Europa – Meditation # 306
Europa – Babylonische Sprachverwirrung? (Teil 1)
Zum Jahresende werden gewöhnlich Rückblicke montiert, die zwischen Gänsehaut-Feeling und „Na, da haben wir ja noch einmal Glück gehabt!“ changieren. So erzählen wir uns in Dauerschleife das gerade erst Vergangene als vergangen, (als würde das Vergangene nicht weiter unser treuer Begleiter und Einflüsterer sein!) schauen mutig und kritisch nach vorne und nehmen uns hier in Europa so einiges vor:
Möglichst bald klimaneutral zu wirtschaften!
Möglichst flächendeckend Schulen zu digitalisierten Hochburgen trimmen!
Möglichst Cyber-Kriminalität in den Griff zu bekommen!
Möglichst schnell die Inflation zu bremsen und wieder durchzustarten!
Möglichst vorne die 27 EU-Mitglieder im Chor der Weltmächte zu plazieren!
Dabei läuft die EU-Administration hechelnd hinter den großen Brüdern her, doch dabei geht ihnen mehr und mehr die Puste aus. Da aber in Mitteleuropa gerade eine neue Mannschaft die politische Ampel auf grün geschaltet hat, platzen die hochdotierten Beamten fast vor Euphorie und Optimismus aus den Nähten ihrer neuen Kollektionen. So basteln sie hektisch an einem progressiven Narrativ und sehen sich schon als Pioniere eines neuen Zeitalters.
Nicht so die vielen Länder Europas. Ihre jeweiligen Narrative – nach hinten wie nach vorne – speisen sich aus den reichen Sprachkammern der eigenen Sprachen. Ihre Wurzeln gehen auf wenige „Ahnen“ zurück: keltische, romanische, germanische vor allem.
In all diesen Ländern dominieren zur Zeit Zahlen und Begriffe der Pandemie die Sprachbilder: Quarantäne, Impfpflicht, Inzidenz, Genesene, Gegner. Gebetsmühlenartig werden Abend für Abend in den Medien die neuesten Tabellen und Graphiken – gerne auch mit Vergleichstabellen zu Ländern aus Übersee und Asien – unterhaltsam vorgeführt.
Wie sagen da die einschlägigen Psychologen bei so etwas gerne: „Das macht etwas mit einem!“
„DAS“ – wer oder was ist gemeint?
„ETWAS“ – wer oder was ist gemeint?
In den Familien wird gestritten, geschwiegen, Kopf geschüttelt, monologisiert. Wenn dann noch als nächstes Thema der Medien von den „Blasen“ im Internet berichtet wird, in denen sich die jungen Leute zu verlieren scheinen oder in denen sie sich ihr eigenes Körperbild demolieren lassen, dann wird nicht nur dort, sondern auch zu Hause auf die Wiederhol-Taste geklickt und schon
hat jeder seine feste Meinung, die er immer und immer wiederholt. Wie in den Medien, wie in den Blasen.
Dass aber auch über all diesen europäischen Ländern eine große Blase blubbert, die in schimmernden Farben glänzt, wird so nicht mehr erkannt, weil diese Dauer-Schleifen-Narratio längst als ganz individuelle Sehweise von jedem charakterisiert wird. Als wären es nicht alles probate Erfindungen unseres Gehirns, mit unseren Ängsten möglichst entlastend umzugehen. Der Fehler kann ja wohl nicht bei einem selbst liegen.
Die Begriffe Demokratie und Freiheit sind dabei der Saft, aus dem diese Blasen ihre Nahrung ziehen. Als Individualismus kommen sie daher und schmeicheln dem schwankenden Ego, dass es nichts und niemanden über sich dulden soll.
Es sei denn, eine Sintflut bricht über uns herein und zeigt uns die eigenen Grenzen auf: Wie sehr wir auf die uneigennützige Hilfe der anderen angewiesen sind. Schon immer.
Was soll also das Theater vom Widerstand gegen Bevormundung? Da bastelt sich doch tatsächlich eine laute Gruppe kurzerhand ein passendes Narrativ von den coolen Durchblickern, der unerbittlichen Elite der autonomen Denker, die sich einfach nicht von den Medien und deren Handlangern verführen oder gar vorführen lassen wollen!
(Fortsetzung folgt!)