14 Jun

Europa – Meditation # 204

Eine neue Dankmal-Kultur in Europa?

Hat es uns nicht alle hier in Europa verwundert, dass altvertraute Routinen über Nacht ausgesetzt und über Wochen hin vermisst wurden? Dass sogar die sogenannten Big Player der europäischen Autoindustrie still standen? Und war in den Medien nicht unisono zu lesen und zu hören und zu sehen, dass danach nichts mehr so sein würde wie vorher?

Und jetzt?

Die Pandemie hat scheinbar ihren Horror verloren, der ach so anpassungsfähige homo sapiens sapiens (zweimal genäht hält besser!) möchte wohl das Gruseln möglichst schnell hinter sich lassen und wieder vergnügt nach vorne schauen. Und da er auf Technik so große Stücke hält, malt er gerade eifrig am Bild des wieder startenden Motors, der eben nur einen kurzen Aussetzer hatte.

Also einfach da weitermachen, wo man ungewollt anhalten musste?

Chancen und Möglichkeiten, die von einigen Optimisten in der Krise euphorisch beschworen wurden, sollen bitte schnell in die zweite Reihe treten, denn Zahlen und Tabellen, auf die wir wochenlang starten wie auf einen Fetisch, sagen scheinbar neues Unheil voraus (nur sind es jetzt nicht die Prognosen der Virologen, sondern die der Ökonomen): Wenn wir nicht sofort alles daran setzen, den liegen gebliebenen Laster mit aller Macht wieder flott zu machen, werden eben nicht nur die Kurse an den Börsen weiter in den Keller gehen, sondern auch die Arbeitnehmer: Ein riesiges Arbeitslosenheer wird als Drohung an die Wand gemalt.

Das Anthropozän fordert weiter seinen Tribut. Man könnte sich wieder ordentlich gruseln.

Doch da kommt uns der Alltag mit all seinen Schrecken zu Hilfe. Rassismus heißt das Ablenkungsmanöver, das nun global alle Aufmerksamkeit absorbiert. Und das Umstürzen von Denkmälern als scheinbar starke Aktion wider die Ungleichheit in modernen Demokratien.

Und wieder wird die Welt in die Guten und die Bösen, die Schwarzen und die Weißen eingeteilt, die Friedfertigen und die Gewalttätigen. Dabei wäre die Mitte der neue Weg aus den Krisen heraus.

Anstatt Denkmäler zu katalogisieren in solche, die bleiben dürfen und solche, die umgestürzt werden müssen, sollten sie zu sinnfälligen Mittelpunkten geistiger Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte werden; wie bei einem Puzzle könnten nun die, die nicht einverstanden sind, ihren Stein des Anstoßes dazu legen und so das Denkmal historisch wachsen zu lassen – als Spiegelbild eines sich stetig wandelnden Wahrnehmungsschwerpunkts, der gerne darauf verzichtet, in plattem Schwarz/Weiß oder Richtig/Falsch oder Gut/Schlecht-Mustern mutwillig die Anstrengungen der Vorfahren ins einseitige Licht zu stellen. Was könnte das für ein kreatives Geschehen sein, in dem immer wieder neu nachgedacht wird und neu das eigene Wahrnehmen überprüft würde: homo sapiens…

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