10 Apr

AbB – Neue Serie # 5 Schwarze Löcher ohne Ende?

Schwarze Löcher im Sternenstaub.

Mit Worten lässt sich trefflich Siege feiern, denn sie können sich nicht wehren, sind stumm angesichts des beredten Schweigens der Erdlinge. Mengenbegriffe, Entfernungsmaße, Zeitfenster, Urlärm – das Unfassbare wird in Worten schön griffig gemacht. Es rahmt unerbittlich im Wiederholungsmodus jede Unendlichkeit wie unter einer Lupe zu einem fassbaren Bild. Scheinbar begehbar, überschaubar, sogar messbar.

Und sollte sich das erste Modell als zu klein erweisen, müssen die Erdlinge eben größer denken, weiter greifen.

Und wenn alles tatsächlich unablässig in Bewegung war und ist, dann halten sie es eben für einen Augenblick im wissenschaftlichen Experiment an, vermessen es in aller Ruhe – immer auch eins im Sinn – und entlassen es dann wieder ins unruhige Treiben weltallweit. So lässt sich gut ein Universum ans andere heften, wie in einer unterhaltsamen Fibel, durch die man sich durchblättert.

Warum nicht von Sphärenmusik schwärmen, sieh, das Schöne liegt so nah, lerne nur das All zu greifen, denn das ist doch schon immer da! So berauschen sich die Erdlinge an dem eigenen Wortsalat, würzen ihn mit immer neuen Bilderrätseln, deren Lösungen nur eine Frage der Zeit und des Eigensinns ist. Denn wo ein Rätsel ist, da muss auch eine Lösung sein. Ein unterhaltsames Spiel, das die Erdlinge aber tot ernst nehmen. Als spielten sie überhaupt die Hauptrolle in diesem eigentlich sonst nur Chaos nennbaren Durcheinander von Zeit und Raum. Die Gefängniszelle.

Schließlich brauchen die Wörter nur verlässliche Daten, mit denen sie sich schmücken können, um ihre Wichtigkeit und Richtigkeit zu verdeutlichen. Und deren Verlässlichkeit lässt sich wiederum sehr verlässlich in Worte fassen. Was aber nur Deutung ist, kann nicht zugleich auch Wesen sein, das lehrte sie doch schon der Königsberger Mann. Aber auch der ist längst verpufft im freien Spiel der Wörter, das auf seinem globalen Siegeszug einfach nicht aufs „memento mori!“ hören will. Denn über die Natur der Dinge lässt sich zwar redlich streiten, aber jedes sogenannte „Ergebnis“ wird sofort vom nächsten aufgefressen. Ganz gleich, ob man es nun „Destruktion“ oder einfach nur absurdes Theater nennt, alles hilft über den nächsten Tag hinaus. Und nach gutem Schlaf wird vielleicht der nächste Morgen schon neue Begriffe gebären, denn die Teleskope haben zwar eine erfreuliche Reichweite inzwischen, aber außer Nebel, außer Löchern, nichts gewesen!

Vielleicht ist ja der sogenannte Urknall nur das leise Echo von dem eigentlichen Knall, der selber wiederum nur ein Fake in einem galaktischen Nebel ist, hinter dem eine milchige Ursuppe vor sich hin brodelt, aus der alles entstanden sein könnte, wenn da nicht ein Loch im Suppentopf wäre, durch das ein Sternengeysir schon immer soviel Energie presst, dass eben ein Heidenlärm dabei entsteht, den man auf dem Mini-Planeten Erde auch für einen Knall halten konnte.

10 Apr

AbB – Neue Serie # 4 Wenn Wahrheit, dann in der Kunst

In der Kunst öffnet sich der Weg zur Wirklichkeit.

Manchmal.

Der Kunstgriff der banalen Wirklichkeitserklärung liegt in seiner monotonen Wiederholung. Der kleine Mensch ahmt die großen nach. Immer wieder. Schließlich signalisiert ihr Nicken: Du bist auf dem „richtigen Weg“. So wie die Vögel mit ihren Litaneien folgenschwere Resultate erzeugen, mausern sich die Erdlinge zu unbelehrbaren Besserwissern: Üben, üben, üben. Die Sinne tun dabei ihr Bestes. Lassen sich gerne betrügen. Ist so wohltuend.

