12 Jun

Europa – Meditation # 203

Denkt mal über Denkmäler nach!

George Floyd weckt viele – global – aus Albtraum oder Tagtraum: Der homo sapiens sapiens ist alles andere als eine Krone der biologischen Vielfalt auf diesem kleinen Planeten. Es ist gut, wenn man in diesen Tagen nicht nur auf die vielen Toten schaut und voller Grauen fühlt, dass man selbst noch einmal davon gekommen ist. Nein, es ist auch gut, wenn man die altvertrauten Muster und Vorbilder endlich einmal ungeschminkt hinterfragt.

Die Europäer hatten lange ein Weltbild, das dem ähnelte, das sie selbst vom Sockel gestürzt hatten: Die Erde eine Scheibe und Jerusalem der Mittelpunkt der Welt! Die Welt eine Versuchsanordnung, die nur auf die selbstbewussten Europäer gewartet hatte, dass sie in eine europäische Ordnung gezwungen wurde – natürlich nur zum Besten aller, versteht sich.

Und da der kleine Kontinent so am Rande lag, weit weg von den riesigen Territorien, die ihre Emissäre erkundeten, vermaßen und in Besitz nahmen, war es ein Leichtes, sich ein Bild von sich und der kompromisslos unterworfenen Welt zu machen, das keine Schuldgefühle oder Zweifel kannte. Und die frohe Botschaft: Macht euch die Welt untertan, christianisiert sie und beutet sie nach Herzenslust aus, damit ihr hier in Europa aus den Gewinnen prächtige Paläste bauen könnt – Arbeitskräfte zweiter Klasse gibt es ja zuhauf und Wachstum schien die Glücksformel für den Globus zu sein. Bis die Schäden zurück schwabbten ins alte Europa. Dann die Pandemie und auf einmal sehen viele – wie nach einem langen, langen, öden Traum – dass wenig Wahrheit und viel Lug und Trug und grenzenloses Leid in dieser europäischen Wundertüte am Boden sichtbar wurde.

Und über Nacht – nach einem erneuten widerlichen staatlich abgesegneten Mord an einem Mitbürger, der eben „nur“ den Nachteil hatte, dass er die „falsche“ Hautfarbe hatte – schauen die Menschen auf die Götzen, die sie in ihren Parks auf hohem Sockel stehen haben und fragen sich: Warum stehen die stolz auf einem Sockel, die mit dazu beigetragen haben oder gar maßgeblich daran beteiligt waren (ein atemberaubendes Beispiel ist der katholische Cortez, der europäische Gewalt unnachsichtig in die „neue Welt“ trug; die Zahl seiner Opfer im Namen Christi ist gar nicht vorstellbar- aber er ist nur e i n Beispiel aus Europa unter sehr, sehr vielen), warum lassen sie uns Europäer nicht blass vor Scham werden?

Aber die Wut vieler und deren Solidarität bricht sich endlich Bahn. Denkmäler vom Sockel zu stoßen, ist das eine. Einen spontane Aktion, aus dem Bauch heraus. Nach-Denken aber sollte das andere sein: Vielleicht sollte man die demolierten Denkmäler so belassen und drum herum – à la Rodin – Plastiken aufstellen, die uns daran erinnern, dass wir die, die gewaltsam von uns Europäern in die Vergessenheit gestoßen wurden, wieder sichtbar machen und vor ihnen schuldbewusst in die Knie gehen?

Und endlich nachhaltig mit anpacken, die immensen Schäden zu begrenzen, die der Glaube an unbegrenztes Wachstum bis heute angerichtet hat. Das wäre eine Wiedergutmachungshaltung, auf die Europa stolz sein könnte.

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