15 Mrz

Europa – Meditation # 87 Heimat – Text Nr. 6

Warum Heimat unverzichtbar ist – als Lebensraum genauso wie als Gefühl

der Alltag in good old Europe hat uns wieder: Endlich ist die Exekutive gebildet, das Verteilen von Steuergeldern geht also in eine neue Runde (statt endlich auf die 5.2% aller anderen OECD – Staaten zu kommen, leistet es sich unser wohlhabendes Land immer noch, weit unter diesem Durchschnittswert zu verharren: 4,3% des Bruttoinlandsprodukts für Bildungsausgaben – steigende Werte dagegen im Verteidigungshaushalt – u.a. damit wir den Irakern helfen können, ihre eigenen Verbände professionell auszubauen) – da kann man die Verdrossenheit und Resignation vieler schon gut verstehen: Es bleibt alles beim Alten. Die GroKo dümpelt weiter vor sich hin. Dabei wäre es höchste Zeit, ein wirklich neues Kapitel für unsere auseinander driftende Gesellschaft aufzuschlagen.      

1.             Armut ist hier das entscheidende Thema.

2.             Und damit verbunden eben auch Bildung.

3.            Umweltverträglichkeit das nächste.

4.            Und kreativer Umgang mit dem Digitalen Tsunami,

               damit wir nicht von ihm weggespült werden.

Und in allen vier Bereichen spielt die H e i m a t eine besondere Rolle dabei:

Wenn Gegenden sich entvölkern, besonders die weibliche Jugend wild entschlossen abwandert und altvertraute Viertel einfach per Gentrifizierung aus dem Alltag weg „verschlimmbessert“ werden,

und wenn Schulen in viel zu großen Klassen von viel zu wenig kompetenten und frohgemuten Menschen zunehmend marode vor sich hin dümpeln müssen,

und wenn Jugend mehr und mehr das Lebensgefühl ertragen muss, in eine eher lebenslange Arbeitslosigkeit hinein zu schliddern,

dann darf es doch nicht wundern, dass scheinbar verführerische Angebote aufgegriffen werden, die aber nur dazu führen, immer tiefer in die individuelle Einsamkeit und existentielle Entwurzelung zu straucheln.

Dass solche Szenarien keine mutwillig herbeigeredete Weltuntergangsstimmungen sind, können Sozialarbeiter, Erzieher und Lehrer vor Ort tagtäglich in ihrer Sisyphusarbeit nachhaltig empfinden. Vom Lebensgefühl junger Mütter – „natürlich“ alleinstehend und prekär – gar nicht erst zu reden!

Das reicht nun wirklich für heute. Fortsetzung folge im nächsten Text.

20 Feb

Europa – Meditation # 83 Heimat – Text Nr. 2

„Übrigens sind wir der Meinung, dass Europa erst noch geboren werden muss“

Eine Botschaft der Zuversicht

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“

Von den Gefahren, die dem sogenannten westlichen Modell ins Haus stehen, reden zur Zeit landauf, landab nicht wenige: dem europäischen Fortschrittsgedanken der Aufklärung seien die Inhalte abhanden gekommen – Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit – einst die strahlenden Fixpunkte politischer Gemeinschaftskonzepte seien in einer materiellen Sackgasse verkommen. Übrig geblieben sei lediglich die Gier nach mehr, gepaart von einer beinharten Selbstbezogenheit – in seiner unverblümtesten Variante gerade in Übersee im Bild der Wiedergeburt eitelster Eigenliebe zu bestaunen.

So etwas wie Verbindlichkeit oder gar Verlässlichkeit könne man sich nachhaltig abschminken. Die einst stolzen Demokratien verkauften ihre Kernaufgaben an private Betreiber, die außer Gesundschrumpfen und der Privatisierung der Gewinne kein sozialverträgliches Konzept anzubieten haben. Die wirklich wichtigen Aufgaben – wie Altenpflege, solide Bildung der nachwachsenden Generationen, Ausbau des Schienennetzes und Umschalten auf alternative Energiegewinnung – unterliegen einem rigiden Sparmuster, das höchstens für die totale Digitalisierung eine Ausnahme macht.

Und die Regierungen in Europa? Sie kopieren dieses inhaltsleere Geldverteilungsmuster fast auf dem gesamten Kontinent. Zumindest die meisten von ihnen hielten das bisher für das richtige Muster. So wurden sich Regierungen und Regierte immer fremder. Die Herrschaft des Volkes war den gewählten Vertretern aus dem Blick geraten. Da ist Gefahr im Verzuge.