Dem aber widersetzen sich die Künstler und Künstlerinnen.

Sie sorgen für Risse in der blendend bunten Wörterwand. Was aber wird dahinter sichtbar? Leere, unendliche Leere, Weite. Stille. Wie sollte man das denn in Worte fassen können, wie sollte man dem einen Sinn überstülpen können? Wie? Nur der Leierkastenmann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er ist ein entfernter Verwandter der Künstler und Künstlerinnen. Er tut zwar so, als schaffe er Musik, aber es sind nur Lochkarten, die sich nach seinem Schwungrad fortbewegen. Auf der Stelle.

In der Musik aber wohnt die Wirklichkeit wie in einem Sommerhaus: da gefällt es ihr über die Maßen, da wohnen Freunde, da lässt sich gut tafeln und wunderbar schlafen. Und in den Träumen wird dann wahr, was so sowie so nie war. In Siebenmeilenstiefeln stapft das Leben durch das Licht und findet im übermütigen Singen Zuversicht.

„Täusche ich mich?“ fragt sie ihn.

„Natürlich“, antwortet er.

So irren die Erdlinge von Museum zu Museum und verlassen es, als hätten sie eine geheime Offenbarung erlebt.

10 Apr

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 158

Europa und Archaikos sprechen mit den Zwillingen.

Mit vielen Kissen im Rücken sitzt der Minos von Kreta in seinem breiten Bett und versucht zu lächeln. Europa, seine wunderbare Frau, und die beiden Söhne, Parsephon und Samadanthys, um ihn geschart, halb stehend, halb kniend, halb am Bettrand abgestützt, versuchen zu verstehen, was Archaikos gerade stotternd flüstert:

„Der Traum, der Traum hat mich…“ er muss heiser husten, schließt die Augen, schüttelt den Kopf, während seine Hand die von Europa sucht, zitternd.

„Schone dich, mein geliebter Mann, schone dich!“ versucht Europa tröstend beizuspringen.

„Vater, was soll geschehen, wenn es soweit ist?“ Parsephon stellt die entscheidende Frage. Erschrockene Blicke gegen hin und her. Sollen sie jetzt den Sterbenden so bedrängen? Bringen sie so nicht nur das Ende noch schneller herbei? Oder ist es doch richtig, jetzt diese Frage zu stellen? Archaikos erlöst die Verunsicherten:

„Lasst Europa euer Vormund sein, bis eure Zeit gekommen ist. Und dann…“

Wieder versagt dem Minos seine Stimme. Aber er öffnet doch erneut seine Augen, tränenschwer, und fährt dann so fort:

„Parsephon, Samadanthys – teilt euch das hohe Amt. Zu zweit werdet ihr die bösen Absichten des Rats der Alten abwehren können, zu zweit seid ihr doppelt so stark. Das wünsche ich mir.“

Die Zwillinge sind sprachlos. Zusammen? Das hat es noch nie gegeben. Sofort gehen ihnen viele Einwände durch den Kopf. Aber jetzt dem Vater widersprechen? Nein, das können sie nicht. Auch Europa ist völlig ergriffen von diesem entscheidenden Moment. Sie und Archaikos hatten oft lachend so einen Plan erwogen – schon vor Jahren – aber es blieb immer offen, wie ernst sie es denn damit nehmen würden, wenn es ansteht. Und jetzt steht es an und Archaikos hat es klar ausgesprochen: Eine Doppelspitze soll es sein.

Und schon kommt der Augenblick, den sie alle fürchten: Archaikos holt noch einmal tief Luft, wirft einen Blick in die Höhe – was sucht er da? – und sackt dann langsam in sich zusammen. Eine Atem raubende Stille erfasst Europa und ihre beiden Söhne. Tränenschwer ringen sie um Fassung. Umsonst.

„Es ist soweit.“ Europa steht als erste auf. Sie weiß, dass die nächsten Stunden für sie und die Zwilligen entscheidend sein werden.