Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 63
Ein rätselhafter Todeskampf im Tempelhof
Amirta, Turguta und Sakalaia sitzen schwitzend im Schatten der uralten Zeder. Dennoch liegt ein zufriedenes Lächeln auf ihren schönen Gesichtern: Ihre Herrin, Chandaraissa, hatte sie gerade erst überschwenglich gelobt. Eure Bewegungen werden von Probe zu Probe bezaubernder, hatte sie gesagt. Und ihre neue Freundin, Europa, hatte zustimmend genickt. Sie seien auf einem guten Weg mit ihrem Tanz. Jetzt haben sie alle eine Pause. Auch Belursa und Sarsa haben Zuflucht im Schatten der Tempelmauer gesucht. Alle anderen Tänzerinnen stehen oder sitzen tuschelnd und kichernd beieinander und schwärmen schon mal im voraus, wie begeistert alle sein werden, wenn sie ihren neuen Tanz zum ersten Mal vorgeführt haben werden.
Dann erstarrt aber das ausgelassene Lachen urplötzlich. Jämmerliche Katzenschreie zerreißen die friedliche Stimmung unter den jungen Frauen. Alle drehen sich erschrocken um. Was hat das zu bedeuten? Dann sehen sie die beiden Katzen krächzend jaulen und wie betrunken taumelnd näher kommen. Jetzt übergeben sie sich auch noch. Milchiger Brei quillt aus ihren kleinen Mäulern. Jetzt kippen sie um, zappeln noch ein paar Mal, dann sind sie still.
Die jungen Priesterinnen schreien entsetzt auf, rufen ihre Herrin, wagen nicht näher zu den toten Tieren zu treten. Ängstlich halten sie sich an ihren Händen fest und schauen Chandaraissa sprachlos entgegen.
„Was ist hier geschehen?“, ruft die Hohepriesterin. Hinter ihr erscheint jetzt auch Europa. Blass und beide Hände vor den Mund pressend, steht sie neben ihrer Freundin. Als wäre es ein Albtraum, ein Horrorbild, eingefroren in mitleidsloser Mittagshitze.
Aber der Schrecken hält noch neue schlimme Nachrichten für sie bereit. Ein Mann und eine wild gestikulierende Frau kommen in diesem Augenblick über den Tempelhof gelaufen, sehen die toten Katzen, gehen im Angesicht der Hohenpriesterin in die Knie und jammern erbärmlich vor sich hin. Chandaraissa tritt vor, kann aber nicht verstehen, was sie murmeln.
„Ein böser Dämon, ein böser Dämon hat meinen Mann auf dem Meer bedrängt“, beginnt schließlich die zitternde Frau vor ihren Füßen zu flüstern.
Europa, die es hört, weiß sofort, wer dieser böse Dämon ist.