10 März

Historischer Roman II – Leseprobe – YRRLANTH Blatt 168

Chlotar, der König der Franken, verliert nicht nur seine Favoritin.

Am liebsten würde er persönlich den Boten dieser schlechten Nachrichten erwürgen, aber der König reißt sich zusammen, rennt wie ein eingesperrter Bär im Käfig wütend hin und her. Bordov, seinen treuesten Gefolgsmann, wird er noch brauchen, also Ruhe bewahren.

„Der Römer vergiftet? Vergiftet? Von wem?“

Chlotar spielt den Empörten. Insgeheim freut er sich, dass sein Plan aufgegangen ist. Auf seine schöne Aemihilth ist eben einfach Verlass.

„Das will der Sohn dieses alten Römers Marcellus, Julianus, wohl noch heraus bekommen. Allein, ich muss dir noch eine weitere schlimme Nachricht überbringen, beginnt nach einer Pause Bordov erneut mit seinem Bericht aus der Villa Marcellina.

„Nun?“

„Aemihilth, deine Favoritin, ist ebenfalls tot.“

Der König erstarrt in seiner Bewegung, hält die Luft an, glotzt ins Leere. Er findet sich richtig gut, wie er den Schockierten spielt, richtig gut.

„Nein, nein, nein….“ flüstert er dann fast lautlos, „nein!“

Bordov ist unschlüssig: Soll er gehen, soll er versuchen, den Tröster zu spielen, soll er komplizenhaft zwinkern? Er weiß es nicht. Doch da erlöst ihn der König aus seiner Ratlosigkeit.

„Lasst meine Leute eine Woche lang in schwarz herum laufen und gebt die Losung heraus: Der König ist in großer Trauer um seine treue Dienerin Aemihilth. Ich will niemanden empfangen. Niemanden.“

Bordov verneigt sich gehorsam. Er bewundert die Klugheit seines jungen Königs. Aber leider muss er noch eine dritte schlechte Nachricht los werden:

„Mein König“, beginnt er zögernd, „da ist noch etwas, was ich euch sagen muss….“

Chlotar tut zuerst so, als habe er gar nicht gehört, was Bordov noch vorzubringen hat. Dann bleibt er erneut – wie in wichtiges Nachdenken versunken – stehen, schaut dann auf und fragt eher beiläufig:

„War noch was, Bardov?“

Bardov holt tief Luft und beginnt dann so, als wolle er seinem König eine kleine Geschichte zum Aufheitern vortragen:

„Tja, da ist noch dieser Junge, dieser römische; Julianus heißt er wohl oder so ähnlich, der hat sie – ohne Zeremonie – einfach so verscharren lassen und angekündigt, er wolle der „Sache“ nach gehen. Ja, genauso hat er es wohl formuliert: „Er wolle der Sache nachgehen.“

Die beiden schauen sich für einen Augenblick flüchtig an, dann beginnt der König leise zu kichern und je länger er das tut, schließt sich auch sein treuer Gefolgsmann an mit zu kichern. Schließlich verebbt das kleine Theaterstück, als hätte es gar nicht stattgefunden.

„Ich denke, wir haben noch eine Menge zu erledigen, wir beide – oder?“

fragt dann völlig unvermittelt Chlotar seinen Gefolgsmann. Bordov nickt vielsagend, verbeugt sich erneut tief vor seinem König und sucht langsam das Weite.

Kaum hat er den Raum verlassen, muss er sich an der Holzwand abstützen. Ihm ist ziemlich schwindlig.Soll das bedeuten, dass er mal wieder die Drecksarbeit erledigen soll, dass er den jungen Römer aus dem Weg räumen muss?

Bordov spürt, wie ein völlig neues Gefühl in ihm hoch kriecht. Langsam, sehr langsam. Ist dieser Auftrag vielleicht jetzt doch einer zu viel? Erschrocken blickt sich Bordov um. Hat ihn jemand beobachtet, hat er etwa seinen Gedanken gerade versehentlich laut ausgesprochen, hat ihn jemand belauscht? Weiß es der König vielleicht bereits? Muss er um sein eigenes Leben fürchten?

25 Feb.

Historischer Roman II – YRRLANTH – Leseprobe – Blatt 167

Julianus bestattet seinen Vater Marcellus.

