18 Jun

Europa – Meditation # 269

„Wo zwei oder drei im Namen Europas versammelt sind, da ist das

Irrsal mitten unter euch!“ (Blatt 2)

Der Zweite – Also, du passt?

Der Dritte – Vor lauter Skat-Gier scheint dir zu entgehen, dass die

Gier nach „Weiter so!“ und „Wachstum“ schon wieder

in aller Munde ist. Wenn wir so weiter machen, steht

Hamburg bei den Hochzeiten unserer Enkel unter Wasser.

Der Erste – Komm, nach der Pandemie wollen die Leute einfach mal

wieder schwarze Zahlen sehen.

Der Zweite – Die finden dann aber in chinesischen Pagoden auf dem

Mars statt – wetten?

Der Dritte – Ja, ich passe. Übrigens in Sachen Gier: Mir ist in den

letzten Monaten klar geworden, dass ich ausgesprochen

gut mit viel weniger auskommen kann. Lebensqualität ist

eben kein Warenrausch, sondern eine Rückbesinnung auf

das, was wir sind: Teil der Natur – für einen Moment auf

der Welt und dann wieder im Wandel von Werden und Ver-

gehen unterwegs – wie und wo auch immer. Und dem Virus

noch mal von der Schippe gesprungen.

(Die beiden Skatpartner schauen ihren Kollegen an, als hätte der gerade behauptet, Außerirdische seien bei ihm gestern zum Abendessen erschienen)

Der Zweite – Das müssen die Spätschäden sein, echt – Du klingst ja

schlimmer als jeder grüne Fundamentalist!

Der Erste – Panem et circenses – unsere Bereitschaft, die Konsumge-

sellschaft hinter uns zu lassen, löst sich wie von selbst in

Nichts aus, wenn es endlich wieder Fußballspiele mit

Publikum gibt und Fritten all you can eat.

Der Zweite – Oder wie das Eis an den Polen… Hört mal Leute, lasst uns

doch hier einfach unsere Skat-Runde in aller Ruhe durch-

ziehen. Diese Weltuntergangsgesänge machen doch richtig

schlechte Laune.

Der Dritte – Genau – die Inzidenzien gehen ja super zurück, wir haben

alle unser Bestes gegeben, die Kinder sind endlich wieder

aus dem Haus, Biden beruhigt uns aufgebrachte Europäer,

als wäre er unser Therapeut und dass in Montenegro end-

lich eine Autobahn gebaut wird, freut doch jeden Adria-Fan – oder?

Der Erste – Ist das nicht von hinten bis vorn von Chinesen finanziert und

ins Werk gesetzt?

Der Zweite – Leute, echt. Nicht wieder von vorne! Ich sage: Zwanzig!

Politik-Themen sind bis auf weiteres untersagt.

Der Erste – Na bitte, geht doch.

17 Jun

Europa – Meditation # 268

„Wo zwei oder drei im Namen Europas versammelt sind, da ist das Irrsal mitten unter euch!“ (Blatt 1)

Der Erste – Na, wie wär‘s mit einem flotten Dreier?

Der Zweite – Nee, ich bin alter Doppelkopf Hase!

Der Dritte – Na, du dreimal Kluger: Wie sollen wir zu dritt denn…?

Der Zweite – Ok, ok, also dann Skat! Wer gibt?

Der Erste – Immer der, der dumm fragt, ist doch klar oder?

Der Dritte – Oh, oh, das könnte allerdings länger dauern…

Wie fandet ihr denn die sieben gegen Peking in Cornwall?

Der Erste – Peinlich, peinlich. So viel Eintracht so kurz nach dem

lächerlichen Tanz des blonden Rumeplstilzchen wider das Abendland neulich wirkte wenig glaubwürdig – finde ich jedenfalls.

Der Zweite – Rumpelstilzchen find ich ein gutes Bild für Trump, echt!

Der Dritte – Wenn man ein gemeinsames Feindbild hat, ist Eintracht

keine große Sache. Hie Li, hie wir – der Böse wird ordent-

aufgeblasen, damit die eigene Börse schöne steigen kann.

Der Zweite – Willste nicht abheben?

Der Erste – Plötzlich wieder beste Freunde. Nee, Biden hin, Biden her..

Der Dritte – Und dann jetzt in Genf: Dieses Pathos in Sachen Menschen- rechte – geht gar nicht. Habt ihr übrigens den Film „The Underground

Railroad“ gesehen? Da spinnt sich der Faden hin bis zum:

„Ich bekomme keine Luft mehr!“

Der Erste – Die Ungleichheit im„Land der unbegrenzten Möglichkeiten“

ist überhaupt nicht mehr in Wort zu fassen, aber brutaler

Alltag für so viele drüben.

Der Dritte – Genau – jetzt wird wieder in die um Aufträge buhlende Rüstungsindustrie investiert und wir Europäer dürfen mit

bieten.

Der Zweite – Du bist dran mit Ansagen!

Der Erste – Und dann dieses Gesäusel am Genfer See. Zu viele Fronten

bringt‘s nicht – also lieber klamm heimlich die Russen mit

ins Boot holen und dann gemeinsam gegen die Visionäre

der neuen Seidenstraße anrennen.

