Leseprobe zum historischen Roman II – YRRLANTH Blatt # 128
Diana, die Schützgöttin der Villa Marcellina, machtvolle Rächerin.
Gleich am Morgen nach dem vergeblichen Versuch der Franken, die Villa und ihre Bewohner zu vernichten, errichten die Sklaven einen großen Scheiterhaufen. Dann schleppen sie einen Toten nach dem anderen dorthin. Aufgespießt auf den Pfählen im Verteidigungsgraben von dem Südtor, von Pfeilen durchbohrt oder von den Kurzschwertern der Römer erschlagen. Lauter junge Männer, denen Pippin Beute, Reichtum und Ruhm versprochen hatte. Nun ein Raub der Flammen.
Andere Arbeiter reparieren die Dächer, die von Brandpfeilen getroffen worden waren, und die Frauen behandeln im großen Schlafsaal die Verletzten. Keine Toten. Marcellus ist stolz auf seine Leute, aber vor allem auf seinen Sohn. Denn dank seines Studiums des 7. Buches von Cäsars De Bello Gallico – wo er die Belagerung von Alesia ausführlich beschreibt – hatten auch ihr Belagerungsgraben und die Fallen ihre Funktion voll erfüllt: Die Feinde waren blindlings in ihr Verderben gerannt, die Pfeile der Verteidiger hatten den Rest erledigt.
Jetzt stehen Marcellus, der Herr der Villa, sein Sohn Julianus, dessen Lehrer Philippus und die Nachbarn Gajus und Barbinius im Tempel der Göttin Diana. Weihrauchduft erfüllt den hohen Raum. Die Männer ins Dankgebet vertieft.
„Hohe Göttin, seit so vielen Generationen schon hältst du deine schützende Hand über uns. Diesmal standen wir am Abgrund, dem Tod so nah. Aber du hast unsere Gebete erhört. Die Feinde sind alle tot. Wir werden dir ein großes Opferfest als Dank anbieten. Nimm es huldvoll an!“
Die Männer verharren still versunken lange dort, ihre Blicke versenken sich ins Abbild der Göttin, vorne in der Apsis. Streng schaut sie ins Weite, entschlossen die Hand am Bogen, den Köcher voller Pfeile und ihre Gewand gebauscht vom Wind.
„Meine Rache ist furchtbar und unerbittlich, schon immer. Die Anmaßung der Franken mit ihrem kleinen syrischen Gott hat sie blind gemacht für meine Kraft. So musste ich diese strenge Strafe über sie alle aussprechen. Seht euch vor, im Schutz der Wälder wächst weiter meine wilde Macht! Seht euch vor!“
Julianus phantasiert sich den Spruch der Göttin voller Inbrunst ins Gedächtnis, als habe sie gerade zu ihm persönlich gesprochen.
„Göttin, ich danke dir so sehr. Nun habe ich nur noch eine Bitte: Lass die Frau aus dem fernen Yrrlanth nicht zuschanden werden, lass sie leben, lass sie…“
Da kommen ihm die Tränen. Gut, dass niemand auf ihn schaut gerade.