Leseprobe aus dem zweiten Roman „Yrrlanth“
Blatt # 70 Arnulf, der Bischof, versinkt in seinem Lebensüberdruss
Eine dünne Schneedecke hat sich über Lutetia gelegt. Im kalten, gräulichen Dämmerlicht an diesem Wintertag wirken die vielen kleinen Rauchfahnen über den erbärmlichen Hütten am Ufer des Flusses wie kranke Würmer, die sich winden und wenden, als könnten sie so ihre Schmerzen los werden.
Auch das verfallende Amphitheater zeigt sich an diesem Abend ganz in weiß, als wäre der einst mühsam heranggeschleppte Marmor gerade erst verbaut worden.
Auch in den Katakomben ist es bitterkalt und nass. Schmelzwassertropfen glucksen in kleine und große Pfützen. Die Laune des Bischofs ist dementsprechend schlecht. Längst hat er kalte Füße. Die Lederlappen um seine Beine und Zehen triefen vor Nässe. Aber Arnulf weiß, dass Abhilfe bereits auf ihn wartet.
Jetzt betritt er gebeugt eine kleine Halle mit einer bunt bemalten Kuppel. Fackellicht wandert unruhig darüber hin. Als bewegten sich die Göttinnen und Nymphen lüstern hin und her, so kommt es ihm vor, als er zu ihnen jetzt aufschaut. Die Mitte der Therme bildet ein rundes Becken, aus dem wie feine Schleier Rauchwellen hochwandern und im Halbdunkel vergehen. Er kann zwei Köpfe erkennen. Frauenhaar. Langes. Sie warten auf ihn. Arnulf schält sich hastig aus seinen klammen Kleidern und stürzt sich kopfüber ins warme Wasser. Schrill und vergnügt quietschen die hohen Stimmen dazu ein lockendes Willkommen. Unter Wasser schwimmt er auf die wie Schlangen herab hängenden Beine zu, taucht schnaufend dazwischen auf und prustet wohlig Luft und Wasser heraus.
So soll es sein, so soll es sein, denkt er zufrieden. Seine Hände arbeiten sich schmeichelnd auf nasser Haut hoch, wandern über Brüste, die sich ihm gerne anzubieten scheinen. Vergessen ist in diesem Augenblick der ganze Ärger des Tages, die misslichen Botschaften aus dem Lager des Königs, die schlechten Ergebnisse, die seine Pächter vorlegten, die bösen Blicke der Neider bei der Audienz vor dem König. Aber Pippin. Ja, das ist so etwas wie ein Lichtblick in dieser Düsternis. Den will er zu seinem willigen Werkzeug machen. Er hat ihn ganz in seiner Hand, die gerade lustvoll auf einem haarigen Hügel ausruht, unter Wasser.
Die Römer wussten wirklich, das Leben zu genießen. Wir, als ihre siegreichen Nachfahren, sehen dagegen ziemlich klein und unfähig aus, das muss Arnulf zugeben. Ich werde die beiden mitnehmen, hinterher, da kommen mir bestimmt hilfreiche Gedanken, wie wir das, was die Römer geschaffen haben, noch übertreffen könnten. Aber nicht jetzt. Jetzt nichts als Lust, reine Lust. Bichöfliche Lust. Er muss lachen. Das freut die beiden jungen Gefährtinnen, denn sie kennen die Launen des Bischofs nur zu gut. Sie werden sich ordentlich Mühe geben, ihm zu Willen zu sein, dann drohen heute auch keine Schläge oder Schlimmeres gar.
Und oben tanzen weiter schattenreich die schlanken Nymphen um die Göttinnen des Olymps herum, als wären Götter und Menschen friedlich vereint.