28 Dez

Europa – Meditation # 370

Bewegter Stillstand – europaweit erneut beschworen: nein, danke!

Nach dem Ersten Weltkrieg blühten aus der noch glimmenden Kriegsglut kühne Ideen -besonders in den Künsten. Überall schien über Nacht ein nie für möglich gehaltener Morgen denkbar, gestaltbar, sagbar, lebbar. Aber die meisten Europäer leckten währenddessen nur ihre Wunden, schmückten sich mit ihren Kränkungen und wollten möglichst in einem gewaltigen Wir Zuflucht finden, ein Wir, das schroff gegen das der anderen sich vor dem eigenen Spiegel eitel selbst gefiel; bis alles erneut in Scherben ging. Die Wunden – die alten wie die neuen – machten die meisten stumm; denn kaum jemand wollte etwas von Mitschuld hören.

So lag der größte Teil Europas in Schutt und Asche, junge Männer waren Mangelware, zwei große Brüder boten gar nicht selbstlos an zu „helfen“ – zwei Welten liefen gegen einander los – und eine „Zauberformel“ sorgte für eine Angst gesättigte Pause der Gewaltspiralen: O V E R K I L L ! Der homo sapiens vermeldete stolz: „Wir können uns gleich mehrfach gegenseitig auslöschen, wenn wir wollen!“

Wie absurd war das denn?

Dann kam die scheinbare Auflösung des Ost-West-Konflktes. Von einem Extrem torkelte man weltweit gleich ins nächste: ONE WORLD. Wow!

Doch inzwischen überschlagen sich die Wahrnehmungen einer friedlichen, bzw. einer gewalttätigen Welt. Und zum Jahreswechsel dürfen wieder Utopien aus der Mottenkiste des 20. Jh.s hervor gekramt werden:

Wir können zusammen die Klimakrise doch noch meistern. Jetzt! Wir müssen nur die Rüstungskosten um ein Vielfaches in die Höhe treiben, damit die Klimawende nicht durch mutwillige Kriege gestört und behindert werden kann.

Was ist das denn für ein rückwärts gewandtes Szenario der Zukunftsplanung?

Die Europäer könnten zu Pionieren einer friedlicheren Welt werden, wenn sie sie sich ihre Ressourcen und Rücklagen nicht am Rüstungstisch der Amerikaner verpulvern lassen. Fragen wir doch einfach die Europäer selbst, ob sie lieber das eine oder das andere mit befördern wollen! Nach der Pandemie, während des Krieges im Osten, und vor den Chancen für ein noch nie dagewesenes Entschleunigungsprogramm werden alle kreativen Kräfte Europas gebündelt genutzt, der Gesundheit des Planeten wie der Menschen d i e große Chance zu gewähren, die einzig und allein Erfolg versprechend sein kann. Volks-Parteien sind längst Schnee von gestern.

22 Dez

Europa – Meditation # 369

Globales Wetterfahnen-Wetter.

Die Feier anlässlich der Geburt des Sonnengottes Ende Dezember in der Antike, die zweitausend Jahre später in anderer Form und mit anderen Vorzeichen immer noch aus dem Karton geholt wird, kann Zeugnis dafür ablegen, wie flexibel das Erinnerungsvermögen mit sogenannten eigenen „Wahrheiten“ und „Glaubenssätzen“ umzugehen weiß. Isis mit Kind gesellt sich schnell auch noch dazu – von da zu Maria mit Kind und dem Weihnachtsfest Ende Dezember – neue Namen, alte Muster – ist es nur wie ein kurzes Augenzwinkern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel plötzlich der Ost-West-Konflikt vom Himmel und mit der Muttermilch bekamen die neugeborenen Europäer ein Weltbild eingeprägt, das das Potential von unendlicher Dauer zu haben schien: Sauber konnten die Kleinen dann schon die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen füllen. Ganz einfach auch.

Dann brach es unvorhergesehen in sich zusammen und hatte seine Gültigkeit verloren. Da wehte auch schon der Wind aus neuer Richtung.