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Und es kommt nicht von außen, nicht von Übersee, nicht von den Banken, nicht von den alten Parteien. Es kommt aus dem gesunden Menschenverstand der Betroffenen: Dann müssen wir es eben selbst in die Hand nehmen. Sind unsere Sorgen nicht alle gleich, genauso wie unsere Zukunftswünsche? Wollen wir uns nicht alle befreien aus den sogenannten Sachzwängen, in dem wir sie da anpacken, wo wir sie zu greifen bekommen? Freiwillig werden wir uns dem Gemeinwohl zuwenden, denn Lebenszeit in apps zu versenken, tut nicht nur nicht gut, es schafft weder Nähe noch Zufriedenheit, nur krankmachende Schlaflosigkeit und wachsende Apathie. In überschaubaren Regionen, unter verwandten Gleichgesinnten, die Lust bekommen, eigenständig vor Ort die maroden Verhältnisse in kleinen Schritten umzuwandeln in vertraute, weil eigene Muster. Das dauert zwar, hat auch nichts Spektakuläres, ist aber nachvollziehbar und ausbaufähig.

Wie Geburtswehen eines Kontinents, der erst noch gebären muss. Europa – ein Geschöpf derer, die nichts weniger gut finden als alles, was sich wie MEGA anbiedert. Die großen Parteien zum Beispiel, die großen Banken, die großen Versicherungen, die großen Konzerne.

Und die Menschen? Sie wollen nicht länger berieselt werden mit lauwarmen Sprüchen von langem Atem und Sachzwängen und komplexen Problemen. Sie wenden sich ab. Zurecht.

19 Feb

Europa – Meditation # 82 Nachdenken über das Wort H e i m a t

H e i m a t  –  ein allmähliche Annäherung an ein scheinbar vertrautes Wort       Nr. 1

Mit der zweiundachtzigsten Nummer  der Überlegungen zum Thema Europa beginnt nun das Nachdenken über das überstrapazierte und für alles Mögliche instrumentalisierte Wort H E I M A T

Heimat – was ist das denn? Echt, wirklich!

Das hohe Tempo des medialen und ökonomischen Alltags – natürlich in globalem Maßstab – kann und will eigentlich keiner mithalten (zu wenig Schlaf, zu wüste Träume – es sei denn, man schreibt den eigenen Albtraum kurz um zu einem kolossalen Bildertsunami, den man bis dahin selbst noch nie so gesehen hatte – , zu schlechte Verdauung, zu schnell vergessene Telefonate mit wem auch immer)…

Doch darf man es nicht laut sagen, denn sonst wird man gleich an den Pranger gestellt: Man sei wohl einer von gestern, man habe wohl den Schuss nicht gehört, man sei wohl ein provinzieller Kleingeist, ein Angsthase wohl auch oder vor allem sogar!

Und wer möchte schon als ein solcher dastehen?

Wie komme ich denn überhaupt auf so komische Gedanken? Reinste Verschwendung und lächerlichstes Fremdschämen oder was?

Denn auch der Glanz in den Augen junger Frauen scheint stetig zuzunehmen, wenn jemand von sich sagen kann, er sei voll mobil und global heftig vernetzt und super gut drauf – heute in Südafrika, morgen in Seoul und – du wirst es nicht glauben – übermorgen in Anchorage. Wow!

Das feine Flackern in den Augen des Sprechers sieht allerdings weder die Beeindruckte noch der Egomane selbst. Wie auch! Da war man längst schon beim nächsten Thema, beim nächsten Blick, beim nächsten Klick.

Ich auch – sagt da die selbstbewusste, die gar nicht wirklich Beeindruckte – ich bin schon längst wieder zurück (kleine Liste gefällig? OK: Da wäre einmal Paris, dann La Paz, dann ein Symposion in Manila, eine Mediation in Kyoto -liegt ja gleich nebenan – eine Bergtour mit Sherpa zum K 2 und…hörst du mir eigentlich überhaupt zu? In meinem Loft hier in Berlin mache ich gerade nur einen kleinen Zwischenhalt für ein Personalgespräch – falle gerade die Leiter hoch, wenn du weißt, was ich meine. Ein start-up der geilsten Sonderklasse, echt…

Der plötzliche Schwindel, der sie einfach so von der Seite und aus heiterstem Himmel kurz anfällt, ist schon wieder vorbei, bevor er überhaupt ernst genommen werden musste. Vielleicht ist es ja auch nur der Anflug des Rausches, der sie bald unbedingt befallen muss, wenn sie denen sagt, was für Gehaltsvorstellungen sie hat.

Jede Nummer ab jetzt nur noch ganz kurz und knackig, damit der innere Schweinehund auch ja sagt zum Lesen der dreißig Zeilen!