Autobiographisches – Neue Versuche – Leseprobe # 30
„Antwort“ auf die Fragen aus AbB Neue Versuche # 29:
Wie kann man nur so anthropomorph zu erklären versuchen, was sich doch gerade solchen Bebilderungen entzieht? Ist doch für eine derartige Mehrdimensionalität im Innern der Erinnernden weder Raum noch Zeit. Oder etwa doch? Dann aber so anders, damit die Innenwelt ( und schon flutscht durch die Hintertür die Anthropomorphia stekum, still und leise wieder herein!) diese zahllosen Bilder eines prallen Lebens in ihrer ganzen Fülle zu bewahren vermag. Wie sehr liegen deshalb auch die Neurologen falsch, wenn sie glauben, mit der Bildersprache der Algorithmen das einhegen zu können, was sich ihnen einfach nicht unterwerfen will?
Der circulus vitiosus ist eben der, dass etwas beschrieben werden soll, zu dem man aber Werkzeuge des Beschreibens benutzen muss, die vor „Ort“ jedoch gar nichts bewirken können! Weil sie eben Werkzeuge aus einer Wirklichkeit sind, die im Erinnern keine Rolle spielen, keine Geltung haben, viel zu plump, groß, grobschlächtig sind. Alles zerschlagen würden, was sie kunstvoll wieder zusammen leimen sollen.
Die vorläufige Notlösung könnte vielleicht sein: Nicht nur ist das Erinnerte ein Trugbild – ein Konstrukt, also ein Palimpsest – nein, auch das Erleben ist ein solches: Im Moment des Eindrucks auf die Sinne wird die Wirklichkeit bereits umgeformt, es wird herumgeschabt, mit bereits ähnlichen erinnerten Eindrücken verglichen, dann angeglichen, dann gleich gesetzt– je nach dem, wie der jeweilige Sinn reizvoll darauf reagieren will und wird. Das aktuelle Bild ist ja bloß Spiegel, nicht da, wo es ist, sondern da, wo es nachgebildet wird – also an einem anderen Ort – also fremd, draußen vor. Verwandtschaften können zwar unterstellt werden, aber welchen Grades, das muss dahin gestellt bleiben.
So leben wir in einem Hohlraum voller Vermutungen, willkürlichen Setzungen, die wir nur oft genug wiederholen müssen, um meinen zu können, sie seien die Wirklichkeit selbst, das Jetzt in seiner ganzen Totalität. Chaos in ein buntes, gerahmtes Bild gefasst. Da schließt sich der Kreis anthropomorpher Setzungen. Natürlich immer nur in Häppchen, Teilaspekten, damit es nacheinander betrachtet und verstanden werden kann, was von Natur aus aber kein nacheinander, sondern ein gleichzeitig sein müsste.
Hat Leibniz also doch Recht? Monaden haben keine Fenster? Was wir sehen, ist vielleicht nur die Tapete eines Außen, das wir Innen als Außen bezeichnen. Ein kleines Durcheinander, mit dem wir aber gerne leben wollen, weil wir uns so als die Herren im Haus begreifen dürfen, was wir ja nun wirklich nicht sind.