Historischer Roman II YRRLANTH Blatt # 90
Das Lügennetz von Abt Benedikt
Seit ihrer Ankunft in Luxovium versucht Rochwyn herauszubekommen, wohin es seine Mönche samt Abt verschlagen hat, seit sie fluchtartig die Villa Marcellina verlassen mussten. Seine innere Stimme flüstert ihm dauernd zu, doch Abt Benedikt zu befragen. Den, denkt Rochwyn, diesen Feigling, der alles daran zu setzen scheint, mit dem fränkischen König und seinem Bischof klar zu kommen? Den? Immer den Bann gegen Columban vor Augen, der so plötzlich und endgültig seine drei Klausen hier in Luxovium verlassen musste.
„Ich möchte mich für eure Hilfe bedanken“, beginnt Rochwyn honigsüß das Gespräch mit Benedikt.
„Oh, Jesus, unser aller Vorbild, hat niemandem je seine Hilfe verweigert. Wir tun es ihm nach.“
Rochwyn schmunzelt. Dieser Heuchler. In Wirklichkeit schrillen in seinem Kopf die Alarmglocken: Was will dieser Ire von ihm, was führt er im Schilde? Gut, spielen wir noch eine Weile das Säuselspiel weiter. Nur zu.
„Und wie geht es eurer Frau? Ist sie wohlauf?“
„Ja, die Frauen im Badehaus kümmern sich liebevoll um sie. Somythall ist voller Zuversicht.“
Stille. Benedikt gehen die Themen aus. Rochwyn will ihn weiter zappeln lassen. Als die Stille zu unangenehm wird, beginnt Benedikt von neuem:
„Wir sind seit dem Weggang unseres hochverehrten Columbans sehr in Sorge um die Mithrasgläubigen. Das furchtbare Gemetzel in ihrem unterirdischen Tempel neulich hat uns völlig erschüttert.“
Was für ein Themenwechsel, denkt Rochwyn. Dieser schlaue Fuchs: Flucht nach vorne, das nenne ich mutig. Denn eigentlich ist der Abt doch heilfroh, auf diese nun, leider etwas brutale Art, Irrgläubige loszuwerden. Für ihn ist das sicher das Eingreifen Gottes, der eben auch eine strenge Seite hat. So oder so ähnlich wird sich Benedikt das zurechtlegen.
„Nun, auch wir waren entsetzt, das könnt ihr mir glauben, lieber Benedikt. Aber im Grunde habe ich um dieses Audienz gebeten, weil ich fragen wollte, ob ihr vielleicht etwas über den Verbleib der irischen Mönche wisst, die ich ja schützend zu ihrem Missionsort östlich des Rhenus führen sollte.“
Rochwyn hat Benedikt genau beobachtet bei seiner Rede und ihm ist nicht entgangen, wie ein leichtes Zucken über sein Gesicht huschte, als von den irischen Mönchen die Rede war.
„Ach, das ist es. Äh, also, von irischen Mönchen – nun, damit meint ihr sicherlich nicht Columban und seine Mitbrüder – weiß ich leider gar nichts. Sonst hätte ich es euch ja auch schon längst mitgeteilt.“
Rochwyn ist sich völlig sicher, dass Benedikt lügt. Sein Gefühl hat ihn da noch nie im Stich gelassen. Er hat auch schon eine Idee, wie er den verlogenen Abt aus der Reserve locken könnte. Jetzt will er ihn aber zuerst einmal einfach zappeln lassen.