Der Zweite – Heißt das, dass du passt?

Der Dritte – Jetzt lass ihn doch mal seinen Gedanken zu Ende bringen,

ja? Wir Europäer müssen halt sehen, dass wir auf der

richtigen Seite stehen.

Der Zweite – Also wirklich – ihr habt wohl auch noch nicht den Schuss

gehört: Vor und während der Pandemie war endlich die

Welt-Klima-Frage im Mittelpunkt – und jetzt wollen sie sogar

Jumbos nach Mallorca einsetzen. Und da geht ihr dem

„Männer machen Geschichte-Slogan“ voll auf den Leim!

14 Jun

AbB Erneute Annäherungen # 3

Wider die Natur schon so lange…

Ist es nicht eigenartig, wie hartnäckig wir Europäer an einer Denk- und Glaubensart festhalten, die nicht nur der eigenen ehemaligen religiösen und alltäglichen Welt widersprach, sondern auch dem natürlichen Gang von Werden und Vergehen zuwider läuft?

In der eigenen Biographie wird dem sich Erinnernden deutlich, wie sehr er von Anfang an misstrauisch dem schnellen Zugriff im logischen Denkgebäude für das Richtige und „offensichtlich“ Falsche gegenüber stand. Es blieb ihm lange ein ungeklärtes Geheimnis, wie sicher sich die Erwachsenen um ihn herum in ihrer Begriffswelt und den dazu gehörigen Schlussfolgerungen bewegten – immer mit einem Mienenspiel, das jedem Zweifler unmissverständlich zu verstehen gab: „Stell dich nicht so an, ist doch ganz einfach, sprich es mehrfach nach und schon stellt sich Verstehen ein, wie von selbst, logisch!“

Wie war es möglich, dass man den luftigen Bildern von einem unsichtbaren Jenseits mit einem unsichtbaren Gott (dreifach!) zu folgen bereit war, nachdem das Diesseits als Jammertal, Sündenpfuhl und Irrweg schlecht gemacht worden war?

Gut, schlecht entlohnte Legionäre, enttäuschte Veteranen und die vielen Sklaven und ihre Familien waren vielleicht bereit, an solch eine „späte Rettung und Belohnung im Jenseits“ glauben zu wollen, aber gleichzeitig die Natur als Bedrohung und Fremde zu verhöhnen, widerspricht doch dem Offensichtlichen.

Kleiner historischer Exkurs und Deutungsangebot:

Julian Apostata (360 -363) versuchte in kühnem Zugriff, dieses einseitige und misanthrope Glaubensangebot der jungen Christen und ihrer alten Bischöfe zurückzupfeifen: Es sollten wieder alle allen opfern dürfen, statt nur einem, der keine Götter neben sich duldete! Der Vielfalt in der Natur sollte wieder die Vielfalt der göttlichen Bilder entsprechen, mit der diese natürliche Vielfalt naturnah abgebildet schien. Aber das Glück war nicht auf seiner Seite. Er fiel bei einem Feldzug im Osten des römischen Reiches.

Aber schon zwei Jahre später – 365 – gab die Natur eine starke Antwort: die afrikanische Platte schob sich ruckartig weiter unter die eurasische und ein noch nie da gewesener Tsunami brauste im Mittelmeer von Westen nach Osten und riss tausende von Menschen in den Tod. Als wollte die Natur ein Zeichen geben: Ihr Erdlinge, ihr winzigen, verleugnet nicht eure Natur!

Zeit und Raum sind die Eckdaten von Werden und Vergehen. Darin hängt alles mit allem zusammen und nichts geht verloren, ja, im Gegenteil, es kehrt verwandelt zurück in neuer Form und überraschender Existenz. Das ist auch das Narrativ der östlichen Denker seit Jahrtausenden. Gerade erlebt auch der Osten so etwas wie eine Überfremdung mit einem Bildergebäude, das dem natürlichen und gewordenen Sein so sehr widerspricht. Es ist zwar nicht die Münchhausen-Geschichte vom „ewigen Leben nach dem Tod“ (Bethlehem lässt grüßen!), dafür aber die dialektische Täuschungs-Geschichte vom „materiellen Gewinn für alle beim gerechten Verteilen auf alle (Trier lässt grüßen!)“ – der Katholizismus hat seinen Ursprung im Osten; die Bilder sind fremde Bilder, die als die eigenen gebetsmühlenartig herbei gebetet werden. Der chinesische Sozialismus hat seinen Ursprung im Westen; die Bilder sind fremde Bilder, die als die eigenen gebetsmühlenartig herbei geredet werden. So taumelte man in die fremde Bilderwelt.

In beiden Irrgärten lässt sich gut träumen, andere abzuschlachten und eigene Leute mächtig werden zu lassen. Aber Frieden mit sich und der eigenen Natur lässt sich so nicht finden. Die Todesangst in der Pandemie lässt solche Irrgärten wie Kartenhäuser in sich zusammenfallen. Kopfschüttelnd schaut die Natur diesem üblen Schauspiel zu. Dann zeigt sie den Probanden die gelb-rote Karte.

Und langsam, ganz langsam wagt sich der Erschrockene ans Überdenken altvertrauter Muster. So öffnet sich eine alte Tür nun wie neu. Vielleicht.