Plötzlich basteln die Denkfabriken an einem neuen Bild: es gibt nur e i n e Welt – unter Führung der von Gott eingesetzten Missionare aus Übersee. Äh, pardon, Fehlanzeige. Weil sich die Esel und Elefanten so schlecht vertragen, taugen sie nicht als Vorbild. Das war nur ein Probelauf – aber jetzt haben wir ein viel besseres Bild anzubieten (neuer Wind in alten Schläuchen sozusagen):

Wider die Fundamentalisten im Nahen Osten – die einen sind die bösen, die anderen die guten – bleiben die besten Freunde treu beieinander in der Spur. Immer geht es ihnen um das Humanum, um das Gute, um das Ausgleichende, um den Frieden. Die anderen haben für sich die Position der Gewalt, des Krieges, der Kompromisslosigkeit gewählt, drum sind es „unsere“ Feinde. Sie zwingen uns zum Aufrüsten, zur Selbstverteidigung, vielleicht sogar zum Präventiv-Schlag – und global gesehen teilt sich die Welt wieder in die ganz böse Macht im Osten und in die ganz gute Macht im Westen. Pardon, hatten wir das nicht schon einmal als peinlichen Irrläufer?

Könnte es nicht sogar so sein, dass die jeweilige Glaubenssätze – wie elegante Anzüge – je nach dem so lauten, wie sie voraussichtlicher Gewinnmaximierung am ehesten nützlich sein werden?

Und wäre es da nicht besser, statt wie in Angststarre nach der Wetterfahne zu schielen, das nächste Beste in Angriff zu nehmen: Bekämpfung von Hunger, Armut, Wassernot? Solidarisch?

21 Dez

Europa – Meditation # 368

Der Pharisäer – ein europäischer Zeitgenosse.

Neulich erst saßen sie wieder zu Gericht, die europäischen Pharisäer: Unrecht und Gewalt, Diskriminierung und Korruption seien am Persischen Golf zu einem unseligen Amalgam zusammengeschmolzen – man selbst wusch wie immer seine Hände in Unschuld; bildmächtig hielten dort junge Sportler die Hände vor den Mund, sie wollten ein Zeichen setzen – bis plötzlich – scheinbar aus heiterstem EU-Himmel – in Brüssel eine Implosion die fortschrittliche Demokratiekaste ins Zittern brachte: Was? Auch hier Korruption, auch hier neu gemischte Karten mit denen vom Persischen Golf?

In der Tat wäre es bei weitem glaubwürdiger, kehrten die Europäer vor ihrer eigenen Tür. In den Niederlanden bittet der Regierungschef die Nachfahren holländischen Sklavenhandels, der eine kleine Patrizierclique in Amsterdam ziemlich reich machte, um Verzeihung, in Nigeria geben Regierungsvertreterinnen der BRD Benin-Bronzen reumütig zurück.

Die Engländer, die ja auch in Vorderasien im Wettstreit mit Frankreich um Einflusszonen und Bodenschätze Kriege führten und willkürliche Grenzen festschrieben, hatten – natürlich alles längst vergessen – das Königreich Benin nicht nur niedergebrannt, sondern auch deren kulturellen Schätze geraubt und auf dem europäischen Kunstmarkt gewinnbringend verhökert. Jetzt will man europaweit in großen Gesten Rückführungen inszenieren, als könnte man so kulturelle Traumata aus der Welt schaffen.

In Bonn läuft gerade der Prozess zu Hochform auf, in dem niederträchtigste Bereicherungswut und Habgier der Nadelstreifen-Riege – natürlich alles Absolventen der besten Schulen und Hochschulen, versteht sich – offen gelegt wird. Der einfache Steuerzahler, der mehr schlecht als recht seine jährliche Steuererklärung verfasst, kann es nicht fassen, wenn er hört, welche ungeheuren Summen da am Staat vorbei – und das auch noch mehrmals hintereinander – eiskalt abgeräumt worden waren – cum oder ex – wie auch immer.

In Washington hat der Ausschuss, der sich mit dem Sturm aufs Kapitol beschäftigt hatte, seine Arbeit beendet und kommt zu einem niederschmetternden Ergebnis für die Demokratie: Die Exekutive selbst war Mitbetreiber einer geplanten Demontage demokratischer Werte.

Und in Mitteleuropa? Da halten doch tatsächlich ordentlich beschulte Bürger die BRD für ein Phantom, das es zu überwinde gelte.

Und die Pharisäer Land auf, Land ab waschen ihre Hände in Unschuld.