Was für eine Ende! Julianus kann es immer noch nicht fassen. Er sieht sich immer noch neben dieser eitlen Lügnerin sitzen, sieht sie den Pokal zum Mund führen und erinnert sich auch genau an den Blick, wie sie seinen Vater beobachtete beim Trinken. Stolz. Siegesgewiss und auch voller Bosheit. Wie dumm ich doch wahr, hadert er jetzt mit sich selbst. Ich hätte es wissen müssen: Traue diesen Franken nicht! Und wieder gehen ihm die Bilder durch den Kopf, als diese Finsterlinge anrückten, um ihn festzunehmen. Und was für ein Wunder: Die fränkischen Leibeigenen seines neuen Lehens verteidigen ihn. Welche Götter hatten ihm da beigestanden? Er weiß es nicht.

Vor sich – auf dem Scheiterhaufen – sein Vater. Die Giftmischerin ist längst außerhalb der Villa in einer schnell gegrabenen Grube unter die Erde gebracht worden. Die Sklaven der Villa haben es voller Zorn für ihn erledigt. Schweigend stehen sie um den Scheiterhaufen herum. Tränenschwer, mit geneigten Häuptern.

Im Dämmerschein dieses unglückseligen Tages greift Julianus nun zur Fackel, die sein alter Lehrer, Philippus, für ihn bereit hält. Alle Arbeiter und Arbeiterinnen der Villa stehen in einem großen Kreis um ihren toten pater familiae herum. Sie wissen, was sie mit ihm alles verlieren, sie ahnen, dass die Zukunft nur düster für sie sein wird. Die Franken verachten die Römer. Nicht nur weil sie lesen und schreiben können, die Römer, nein, auch weil sie auf eine lange und stolze Geschichte zurückblicken können. Weil sie immer noch ihren alten Göttern opfern.

In weiße Laken gehüllt liegt er oben auf dem hohen Katafalk, der edle und gebildete Senator Marcellus. Tot. Vergiftet. Was für ein unwürdiges Ende für diesen weisen Mann. Philippus, der ja auch Marcellus Berater war in all den schwierigen Jahren, lässt seinen Tränen freien Lauf.

Die Flammen greifen gierig um sich, lodern flackernd auf. Julianus hebt nun beide Arme hoch und ruft lauf:

„Sol invictus, sol invictus! Wir dienen dir, wir opfern dir, wir flehen um deine Hilfe – lass diese ruchlose Tat nicht ungesühnt geschehen sein!“

Da heben auch alle anderen Trauernden ihre Arme, rufen gemeinsam Sol Invictus an – obwohl sie alle getaufte Christen sind, inzwischen. Verbeugen sich bis zum Boden, recken erneut ihre Arme und wiederholen in einem fort den Namen des römischen Gottes: Sol Invictus, sol invictus!

Und Julianus verspricht seinem Vater, ihn zu rächen.

01 Feb.

YRRLANTH – Historischer Roman II – Blatt 166 Leseprobe

Ein fatales Gelage in der Villa Marcellina.

Somythall, Pippa und die kleine Sumila sind längst Richtung Westen unterwegs. Und Rochwyns Leute reiten vorneweg und hinterher. Sie haben ihrem Duc geschworen, die Frauen heil in die Heimat zurück zu bringen. Dass Somythall abreisen musste, ohne Julianus noch einmal gesehen zu haben, schmerzt sie unentwegt. Wie gerne hätte sie ihn noch einmal im Tempel der Diana getroffen! Wir gerne…da unterbricht Thyrdys ihren Tagtraum:

„Frau, es dämmert, vor uns die Lichtung eignet sich sicher gut für einen Platz zum Rasten.“

Somythall nickt.

„Nur zu, Thyrdys, nur zu! Ich bin einverstanden.“

Sie ist froh, dass Thyrdys sie aus ihren Träumen gerissen hat. Denn da kommen auch schon wieder heimlich die Tränen.

„Somythall, was ist, geht es dir nicht gut?“

„Doch, doch, ich muss nur gerade an die Villa denken. Diese Aemihilth, die hat so eiskalte, hellblaue Augen. Ist dir das auch aufgefallen, Pippa?“

Und während sie nun beide absitzen, unterhalten sie sich weiter über die neue Favoritin des Königs.

