Europa – Meditation # 103 Heimat-Text Nr. 20
Europa: Meine Heimat, deine Heimat, wessen Heimat?
Als wenn das die Frage wäre! Denn Europa kann gar keine Heimat sein, Europa war schon immer ein Mythos, ein geographischer Begriff, eine Erzählung – oder wie man heute sagen würde: ein Narrativ, aber keine Heimat. Aber es ist ein Reizwort, das wie von selbst Gefühle freisetzt, die unseren Blick auf Themen, Menschen, Länder, Religionen und Systeme nachhaltig einfärbt.
Und natürlich setzen manche gerne diesen Begriff gleich mit Europa, um sich abzugrenzen gegen die Nicht-Europäer, woher auch immer sie kommen mögen. Und um Wasser auf die Mühlen ihrer Ängste – oder auf die von denen, denen sie Angst machen möchten – zu gießen. Denn dann müssen sie nicht über die Probleme reden, von denen sie unbedingt ablenken möchten: Armut, Ungerechtigkeit, Wohnungsnot, vergiftete Böden, Bildungsbenachteiligung, Versorgung der Alten, die Renten, die maroden Schulen, die fehlenden Lehrer und und und…
Früher umschrieb man solche politische Manöver mit dem griffigen Fremdwort: Sozialimperialismus – i.e.: Ablenken von den inneren Probleme, in dem man nach außen Stärke mimt und vortäuscht; natürlich alles nur zum Wohle des verstörten Wählers, der von zu schwachen und zögerlichen Politikern um eine sichere Zukunft gebracht werde!
Dabei ist die sogenannte Flüchtlingsfrage ja längst ein globales Thema – wie so viele andere Themen auch – sie wird aber hier mutwillig eingeengt auf ein Kräftemessen zwischen dem wild entschlossenen Innenminister, der ja auch das Thema Heimat unter seine Fittiche meint nehmen zu müssen, und der „zaudernden“ Kanzlerin – eine billige Attacke. Als ginge es um das Gender-Problem, um den vermeintlich starken Mann und die vermeintlich schwache Frau!
Angesichts steigender Mietpreise, entwerteter Dieselfahrzeuge und schmilzender Altersvorsorge – von den nach wie vor still vor sich hin wabernden Kränkungen, die die Treuhandgesellschaft eiskalt und blitzschnell erzwungen hat, mal ganz zu schweigen – ist es wohl ein Erfolg versprechendes Ablenkungsmanöver, Heimat zu beschwören und den Regierenden völliges Versagen in Sachen „Überfremdungsfolgen“ vorzuwerfen. Aus wahltaktischen Gründen kein übler Schachzug, wohl wahr!
Aber bleiben wir auf dem Teppich! Die EU – und das ist nicht Europa, sondern das sind lediglich 27 (wenn England gegangen sein wird) von 47 Staaten – hat nach wie vor finanztechnische Probleme, die Flüchtlingsfrage ist ebenfalls auf der Agenda – aber Heimat, Heimat kommt darin nur immer als regionales, kommunales Erlebnis vor – etwa so oft, wie Menschen mit Menschen in derselben Sprache am vertrauten Tisch über Gott und die Welt quatschen.