konkreter Nähe des Mitmenschen. Sei es, um den Unterschied zu sich selbst analog zu erleben, sei es, ertragreiches Lernen über das Lob des Lehrers zu gestalten oder sei es einfach den wohltuenden Unfug zu inszenieren, den man allzu gerne in den Pausen kultiviert. Der einsame Gang zum Kühlschrank oder das genervte Zappen durch öde Programme oder hektische Ballereien ist eben kein Ersatz für das wirkliche Leben.

Deshalb sollte der Ruf nach mehr Digitalisierung in den Schulen wohl gehört, aber nicht überbewertet werden. Was Kinder brauchen – da kann ich mich nur wiederholen – ist das wirkliche Erleben des Lernens unter Mitmenschen.