„Und wie! Ich kenne sie noch aus der Zeit, als sie nicht die Favoritin des Königs war. Da musste sie noch Königin Adaliz bedienen. Sie war da immer so übertrieben unterwürfig. Ekelhaft. Aber dem König hat es wohl gefallen.“

„Was meinst du eigentlich, wie die Königin gestorben ist? So oder so?“

Pippa, die gerade Sumila in den Armen hält, schaut erschrocken Somythall an.

„Somythall, meinst du etwa, dass Aemihilth etwas damit zu tun haben könnte?“

Die verzieht nur die Lippen.

Währenddessen findet – schon einen Tagesritt entfernt – im Osten am Liger in der Villa Marcellina gerade ein kleines Festessen statt. Die neue Favoritin des Königs der Franken, Aemihilth ist seit Tagen zu Gast bei Marcellus, dem römischen Senator. Sie hat ein dunkelblaues, samtenes und sehr enges Gewand an. Marcellus kann sich gar nicht satt sehen an ihr. Die Sklaven bringen gerade Früchte herein. Die Favoritin des Königs ist bestens gelaunt. Bisher läuft alles nach Plan. Den ersten Gefallen hat sie – schneller

und einfacher, als sie gedacht hatte – bereits erfüllt: Königin Adaliz ist überraschend gestorben, beerdigt. Der König in Trauer. Seine Kinder noch zu klein, um zu verstehen, dass die Mutter nicht mehr wiederkommt. Und an dem zweiten Gefallen arbeitet sie gerade. Wenn sie die Blicke dieses Römers richtig deutet, dann ist er ihr bereits verfallen. Auch seinem Sohn, diesem Julianus, der gerade wegen wichtiger Gespräche mit dem Vater von seinen neuen Lehnsgütern auch in der Villa weilt, entgeht es nicht. Aemihilth lächelt lüstern. Sie weiß, wie man mit Männern verfährt, wenn man als Frau von ihnen etwas haben will.

Die Fackeln an den Wänden des Tricliniums flackern. Der Windzug, als die Sklaven wieder den Raum verlassen, spielt mit dem Feuer. Die Jagdszene, die in den Fresken an der Wand erzählt wird, zeigt die Göttin der Jagd, wie sie gerade einen Hirsch erlegt. Stolz und bar aller Kleider zielt sie mit ihrem Bogen auf das fliehende Tier. Der Augenblick vor dem Tod. Julianus, Marcellus und Aemihilth – bequem hingestreckt auf ihren Liegen – scheinen den Abend sehr zu genießen. Jetzt ergreift der Herr der Villa seinen goldverzierten Pokal:

„Hier, schöne Frau, nehmt meinen Pokal und trinkt mit mir auf die Zukunft des Frankenreichs!“

Aemihilth – innerlich wie zu Eis gefroren – lächelt, nimmt den Pokal und wartet mit dem Trinken, bis Marcellus von seinem Sohn dessen Gefäß übernimmt. Gut, denkt sie dabei, so werde ich auch den zweiten Gefallen des Königs erfüllen – nur etwas anders, als ich gedacht hatte. Beide nehmen einen kräftigen Schluck, bevor sie ihre Pokale wieder abstellen.

„Wollt ihr nicht noch ein paar Tage bleiben?“ fragt Marcellus so beiläufig wie es nur irgend geht.

Na, ich habe ihn. So einfach. Dabei dachte ich, die Römer seinen aus einem anderen Holz geschnitzt. Nur nutzt mir diese Einsicht nun nichts mehr. Scheinbar zufällig stößt sie ihren Pokal um, als sie jetzt nach einem Apfel greift. Schon kommt ein Sklave herein, wischt den Wein von Tisch und Boden auf und füllt die leeren Gefäße erneut mit Wein. Nur der Sohn ist davon gekommen. Schade. Wenn ich Königin geworden wäre, geht es ihr nun durch den Kopf, dann hätte ich den auch noch leicht zu beseitigen gewusst. Schade.

„Wenn ihr mir weiter eure so großherzige Gastfreundschaft zukommen lasst, will ich gerne noch länger bleiben.“ Dabei spürt sie nun auch das erste Grimmen in ihrem Bauch. Der Römer tut noch so, als wenn nichts wäre.